oder: ein offener Brief an Günther Jauch.
Am letzten Sonntag nahmen Sie Johannes Ponader, den politischen Geschäftsführer der Piratenpartei, arg in die Mangel. Geschehen und gesehen in der Sendung, die so heißt, wie Sie heißen. Aufdringlich stellten Sie ihm die Frage, ob er von Hartz IV lebe - Ponader ist Theaterschaffender und lebt von Aufträgen, die ihm der Kulturbetrieb zuschustert. Wenn die nicht ausreichen, stockt er sein Salär mittels Arbeitslosengeld II auf. Seine Tätigkeit bei den Piraten ist (noch) ehrenamtlich. Ponader wich auch gar nicht aus, antwortete beharrlich, er würde von seiner Kunst leben und auch von Sozialleistungen. Das reichte Ihnen nicht, Sie bohrten penetrant nach: Leben Sie von Hartz IV? Er erklärte geduldig nochmals - dazu ist übrigens zu sagen, dass die Mehrzahl der Künstler in Deutschland zusätzlich von Sozialleistungen lebt. Nachfragen bei der Künstlersozialkasse ersparen manche Recherchearbeit. Ihnen reichte das freilich abermals nicht: Leben Sie von Hartz IV? Ponader wiederholte und Sie meinten, mit Ihrer typisch spitzbübisch-zynischen Art: Sozialleistungen sind doch Hartz IV, oder nicht? Arbeitslosengeld II würde das korrekt heißen, verbesserte Sie Ponader. Dass Sie, Herr Jauch, den Begriff Hartz IV, diesen Kampfbegriff von BILD und aus dem RTL-Nachmittagsprogramm nutzen, wirft ein Licht auf Ihre journalistische Genauigkeit - andererseits unterstreicht das nur, welcher Sender Sie jahrelang protegiert hat.
Mit Lindner von der FDP, der ebenso zugegen war, redeten Sie ganz anders. Was Sie bei Ponader so brennend interessierte, nämlich wie der seinen Lebensunterhalt bestreitet, das kümmerte Sie bei Lindner nicht. Es war Ihnen egal, dass Lindner mindestens 18.500 Euro im letzten Jahr an Nebentätigkeiten zu seinen Mandatsbezügen aufzuweisen hatte. Wahrlich ein kleines Licht in seinen Kreisen - aber für 18.500 Euro können bedürftige Künstler, wie eben jener Ponader, jahrelang aufgestockt werden. Linders Tätigkeiten in Körperschaften und Anstalten, in Vereinen, Verbänden und Stiftungen, sind da noch gar nicht mitgezählt. Und dass Lindner mit Kollegen bereits einen Förderkredit in Höhe von 1,2 Millionen Euro verbraten hat, davon wollten Sie auch nichts wissen. Der Kreditanstalt für Wiederaufbau ging das Geld verloren - und damit jenen öffentlichen Kassen, die Lindner heute vor den Schmarotzern schützen möchte. Und dass Sie mit Lindner über Kubicki sprachen, nicht aber über dessen "Nebentätigkeiten", beispielsweise die Beratung der liechtensteinischen Regierung, um die Steuerflucht deutscher Millionäre weiterhin krisenfest zu gestalten, macht auch stutzig. Der glänzende Wahlsieger Kubicki, der mit seiner Partei nur ein Minus von knapp sieben Prozent gemacht hatte, sollte keinen Kratzer bekommen, um Lindner als nächsten Wahlsieger nicht zu gefährden.
Sie, Herr Jauch, stammelten etwas davon, dass Ponader von der Gesellschaft lebe - und nun wolle er und seine Partei die Gesellschaft verändern. Die Unverfrorenheit, die Sie zwischen den Zeilen sagten, war: Die beißen die Hand, die sie so satt ernährt. Anders gesagt, weniger freundlich: Wer Arbeitslosengeld bezieht, der hat seinen Mund zu halten, hat nicht zu meckern, sondern Leistung zu zeigen, was soviel heißt wie: Geld haben! Dann kann man mitreden! Politische Teilhabe und Arbeitslosengeld beziehen: Das scheint sich für Sie auszuschließen - wer Almosen bezieht, der sollte wohl andere Sorgen haben, als die Politik. Was für ein elitärer Snobismus, Politik als den Sport saturierter Gestalten sehen zu wollen! Die, die in Ihrer Runde Geld hatten, die haben sie prompt gar nicht zu ihrem Lebensunterhalt befragt. Sie selbst äußern sich ja zu Ihren Bezügen auch nicht - dass Sie dick im Geschäft sind, das ahnt man, weiß man auch, wenn man halbwegs rechnen kann. Aber die Transparenz, die Sie Ponader abringen wollten und die er ja gar nicht verweigerte, die lassen Sie schön verhüllt, wenn es an Ihren Wohlstand geht. Man möchte nicht wissen, wie pampig Sie geworden wären, hätte man Sie dergestalt bloßgestellt. Man erinnere sich bloß mal, welches Theater Sie machten, als man von Ihrer Hochzeit berichtete - die Hand die Sie füttert, die wollten Sie nicht mit einer romantischen Homestory entschädigen.
