Die syrische Opposition kann sich nicht zusammenraufen und demontiert sich selbst. Eine einheitliche Oppositions – Front wird es nie geben. Selbst schuld. Bei einem Treffen in Kairo kam es zu einem Hollywood reifen Eklat. Weil sich die Konferenz nicht einig werden konnte über den Status der syrischen Kurden als ethnische Minderheit, verliesen diese kurzerhand den Verhandlungsraum in einem Hotel. Dann flogen plötzlich die Fäuste, wüste Beschimpfungen wurden ausgetauscht, und das Hotel Personal versuchte das Mobiliar zu retten. Nach dieser Szenerie sind zwei Dinge klar geworden. Erstens: es gibt weiterhin keinen einheitlichen Verhandlungspartner für etwaige Friedensgespräche. Und zweites: der Ruf ist hin, das Vertrauen weg. Nicht gerade tolle Vorraussetzungen für eine Friedensfindung.
Die Beteiligten haben auch schon erkannt, wie es nun um sie steht: “Das ist einfach nur traurig und wird negative Folgen für alle Parteien haben”, sagte der 27-jährige Widerständler Gawad al-Chatib. “Die Oppositionsbewegung steht dumm da und die Demonstranten auf der Straße werden demoralisiert.”
Sowohl diplomatisch als auch aus macht-taktischer Sicht eine Katastrophe. Die Opposition in Syrien wird weiter um internationale Anerkennung ringen müssen; aber wird sie denn überhaupt noch ernst genommen? Und die Spaltung der Regierungsgegner gilt als einer der Gründe, warum sich Assad als Staatschefs immer noch an der Macht halten konnte. Wenn sich unorganisierte Banden untereinander bekämpfen, kommt das Bild afghanischer Kriegslords auf; und das ist bestimmt nicht günstig für ihr Anliegen. Assad profitiert zudem auch von der Uneinigkeit der internationalen Staaten Gemeinschaft; Russland und China blockieren im UNO Sicherheitsrat mit ihrem Veto bislang alle Beschlüsse. Eine Syrien Kontaktgruppe, bestehend aus den Anrainer Ländern, der arabischen Liga, den Vetomächten und einigen Europäischen Staaten, versucht zu vermitteln. Der letzte Vorschlag einer gemeinsamen Übergangsregierung, die Assad mit einschliesst wurde von der Opposition abgelehnt.
Die zerstrittene Opposition, die vor allem aus Vertretern des sogenannten Syrischen Nationalrats, Repräsentanten vieler Splittergruppen und einigen von Assad tolerierte Dissidenten aus Damaskus (!) besteht, ist sich nur in einem einig, nämlich in ihrer Enttäuschung gegenüber der internationalen Gemeinschaft, von der sie sich in Stich gelassen fühlt. Was ist noch zu sagen? Ach ja. Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan wollte, dass all diejenigen, an deren Händen Blut klebt, automatisch von einer Regierungsbildung ausgeschlossen sind. Ein weiteres Ausschlusskriterium also, und zwar das finale. Denn demnach bleibt jetzt eigentlich niemand mehr übrig, der irgendetwas für irgendwen verhandeln könnte.
Jetzt können wir uns alle zurücklehnen und sagen: “wir haben es versucht, aber sie wollten ja nicht.” Die NATO kann einpacken, gut, dass es keinen Einsatz gibt; wäre blöd, so kurz vor der Wahl in den USA. Die UN darf resignieren, ist sie ja gewohnt. Alle linke Menschenfreunde sagen jetzt “Habs doch gewusst, alles zionistische Propaganda und NATO Terror, die Rechten sagen “Verrat an Israel, Deutschland und den USA. Und scheiss Kommunisten.” Die Positionen sind abgesteckt, der andere ist jeweils der gehirngewaschene Unbelehrbare; und alle haben ihr wohlgeordnetes Weltbild. Alles ok, alles gut, denn wir haben erkannt, worauf es ankommt.
Die Türkei allerdings ist noch ein Problem. Die rasselt noch kräftig mit dem Säbel. Panzer, Kampfjets an die Grenze, und darauf warten, dass irgendwer einen Grund für den ersten Schuss liefert. Besonders die Kurden tun mir leid. Nicht als Ethnie von der syrischen Opposition anerkannt; und die Türkei wird sich im Falle eines Krieges gleich “ihres” besonderen Kurdenproblems annehmen. Noch mehr Blut also. Die gegenseitige Propaganda geht weiter, die Verwirrung wächst und die Hilflosigkeit einer komplett überforderten Weltöffentlichkeit genauso. Es sterben Menschen. Jeden Tag. Aber die Welt befindet sich im Tollhaus der Eidelkeiten. Alle haben Recht, aber niemand eine Lösung. Ein Hinweis, wie sehr sich die Menschheit noch in den Kinderschuhen befindet.
Gruss von René Brandstädter – humanicum