Tesla Model 3, Exterior Design
Man hätte erwarten können, dass Tesla beim Model 3 irgendwas Praktisches machen würde. Ein One-Box Design, vielleicht etwas konservativer als der BMW i3 und etwas eleganter als der Chevrolet Bolt. Schließlich geht es hier nicht mehr darum, die Kunden der Luxusklasse zu überzeugen (wie beim Model S) sondern darum, ein alltagstaugliches, funktionales und günstig herzustellendes Fahrzeug zu entwickeln. Erstaunlicher- und erfreulicherweise ist es ganz anders gekommen.
Teslas Chefdesigner Franz von Holzhausen, trotz seines Namens Kalifornier von Geburt an, hat ein extrem klassisches, hochelegantes und eben doch auch europäisches Design geschaffen, eine Form, die den Werken der Carrozziere der 60er Jahre viel näher ist als den typischen amerikanischen Dreamcars. Warum hat sich Tesla für ein so klassisches und so wenig amerikanisches Design entschieden? Die Antwort könnte darin liegen, dass man zum Einen etwas Langlebiges schaffen wollte, um Vertrauen in die neue Technik zu fördern (das war schon beim Model S die Strategie) – und zum Anderen, dass auch in den USA, und überall sonst auf der Welt, klassische europäische Autos als aufregend und begehrenswert gelten. So ist der Tesla Model 3 näher am Porsche 911 als an der Corvette. Das ist natürlich auch eine Sache des guten Geschmacks. Brutales, ostentatives Design passt nicht zur Zielgruppe der Menschen, die über Mobilität viel nachdenken, ihre Kaufentscheidungen gründlich abwägen und ihre Umwelt (und den eigenen Einfluss darauf) bewusst reflektieren.
Formal italienisch-englisch, ist das Model 3 in der konzeptionellen Gesamtauffassung eher französisch-avantgardistisch. Wie schon beim Model S handelt es sich um ein Hatchback, also das, was wir als Fließheck bezeichnen. Der erste, wegweisende Vertreter dieser Gattung kommt aus Frankreich: Es war der Renault 16 von 1965. Bei der Gestaltung dieses Autos stand im Vordergrund, einen angenehmen und gut nutzbaren Raum für den Menschen zu schaffen; die Tatsache, dass dieser Raum sich fortbewegen, fahren sollte, war für die verschiedenen Gestaltungsentscheidungen nicht dominierend. Paolo Tuminelli nennt diese Sorte von Autos der 60er und 70er Jahre »Intellectual Car«, sie haben große Fensterflächen mit schmalen Säulen, flexible Innenräume, und die Technik nimmt so wenig Volumen wie möglich in Anspruch. Fügt man diesem Rezept eine ordentliche Portion italienisch-englischen Sportsgeist hinzu, dann erhält man etwas, das auch heute noch gefallen kann.
Apropos Sportsgeist: Eben habe ich den Porsche 911 genannt. Aber das eigentliche Vorbild aller Teslas in Sachen sportlich-elegantem Auftritt ist der Aston Martin DB. Das umgekehrte Trapez an der Front, die kräftigen, über den großen Rädern breit ausgestellten Schultern, das knappe, in einem Bogen gespannte Greenhouse, das kurze, knackige Heck – alles das sind formale Merkmale, die Aston Martin kultiviert hat, und derer sich Tesla bedient. Bei der Aneignung dieser allgemein begeisternden Formensprache tun die Tesla-Designer jedoch zwei Dinge: Sie verschieben die Proportionen so, dass der Mensch sehr viel mehr und die Technik wesentlich weniger Platz bekommt als bei dem Supersportwagen. Und sie schärfen die Linienführung so stark, dass ein superpräziser, sehr kontrollierter Eindruck entsteht, was durch die sauberen und intelligent gemachten Fugenverläufe noch unterstützt wird.