Aber das ist ja auch etwas anderes, nicht wahr? Sie verdienen Ihr Geld selbst, gehen auf keine Behörde bittstellen. Ein selbstbestimmtes Leben mit selbst erarbeiteten Wohlstand im selbst erschufteten Heim, oder nicht? Dass Ihr Studium von der Gesellschaft finanziert wurde - geschenkt! Aber Sie arbeiten bei der ARD sicher nicht ehrenamtlich. Die GEZ bucht bei der Gesellschaft ab, um Ihnen ein nettes, für Sie wahrscheinlich aber wenig relevantes Sümmchen überweisen zu können. Öffentliche Gelder... Ihre Sendung ist, wenn wir das mal deutlich sagen, ein subventioniertes Programm; Sie sind, wenn wir es noch deutlicher machen wollen, ein von der Gesellschaft subventionierter Moderator. Jedenfalls bei der ARD - bei RTL ist es anders. Und auch nicht anders! Auch dort sind Sie eine Kreatur der Gesellschaft, von der Gnade der Massen in Ihren Status erhoben; einer Masse, die Sie für einen duften Typen befindet. Ohne diesen Zuspruch wären Sie auch nur ein Niemand und tingelten moderierend durch Kaufhäuser oder wären freiberuflicher Journalist - müssten also aufstocken gehen, um die spärliche Auftragslage zu ergänzen. Sie wären eben ein Ponader. Kurz, etwas vereinfacht, gesagt: Sie beziehen Ihr Geld auch durchweg von der Gesellschaft - und das ohne Antragsstellung, ohne Fallmanagement, ohne Offenlegung des Vermögens - für die einen ist das SGB zuständig, für die anderen RTL. Abbreviaturen regeln die Zuwendungen der Gesellschaft hüben wie drüben...
Seien wir doch mal forsch: Was verdienen Sie? Wieviel verdienen Sie bei solchen Auftritten, wie jenem im Hasso-Plattner-Institut? Gut, das ist ungerecht, Sie fragten ja auch nicht, was Ponader an Hartz IV bekommt - das konnte man sich bloß ausrechnen; da haben Sie ohne gänzlich direkt zu fragen, ganz direkt Ponaders monatliches Einkommen offengelegt. Also anders gefragt, quid pro quo: Könnten Sie alleine von solchen Auftritten leben? Nicht in einem Lustschlösschen vielleicht, aber doch in einer Eigentumswohnung? Würfe Ihr Weingut ein gutes Leben ab? Ist der Produzent Jauch unterhalts- und lebensfähig? Brauchen Sie die ARD-Einnahmen eigentlich? Das geht uns etwa so viel an, wie Sie Ponaders Einkünfte etwas angehen.
Was wird man über Sie dereinst sagen, wenn auch Ihre Sendung im Orkus gestorbenen politischen Gequatsches verschwunden ist? Journalistisches Geschick wird man Ihnen kaum nachsagen; zu oft haben Sie nur Stichwort gegeben für die Selbstdarstellung der (wirtschafts-)politischen Marionetten. Werden Sie einen Verdienst für die Nachwelt aufweisen können? So wie der ansonsten so politisch unbedarfte David Frost Verdienstvolles hinterließ, als er Nixons Arroganz bloßstellte? Wohl kaum! Ihr politisch größter Verdienst wird sein, dass Sie die Einkünfte und somit den Lebensstandard des Geschäftsführers einer kleinen Partei offengelegt haben. Nicht durch Recherche, sondern durch Quengelei, durch infatiles Wiederholen einer Frage, deren Antwort Sie gar nichts anzugehen hatte. Und dies auch nicht, um zu informieren, sondern um den Mann mundtot, ihn lächerlich und unglaubwürdig zu machen.
Ein offener Brief. Eigentlich eine hirnverbrannte Idee - gleichwohl die einzige Möglichkeit, jemanden wie Sie, der so glitschig und geübt im Entkommen ist, überhaupt auch nur zu touchieren. Sie werden jedoch so aufdringlich schweigen, wie Sie sich Ponader sonntags aufdrängten...
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