Von Stefan Sasse
Einige Abgeordnete der CDU haben beschlossen, dass die von ihnen wahrgenommene "Profillosigkeit" der CDU sie nervt und dass eine Rückbesinnung aug konservative Werte geben muss. Daher haben sie den "Berliner Kreis" gegründet, der dem Rechnung tragen soll, ein Projekt, das etwa JU-Chef Mißfelder schon vor Jahren angestoßen hat und das damals sang- und klanglos in der Versenkung verschwand. Dasselbe passiert jetzt auch mit dem neuen Kreis: Mutti Merkel hat kritisch die Augenbraue gehoben, und sofort springen einige derjenigen Konservatismus-Krieger ab, die noch auf eine Karriere hoffen, unter anderem Mißfelder höchstselbst. Zurück bleibt, was die FR süffisant als "die alte Stahlhelm-Truppe" bezeichnet, unter anderem Erika Steinbach, Wolfgang Bosbach und Christean Wagner. In der Gründung dieses "Berliner Kreises" zeigt sich wieder einmal das Dilemma, in dem diese scheinbaren Konservativen stecken. Sie definieren ihren Konservatismus immer noch entlang der Frontlinien von 1968 und kämpfen gegen Windmühlen, die sich zu einem guten Teil auch noch einbilden.
Was viele der selbst ernannten Konservativen der CDU als Profillosigkeit wahrnehmen - das offizielle Umschwenken der Partei auf Feldern wie der Familienpolitik, der Energiepolitik oder dem Mindestlohn - ist in Wahrheit überhaupt keine. Es ist nicht ihr Profil, zugegeben, aber das ist etwas anderes als kein Profil. Die unangenehme Wahrheit für solche CDU-Konservative ist, dass ihre Werte und Weltbilder hoffnungslos aus der Zeit gefallen sind. Die unangenehme Wahrheit für Progressive ist, dass die Bevölkerung heute wie damals strukturkonservativ ist. Wie passt das zusammen? Ganz einfach. Der Konservatismus, den diese CDU-Urgesteine im Angebot haben, passt überhaupt nicht mehr zu dem, was die aktuelle Welt ausmacht. Konservative wollen bewahren, aber das, für das diese Typen einstehen wollen interessiert eigentlich niemanden mehr ernsthaft. Erika Steinbach etwa war jahrelang Vorsitzende der Vetriebenenverbände und nahm ihre Rolle so wichtig, als wäre der BHE erst jüngst in der CDU aufgegangen und die Heimatvertriebenen immer noch eine der größten kohärenten Wählerschichten der BRD. Viele andere dieser selbst ernannten Konservativen hängen, auch wenn sie es nicht so offen sagen, immer noch dem Ideal eines Ein-Ernährer-Haushalts an. Und sie alle profilieren sich vorrangig über die Sicherheitspolitik, indem sie als Antwort auf praktisch jedes Problem "Vorratsdatenspeicherung!" krähen, so wie Westerwelle immer "Steuersenkungen!" beizusteuern wusste, auch wenn es gerade um etwas völlig anderes ging.
Nein, diese Konservativen haben zu Recht schwindenden Einfluss auf die CDU und sehen ihre Felle davon schwimmen. Die Vorstellung, dass ein bisschen harsche Kontrollen und Strafen ein konservatives Profil ausmachen würden ist absurd. Wenn die CDU etwas bewahren will, dann muss sie zwangsläufig - wie sie das ja auch zögerlich getan hat - Mindestlöhne einführen, Auswüchse in Zeitarbeit und anderem Lohndumping begrenzen und ihren Familienbegriff weit großzügiger auslegen als bisher. Es ist zwar richtig, dass besonders viele der älteren Stammwähler immer noch gerne solch markige Reden hören. Das ändert aber nichts daran, dass sich die CDU damit immer weiter von den jungen Generationen entfernt, und im Kontext der Union heißt das Menschen unter vierzig. Die CDU wird irgendwann erkennen müssen, dass die alten Vorstellungen dessen, was sie als konservativ betrachtet, schlicht aus der Zeit gefallen sind und dass sie sich bewegen muss. Angela Merkel hat das durchaus verstanden. Sie bewegt sich immer nur so weit, wie sie gerade unbedingt muss, aber sie bewegt sich. Die Konservativen machen ihr das leicht, denn sie werden dabei zurückgelassen. Schritt für Schritt.