Das Model 3 ist also ein sportliches Hatchback mit präzisen Kanten und viel Raum für den Menschen. Ein kompaktes One-Box Design hätte nicht genügend Platz für die Akkus geboten, die ja im Boden des Fahrzeugs als ca. 45 mm hohe Platte zwischen den Rädern untergebracht sind. Das Akkupaket gab einen gewissen Radstand und eine Spurbreite vor, und um auf diese Basis ein relativ leichtes, bezahlbares Fahrzeug zu stellen, war ein Fließheck mit kurzen Überhängen praktisch unumgänglich. Und durch diese Vorgabe wurde es möglich, ein klassisches Design zu machen, dass nicht durch extreme Details Aufmerksamkeit erregt, sondern durch eine stimmige Coolness überzeugt.
Wenn man die Linienführung am Model 3 analysiert, stellt man erstaunt fest, dass es eine starke Betonung des Vorderrades gibt. Praktisch alle Seitenlinien laufen auf seine Mitte zu, sogar die oberhalb der Radausschnitte verlaufende Akzentlinie auf der Schulter wird mittels des dreieckigen Blinkers an ihrem Beginn noch dorthin umgelenkt. Normalerweise wird auf diese Weise das angetriebene Vorderrad bei Fronttrieblern betont. Model 3 hat aber in der Grundversion Heckantrieb, sonst Vierradantrieb (Dual Motor). Warum also die Betonung des Vorderrades? Unabhängig von der Antriebsart kann man auf diese Weise den Eindruck von Lenkpräzision und Agilität vermitteln, etwas, das bei allen Teslas zu den wichtigsten Eigenschaften zählt. Außerdem wird durch diese Betonung des Vorderrades die Kürze der Front optisch kompensiert, die anderenfalls vielleicht schwach und unterproportioniert wirken würde. Dadurch rechtfertigt sich auch das kleine Drama aus Lichtkanten und Leuchtengrafik, das sich an der Front des Model 3 abspielt: Diese Gestaltung trägt ebenso dazu bei, die Front nicht allzu schwach und klein aussehen zu lassen.
Im Gegensatz dazu ist das Heck extrem ruhig gestaltet. Hierdurch wird das große Volumen, welches das Model 3 über der Hinterachse trägt optisch verringert. Wie hoch und schwer das Model 3 am Heck wirkt, fällt dann auch erst im direkten Vergleich mit einem konventionellen Auto auf, hier dem Audi A5 Sportback, der hinsichtlich Eleganz und Präzision des Design sicher in einer ähnlichen Liga spielt. Während beim Audi eine Vielzahl von Elementen den Eindruck von Komplexität schafft, und durch die Kleinteiligkeit der Gestaltung das Heck optisch vergrößert wird, passiert beim Tesla M3 das Gegenteil.
Nun könnte man meinen, ein Auto mit schwerem Heck und zierlicher Front würde in der Seitenansicht unproportioniert aussehen. Das ist hier nicht der Fall. Die Tesla-Designer sind das Risiko eingegangen, das Volumen des Fahrzeugs möglicherweise aufgebläht und pummelig wirken zu lassen und haben den Dachbogen in einer großen, gleichmäßige Kurve angelegt. Dieser große, ununterbrochene Schwung über dem Körper hilft, alle gestalterischen Einzelelemente zusammen zu fassen und harmonisch auszubalancieren. Da diese Kurve ebenfalls auf der Mitte des Vorderrades beginnt, wird auch das abgesetzte vordere Volumen mit in diese Geste integriert. Verstärkt wird die Wirkung dieses Schwungs dadurch, dass das Dach des Model 3 komplett aus Glas besteht, und zwar im hinteren Bereich aus einem einzigen Stück Glas, das ohne Querträger oder Fuge von der Heckklappe über die Köpfe der Fondpassagiere hinweg bis zur B-Säule reicht. Das ist eigentlich ein typisches Showcar-Feature, wird aber bei diesem Fahrzeug tatsächlich den Weg in die Serie schaffen, und zwar aus Gründen, die mit dem Package und den Platzverhältnissen auf den Rücksitzen zu tun haben. Dazu mehr im dritten Teil, in dem es um das Interior des Model 3 gehen wird.
