Können Wissenschaft und Religion zusammenkommen?

Die Theologie reklamiert für sich rationales Denken und Wissenschaftlichkeit – trotz ihrer Bindung an die Religion. Dabei geht es ihr vor allem darum, innere Widersprüche zu beseitigen, aber auch um die Auseinandersetzung und Abstimmung mit anderen Disziplinen. Doch ist hier ein Konsens überhaupt möglich?

Aus: Spektrum der Wissenschaft, Januar 2012
Entweder jemand ist rational, denkt nach und zweifelt, oder er glaubt eben einfach. Entweder einer ist modern und weltoffen, oder er verschanzt sich hinter traditionellen Riten und Ansichten. Entweder man kann als Philosoph radikal Fragen stellen, oder man ist "verkommen in der Verbrämung mythischer und theosophischer Metaphysik und Mystik" (Heidegger). Wie steht es wirklich um das Verhältnis von Glaube und Vernunft, von Religion und Wissenschaft?
In der Januar-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichtet der junge Religionsphilosoph von der Universität Bochum über Stand und Perspektiven in diesem Jahrtausende alten Konflikt. In einem weiteren Streitgespräch-Beitrag diskutiert der Evolutionsbiologe Eckart Voland (Universität Gießen) mit dem Religionsphilosophen Winfried Löffler (Universität Innsbruck) über das gleiche Thema.
Das Christentum hat in seiner Geschichte immer beide Tendenzen gekannt, hat sich mal der Vernunft geöffnet und sich dann wieder ängstlich vor ihr verschlossen. Die grundsätzlich positive Haltung zur Vernunft hat besonders in der katholischen Tradition stets dominiert. Doch gab es immer auch einen gewissen Argwohn gegenüber allzu kritischem Denken. Und das nicht ohne Grund: Denn dem Selbstverständnis der Christen zufolge ist der Glaube nichts, was man sich selbst gemacht hat, sondern ein Geschenk, das man durch eine lange Traditionskette hindurch aus Gnade erhalten hat.
Was aber heißt hier "der" Glaube? Schließlich ist es keineswegs deckungsgleich, was in kirchlichen Lehrtexten steht, in Predigten verkündet, im Religionsunterricht gelehrt oder von Christen tatsächlich geglaubt wird. Was also ist Glaube, und was macht sein Wesen aus? Das versucht die Fundamentaltheologie zu klären. Sie geht davon aus, dass Glaube etwas mit religiösen Überzeugungen zu tun hat, also mit bestimmten Inhalten, die für wahr gehalten werden; daneben aber auch mit Vertrauen und einer persönlich-existenziellen Antwort auf eine göttliche Offenbarung.
Der andere Bestandteil des Themas, die Vernunft, ist ein noch unbestimmterer Begriff. Meine These lautet: Vernunftfreundlichkeit gehört zum christlichen Glauben – und zwar seinem Selbstverständnis nach und nicht von außen aufgezwungen. Die leichte Zurückhaltung gegenüber "rein aus Vernunftgründen" vorgebrachter Kritik ändert daran nichts. Wie aber kann man von Vernunftfreundlichkeit sprechen, wo sich doch der Glaube so häufig in Widersprüche verstrickt: mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften, mit den Vernunft-Erkenntnissen der Philosophie und sogar mit sich selbst?
Die Widersprüche erscheinen, wie Christian an zahlreichen Beispielen ausführt, so drastisch, dass jeder Versuch, sie zu entkräften, den Verdacht erregt, ein bloßes Rückzugsgefecht darzustellen. Das wohl gewichtigste aller Probleme für die christliche Religion betrifft aber nach Überzeugung vieler Religionsphilosophen die Bedeutung des Übels, im Deutschen nach Gottfried Wilhelm Leibniz oft auch Theodizee (griechisch für: Rechtfertigung Gottes) genannt. Wie verträgt sich die Existenz eines allmächtigen, allgütigen und allwissenden Gottes mit dem vielen Übel in der Welt? Sicher: An gewissen Übeln sind die Menschen selbst schuld. Für sie sollte man Gott nicht verantwortlich machen. Es bleiben aber die physischen Übel, die nicht auf menschliches Handeln zurückgehen. Gibt es hierfür eine Lösung?
Im Streitgespräch bekennt der Innsbrucker Religionsphilosoph Winfried Löffler: "Ich gebe zu, das Problem des Übels ist der massivste religionskritische Einwand. Ich glaube auch nicht, dass es dafür wirklich interessante philosophische Lösungen gibt." Eckart Voland erwidert darauf: "Eine theologische Erblast, die in diesem Zusammenhang erfunden wurde, ist der freie Wille. Es gibt nur eine Erklärung für das Übel in der Welt: Der Mensch kann sich frei gegen Gott entscheiden." Aber als Naturwissenschaftler, so fügt der Evolutionsbiologe hinzu, existiert die Frage nicht: "In der Naturwissenschaft gibt es da gar kein Problem. Leben passiert, Evolution passiert, wir haben Geschichte, kosmische Ereignisse, die wirken – das ist einfach Kontingenz.
In der Innenperspektive des Gläubigen jedoch bleibt das Problem aus zwei besonderen Gründen drängend: Für Christen handelt es sich nicht nur um eine Infragestellung Gottes, sondern auch um eine Frage an Gott, wie er das Übel zulassen kann. Und es ist eine Frage an das eigene Gewissen, was man selbst angesichts des Leids eigentlich tun soll."

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