Von Michaela Preiner
„Macbeth“ im Burgtheater (Foto: Reinhard Werner/Burgtheater)
19.
Mai 2018
Theater
Schreiend laufen Dutzende von jungen Mädchen in weißen Nachthemden und mit wallenden, langen Haaren durch das Foyer des Burgtheaters. Das Publikum sitzt auf seinen Plätzen und schaut dabei zum Teil belustigt zu.
Möglich macht dies das Bühnenbild von Stéphane Laimé, der den Zuschauerraum des Burgtheaters auf der Bühne auszugsweise spiegelte.
Shakespeares Königsdrama Macbeth in der Regie von Antú Romero Nunes verlegt das Spiel um die Machtnachfolge in jenes Haus am Ring, das seit seinem Bestehen immer wieder Machtkämpfe um den Königsthron in der Direktionsloge erlebte. Der allerletzte ist nach wie vor noch zum Angreifen präsent.
Neben dieser aktuellen Interpretationsschiene, die Nunes mit Augenzwinkern mit Merlin Sandmeyer als das Volk aus der Loge grüßender König der x-ten Degeneration mit Pappkrone, dünnen Beinchen und Ärmchen zelebriert, zeichnet sich seine in höchstem Maße einprägsame Inszenierung durch ein weiteres Charakteristikum aus. In ihr findet sich das psychologische Substrat, das hinter der Geschichte um die Ermordung König Duncans steckt. Zustande kommt diese Verdichtung auch, weil Ole Lagerpusch, Christiane von Poelnitz und Merlin Sandmeyer insgesamt in sieben Rollen auftreten und für die unterschiedlichen Figuren nur geringfügige Kostüm- oder Maskenwechsel vornehmen müssen. So switchen sie beispielsweise beinahe nahtlos von der Hexeninterpretation in die Rollen von Macbeth, Duncan und Lady Macbeth und wieder zurück.
Macbeth im Burgtheater (Foto: Reinhard Werner/Burgtheater)
Merlin Sandmeyer zeigt als exaltierter, empathieloser Duncan großartig auf, dass er selbst die Initialzündung zu allen Morden, inklusive seines eigenen ist. Die Zurückweisung, die er Macbeth gegenüber an den Tag legt, lässt Macbeth letztlich zu einem skrupellosen Massenmörder mutieren. Dramaturgisch richtig verkörpert Sandmeyer ebenso Banquo, aber auch Lady Macduff. Jene Menschen, die Macbeth` Machtrausch ebenfalls zum Opfer fallen. Während Banquo im Nebel des Grauens auf der Drehbühne vergeblich versucht, seiner Ermordung zu entkommen, steht Lady Macduff mit Babybauch und derangierter Frisur am Ende des Abends neben jenen Mädchen, die zu Beginn kreischend von den Hexen davonliefen. Waren deren Kleider anfangs weiß, werden sie von Lady Macbeth` eigener Hand im Wahn blutrot markiert. Die Ermordung von Lady Macduff und deren Kindern, die ebenfalls auf das Konto von Macbeth geht, wird so subtil und eindringlich zugleich visualisiert. Die Kleiderbefleckung wäre aber auch als Verlust von Unschuld zu deuten. Nunes lässt dem Publikum nicht nur an dieser Stelle multiple Interpretationen offen.
Mit brachialen Bildern, rot-orangen Kostümen (Victoria Behr), viel Theaterblut und blutrotem Schneegestöber macht der Regisseur überdeutlich, dass die Gewaltspirale, einmal in Gang gesetzt, von Macbeth nicht mehr zu durchbrechen ist. Ole Lagerpusch oszilliert in dieser Rolle geschickt zwischen drei unterschiedlichen Charakteren: Dem Duckmäuser, der von Lady Macbeth zum Töten aufgefordert wird, dem im Blutrausch hyperventilierender Berserker und letztlich auch einem Mann mit kühlem Kopf, der weiß, dass er alle moralischen Grenzen längst hinter sich gelassen hat. Das Klopfen Banquos an der Burgtor, der König Duncan morgens wecken soll, ist als lauter Herzschlag zu hören, der Macbeth` Angst hörbar macht und ihn beinahe in den Wahnsinn treibt.
Macbeth im Burgtheater (Foto: Reinhard Werner/Burgtheater)
Macbeth im Burgtheater (Foto: Reinhard Werner/Burgtheater)
Christiane von Poelnitz` blutunterlaufene Augen leuchten bedrohlich in den Zuschauerraum. Sie ist an der Seite ihres Mannes, den sie nach ihren Wünschen manipuliert, dauerpräsent. Ausgerechnet er ist es aber auch, der ihr Angst macht. Nunes lässt jene Szene zwei Mal spielen, in welcher Macbeth mit den beiden Dolchen nach seinen Morden zu seiner Frau zurückkehrt und diese zutiefst erschreckt. Selbstredend, dass er Poelnitz und Lagerpusch ihre Texte in den beiden Auftritten jeweils unterschiedlich vortragen lässt. Alles nur Theater liebe Leute – hier zeigen wir euch unser Handwerkszeug, mag das wohl bedeuten und macht, genauso wie die königliche Balkonszene, auch richtig Spaß. Eine szenische Wiederholung kommt zwar auch in Shakespeares Drama selbst vor, wenngleich auch eine andere. Vielleicht referiert Nunes aber auch darauf.
Die Post und Telekom Musik Wien erhält mit dem Kinderchor „The Vivid Voices“ am Ende der Inszenierung ihren großen Auftritt. Mit großen Tuben und zarten Kinderstimmen erklingt „Central Park“ von Woodkid mit der Textzeile: „For on a day like today there is only high, another madness reigns.“ Damit schafft Nunes den Bogen zu Macbeth` erstem Satz: „So bös und gut sah ich noch keinen Tag.“
Eine Aufführung voll Emotionen, eindringlichen Bildern und hohem Wiedererkennungswert, der bei der Premiere lang akklamiert wurde.
Weitere Termine auf der Homepage des Burgtheaters.
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