Im Vergleich mit dem BMW 3er GT fällt nicht nur die harmonische Gleichmäßigkeit der Fensterkonturen auf, die beim Tesla praktisch aus zwei einander schneidenden stetigen Kurven bestehen, während sie beim BMW mehrere Wechsel des Krümmungsgrades aufweisen. Es wird auch die Ruhe in der Gestaltung der Seitenflanke des Model 3 augenfällig, die beim BMW mit dramatischen Sehnen durchzogen und von einem völlig unmotiviert eingesetzten Chromelement im vorderen Teil akzentuiert wird. Trotzdem strahlt der Tesla mehr Dynamik und vor allem mehr Präzision aus, weil das Spiel aus den jeweils einzelnen Lichtkanten über den Rädern vorn und hinten und den doppelten fast horizontalen Highlights auf den Türen ausreicht, um die Fläche spannend zu gestalten (der schon erwähnte dreieckige Seitenblinker spielt hier eine wichtige Rolle – er ist nachvollziehbar platziert und in seiner optischen wie technischen Funktion eindeutig).
Nach der Präsentation am 1. April 2016 waren die Reaktionen auf das Design des Model 3 ganz überwiegend begeistert. Aber schnell zeigte sich, dass es zwei wesentliche Kritikpunkte gab:
Die geschlossene Front mit der von einer harten Kante eingefassten trapezoiden Fläche erschein vielen zu ausdruckslos, es fehlte ihnen der »Mund«. Da das eher Geschmackssache ist, und Tesla an dieser Stelle noch Finetuning angekündigt hat, lasse ich das hier unkommentiert.
Der zweite Kritikpunkt betrifft die Heckklappe, bzw. den Kofferraum. Obwohl das Model 3 als Hatchback gestaltet ist, fehlt ihm die große Heckklappe. Der technische Grund dafür liegt in der erwähnten großen Glasfläche, die von Höhe der B-Säule bis zum Kofferdeckel reicht. Diese Gestaltung (für die es, wie erwähnt, Gründe gibt) macht es unmöglich, eine Heckklappe zu machen, es sei denn, man würde diese ebenfalls an der B-Säule anschlagen, was eine riesige, schwere Klappe und schwierige Dichtungsprobleme zur Folge hätte. Versteht man das Model 3 als Reise- und Businessfahrzeug, dann gibt es noch ein anderes Argument für diese Lösung.
Hierzu blicken wir wieder kurz nach Frankreich. Alle großen Citroën seit der DS hatten einen Kofferraumdeckel, keine große Heckklappe, obwohl sie ein Fließheck hatten. Nur beim XM hatte sich Citroën für die Heckklappe entschieden, aus Komfortgründen war hier jedoch eine zweite Heckscheibe vorgesehen, die beim Öffnen der Klappe stehen blieb. Der offizielle Grund dafür: Die Insassen auf den Rücksitzen sollten nicht beim Entladen von Koffern Kälte und Nässe abbekommen. Beim C6 war die Heckscheibe wieder fest. Man könnte also argumentieren, dass der „kleine“ Tesla als Limousine funktionieren soll und funktioniert, obwohl er wie ein Hatchback aussieht. Trotzdem hat er umklappbare Rücksitzlehnen, ein ordentliches Ladevolumen und bietet die Möglichkeit, ein Fahrrad oder ein 7 Fuß langes Surfboard zu transportieren. Im Übrigen ist der Fugenverlauf der Klappe so gestaltet, dass er den Schwung der Seitenlinie linear fortsetzt, ein sehr edles Detail, das bei jedem anderen Hersteller dem Rotstift zum Opfer fallen würde. Tesla hat hier eine sicher nicht populäre Entscheidung getroffen, die aber hilft, die Gesamtqualität des Fahrzeugs, vor allem was den Komfort und die Platzverhältnisse für die Passagiere betrifft, zu verbessern und die zugleich ein sehr aufregendes Design-Detail in Form des Panoramadaches hinten bietet.
Auch damit steht das Model 3 eher in der Tradition europäischer Autokunstwerke der 60er Jahre als dass er dem modernen Ideal der Multifunktionalität und Versatilität entspräche: Es ist konsequent, elegant und zurückhaltend. Und das macht es, trotz der konservativen Grundauffassung, zu einem Meilenstein – auch in Sachen Gestaltung.
