Kontrollierte Unordnung

Kontrollierte Unordnung

Atlas Sound „Parallax“ (4AD)
Das kreavtive Potential eines Bradford Cox zu unterschätzen oder gar zu ignorieren ist, das kann man getrost behaupten, ein dicker Fehler, den man nicht mehrfach begehen sollte. Wenn also an gleicher Stelle „Halcyon Digest“ von Deerhunter nicht mit der gebührenden Euphorie gewürdigt wurde, dann ist das zwar menschlich, aber dennoch unverzeilich. Neben dem verstorbenen Vic Chesnutt verkörpert vielleicht kaum eines anderen Musikers Werk im Wortsinn das zerbrechliche, fragile, durch Krankheit gezeichnete Erscheinungsbild so sehr wie das des knapp dreißigjährigen Mannes aus Athens, Georgia. Und weil Cox trotz aller künstlerischen Freiheiten bei seiner Band noch immer auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen ist, veröffentlicht er bekanntlich seit drei Jahren unter dem Pseudonym Atlas Sound zusätzlichen Output.
„Parallax“ ist das dritte Album seines Soloschaffens und auch dieses spiegelt wieder die erstaunliche Bandbreite, mit welcher Cox den Begriff Indie versteht und verarbeitet. Vom einschmeichelnden Popsong („The Shakes“, „Mona Lisa“, „My Angel Is Broken“) über elektronische Heimwerkereien („Amplifiers“) bis zu sphärischen Vermeldungen aus dem Entspannungsbad („Te Amo“) ist alles dabei. Mal verfremdet Cox seine Stimme zu einen brüchigen, gepresst klingenden Klang, der entfernt an Frank Black von den Pixies erinnert („Parallax“, „Praying Man“), an anderer Stelle läßt er sie in hohen und zarten Tönen schweben („Terra Incognita“), Stücke wie „Doldrums“ oder „Flagstaff“ fransen genüßlich aus oder mäandern gewohnt psychedlisch umher.
Dass er dabei den Faden nicht verliert, verdankt er in erster Linie seinem geschulten und brillanten Songwriting – immer wieder setzt er in geboteten Abständen kleine, konventionelle Haltepunkte, die den Hörer bei Laune halten und verhindern, dass das Album zur experimentellen Wundertüte verkommt. Diese so geordneten wie gekonnten Einschübe sind von der Qualität, wie man sie in diesem Jahr (wieder einmal) vielleicht am ehesten von den GIRLS gehört hat, hier ist Cox der bewunderswerte „Liedermacher“, der sich weder der simplen Melodie noch des melancholisch gefühligen Textes schämt. Und das waren doch, sind wir ehrlich, seit jeher die Besten. Gute Platte. http://deerhuntertheband.blogspot.com/

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