Man hätte erwarten können, dass Tesla beim Model 3 irgendwas Praktisches machen würde. Ein One-Box Design, vielleicht etwas konservativer als der BMW i3 und etwas eleganter als der Chevrolet Bolt. Schließlich geht es hier nicht mehr darum, die Kunden der Luxusklasse zu überzeugen (wie beim Model S) sondern darum, ein alltagstaugliches, funktionales und günstig herzustellendes Fahrzeug zu entwickeln. Erstaunlicher- und erfreulicherweise ist es ganz anders gekommen.
Teslas Chefdesigner Franz von Holzhausen, trotz seines Namens Kalifornier von Geburt an, hat ein extrem klassisches, hochelegantes und eben doch auch europäisches Design geschaffen, eine Form, die den Werken der Carrozziere der 60er Jahre viel näher ist als den typischen amerikanischen Dreamcars. Warum hat sich Tesla für ein so klassisches und so wenig amerikanisches Design entschieden? Die Antwort könnte darin liegen, dass man zum Einen etwas Langlebiges schaffen wollte, um Vertrauen in die neue Technik zu fördern (das war schon beim Model S die Strategie) – und zum Anderen, dass auch in den USA, und überall sonst auf der Welt, klassische europäische Autos als aufregend und begehrenswert gelten. So ist der Tesla Model 3 näher am Porsche 911 als an der Corvette. Das ist natürlich auch eine Sache des guten Geschmacks. Brutales, ostentatives Design passt nicht zur Zielgruppe der Menschen, die über Mobilität viel nachdenken, ihre Kaufentscheidungen gründlich abwägen und ihre Umwelt (und den eigenen Einfluss darauf) bewusst reflektieren.
Formal italienisch-englisch, ist das Model 3 in der konzeptionellen Gesamtauffassung eher französisch-avantgardistisch. Wie schon beim Model S handelt es sich um ein Hatchback, also das, was wir als Fließheck bezeichnen. Der erste, wegweisende Vertreter dieser Gattung kommt aus Frankreich: Es war der Renault 16 von 1965. Bei der Gestaltung dieses Autos stand im Vordergrund, einen angenehmen und gut nutzbaren Raum für den Menschen zu schaffen; die Tatsache, dass dieser Raum sich fortbewegen, fahren sollte, war für die verschiedenen Gestaltungsentscheidungen nicht dominierend. Paolo Tuminelli nennt diese Sorte von Autos der 60er und 70er Jahre »Intellectual Car«, sie haben große Fensterflächen mit schmalen Säulen, flexible Innenräume, und die Technik nimmt so wenig Volumen wie möglich in Anspruch. Fügt man diesem Rezept eine ordentliche Portion italienisch-englischen Sportsgeist hinzu, dann erhält man etwas, das auch heute noch gefallen kann.
Apropos Sportsgeist: Eben habe ich den Porsche 911 genannt. Aber das eigentliche Vorbild aller Teslas in Sachen sportlich-elegantem Auftritt ist der Aston Martin DB. Das umgekehrte Trapez an der Front, die kräftigen, über den großen Rädern breit ausgestellten Schultern, das knappe, in einem Bogen gespannte Greenhouse, das kurze, knackige Heck – alles das sind formale Merkmale, die Aston Martin kultiviert hat, und derer sich Tesla bedient. Bei der Aneignung dieser allgemein begeisternden Formensprache tun die Tesla-Designer jedoch zwei Dinge: Sie verschieben die Proportionen so, dass der Mensch sehr viel mehr und die Technik wesentlich weniger Platz bekommt als bei dem Supersportwagen. Und sie schärfen die Linienführung so stark, dass ein superpräziser, sehr kontrollierter Eindruck entsteht, was durch die sauberen und intelligent gemachten Fugenverläufe noch unterstützt wird.
Das Model 3 ist also ein sportliches Hatchback mit präzisen Kanten und viel Raum für den Menschen. Ein kompaktes One-Box Design hätte nicht genügend Platz für die Akkus geboten, die ja im Boden des Fahrzeugs als ca. 45 mm hohe Platte zwischen den Rädern untergebracht sind. Das Akkupaket gab einen gewissen Radstand und eine Spurbreite vor, und um auf diese Basis ein relativ leichtes, bezahlbares Fahrzeug zu stellen, war ein Fließheck mit kurzen Überhängen praktisch unumgänglich. Und durch diese Vorgabe wurde es möglich, ein klassisches Design zu machen, dass nicht durch extreme Details Aufmerksamkeit erregt, sondern durch eine stimmige Coolness überzeugt.
Wenn man die Linienführung am Model 3 analysiert, stellt man erstaunt fest, dass es eine starke Betonung des Vorderrades gibt. Praktisch alle Seitenlinien laufen auf seine Mitte zu, sogar die oberhalb der Radausschnitte verlaufende Akzentlinie auf der Schulter wird mittels des dreieckigen Blinkers an ihrem Beginn noch dorthin umgelenkt. Normalerweise wird auf diese Weise das angetriebene Vorderrad bei Fronttrieblern betont. Model 3 hat aber in der Grundversion Heckantrieb, sonst Vierradantrieb (Dual Motor). Warum also die Betonung des Vorderrades? Unabhängig von der Antriebsart kann man auf diese Weise den Eindruck von Lenkpräzision und Agilität vermitteln, etwas, das bei allen Teslas zu den wichtigsten Eigenschaften zählt. Außerdem wird durch diese Betonung des Vorderrades die Kürze der Front optisch kompensiert, die anderenfalls vielleicht schwach und unterproportioniert wirken würde. Dadurch rechtfertigt sich auch das kleine Drama aus Lichtkanten und Leuchtengrafik, das sich an der Front des Model 3 abspielt: Diese Gestaltung trägt ebenso dazu bei, die Front nicht allzu schwach und klein aussehen zu lassen.
Im Gegensatz dazu ist das Heck extrem ruhig gestaltet. Hierdurch wird das große Volumen, welches das Model 3 über der Hinterachse trägt optisch verringert. Wie hoch und schwer das Model 3 am Heck wirkt, fällt dann auch erst im direkten Vergleich mit einem konventionellen Auto auf, hier dem Audi A5 Sportback, der hinsichtlich Eleganz und Präzision des Design sicher in einer ähnlichen Liga spielt. Während beim Audi eine Vielzahl von Elementen den Eindruck von Komplexität schafft, und durch die Kleinteiligkeit der Gestaltung das Heck optisch vergrößert wird, passiert beim Tesla M3 das Gegenteil.
Nun könnte man meinen, ein Auto mit schwerem Heck und zierlicher Front würde in der Seitenansicht unproportioniert aussehen. Das ist hier nicht der Fall. Die Tesla-Designer sind das Risiko eingegangen, das Volumen des Fahrzeugs möglicherweise aufgebläht und pummelig wirken zu lassen und haben den Dachbogen in einer großen, gleichmäßige Kurve angelegt. Dieser große, ununterbrochene Schwung über dem Körper hilft, alle gestalterischen Einzelelemente zusammen zu fassen und harmonisch auszubalancieren. Da diese Kurve ebenfalls auf der Mitte des Vorderrades beginnt, wird auch das abgesetzte vordere Volumen mit in diese Geste integriert. Verstärkt wird die Wirkung dieses Schwungs dadurch, dass das Dach des Model 3 komplett aus Glas besteht, und zwar im hinteren Bereich aus einem einzigen Stück Glas, das ohne Querträger oder Fuge von der Heckklappe über die Köpfe der Fondpassagiere hinweg bis zur B-Säule reicht. Das ist eigentlich ein typisches Showcar-Feature, wird aber bei diesem Fahrzeug tatsächlich den Weg in die Serie schaffen, und zwar aus Gründen, die mit dem Package und den Platzverhältnissen auf den Rücksitzen zu tun haben. Dazu mehr im dritten Teil, in dem es um das Interior des Model 3 gehen wird.
Im Vergleich mit dem BMW 3er GT fällt nicht nur die harmonische Gleichmäßigkeit der Fensterkonturen auf, die beim Tesla praktisch aus zwei einander schneidenden stetigen Kurven bestehen, während sie beim BMW mehrere Wechsel des Krümmungsgrades aufweisen. Es wird auch die Ruhe in der Gestaltung der Seitenflanke des Model 3 augenfällig, die beim BMW mit dramatischen Sehnen durchzogen und von einem völlig unmotiviert eingesetzten Chromelement im vorderen Teil akzentuiert wird. Trotzdem strahlt der Tesla mehr Dynamik und vor allem mehr Präzision aus, weil das Spiel aus den jeweils einzelnen Lichtkanten über den Rädern vorn und hinten und den doppelten fast horizontalen Highlights auf den Türen ausreicht, um die Fläche spannend zu gestalten (der schon erwähnte dreieckige Seitenblinker spielt hier eine wichtige Rolle – er ist nachvollziehbar platziert und in seiner optischen wie technischen Funktion eindeutig).
Nach der Präsentation am 1. April 2016 waren die Reaktionen auf das Design des Model 3 ganz überwiegend begeistert. Aber schnell zeigte sich, dass es zwei wesentliche Kritikpunkte gab:
Die geschlossene Front mit der von einer harten Kante eingefassten trapezoiden Fläche erschein vielen zu ausdruckslos, es fehlte ihnen der »Mund«. Da das eher Geschmackssache ist, und Tesla an dieser Stelle noch Finetuning angekündigt hat, lasse ich das hier unkommentiert.
Der zweite Kritikpunkt betrifft die Heckklappe, bzw. den Kofferraum. Obwohl das Model 3 als Hatchback gestaltet ist, fehlt ihm die große Heckklappe. Der technische Grund dafür liegt in der erwähnten großen Glasfläche, die von Höhe der B-Säule bis zum Kofferdeckel reicht. Diese Gestaltung (für die es, wie erwähnt, Gründe gibt) macht es unmöglich, eine Heckklappe zu machen, es sei denn, man würde diese ebenfalls an der B-Säule anschlagen, was eine riesige, schwere Klappe und schwierige Dichtungsprobleme zur Folge hätte. Versteht man das Model 3 als Reise- und Businessfahrzeug, dann gibt es noch ein anderes Argument für diese Lösung.
Hierzu blicken wir wieder kurz nach Frankreich. Alle großen Citroën seit der DS hatten einen Kofferraumdeckel, keine große Heckklappe, obwohl sie ein Fließheck hatten. Nur beim XM hatte sich Citroën für die Heckklappe entschieden, aus Komfortgründen war hier jedoch eine zweite Heckscheibe vorgesehen, die beim Öffnen der Klappe stehen blieb. Der offizielle Grund dafür: Die Insassen auf den Rücksitzen sollten nicht beim Entladen von Koffern Kälte und Nässe abbekommen. Beim C6 war die Heckscheibe wieder fest. Man könnte also argumentieren, dass der „kleine“ Tesla als Limousine funktionieren soll und funktioniert, obwohl er wie ein Hatchback aussieht. Trotzdem hat er umklappbare Rücksitzlehnen, ein ordentliches Ladevolumen und bietet die Möglichkeit, ein Fahrrad oder ein 7 Fuß langes Surfboard zu transportieren. Im Übrigen ist der Fugenverlauf der Klappe so gestaltet, dass er den Schwung der Seitenlinie linear fortsetzt, ein sehr edles Detail, das bei jedem anderen Hersteller dem Rotstift zum Opfer fallen würde. Tesla hat hier eine sicher nicht populäre Entscheidung getroffen, die aber hilft, die Gesamtqualität des Fahrzeugs, vor allem was den Komfort und die Platzverhältnisse für die Passagiere betrifft, zu verbessern und die zugleich ein sehr aufregendes Design-Detail in Form des Panoramadaches hinten bietet.
Auch damit steht das Model 3 eher in der Tradition europäischer Autokunstwerke der 60er Jahre als dass er dem modernen Ideal der Multifunktionalität und Versatilität entspräche: Es ist konsequent, elegant und zurückhaltend. Und das macht es, trotz der konservativen Grundauffassung, zu einem Meilenstein – auch in Sachen Gestaltung.