Städte sind das Ur-Gen demokratischer Theorie. Im Laufe ihrer Geschichte dokumentierten sie den Weg der urbanen Zivilisation mit allen Irrungen und Verwerfungen. Heutige Metropolen brillieren durch ihre Komplexität. Sie schillern in Richtung Zukunft und sie werfen düstere Schatten auf Perspektiven, die weit in die Vergangenheit zurückweisen. Angesichts ihres nie da gewesenen Zuwachses und der damit verbundenen multiplen Entwicklungsmöglichkeiten stehen die Städte von heute an einer Sollbruchstelle. So weitermachen wie bisher wird nicht ausreichen, um eine erstrebenswerte Perspektive für das Zusammenleben zu entwerfen. Dazu bedarf es mehr. Beispiele existieren.
Perspektiven für Städte (Innenstadt Mannheim) – Foto: © Rudis-Fotoseite.de / pixelio.de
Städte mit Entwicklungspotenzial haben in der Regel Traditionen, die von Bestand sind, weil sie den Zusammenhalt der Bürgerschaft herstellen können.
Mannheim, eine in deutschem Maßstab mit gerade 400 Jahren junge Stadt, verdient seine Existenz einem Fürsten der Aufklärung: Er ließ die Stadt nach geometrischen Aspekten am Reißbrett errichten. Zur Realisierung dieses pionierhaften Projektes lud er Spezialisten aus allen Teilen Europas ein, die mit ihrer kulturellen und ethnischen Vielfalt quasi on the job das Prinzip der Toleranz konstituierten. Das Tor war geöffnet für Wellen politisch und religiös Verfolgter, es begann mit Schiller und den Hugenotten und ging über Südamerikaner aus den Bananendiktaturen bis hin zu den Syrern unserer Tage. Nicht, dass andere Städte eine derartige Tradition nicht auch in dem einen oder anderen Falle aufzuweisen hätten. Hier aber ist das Prinzip der Toleranz das wesentliche Konstitutionsprinzip.
Der heutige Oberbürgermeister war nicht nur der erste in Deutschland, der die Kommunalverwaltung dahin umgestaltete, dass sie in der Lage sein wird, die Ergebnisse ihres Handelns zu evaluieren und somit der Politik die entscheidende Rückmeldung zu geben, was mit ihren Investitionen bewirkt wurde. Das macht in Deutschland keine Kommune, kein Bundesland und auch nicht der Bund. International sind es Staaten wie Brasilien, Südafrika und Indien, die damit begonnen haben.
Des Weiteren sorgte dieser Oberbürgermeister dafür, dass die Stadt, basierend auf ihrer aufklärerischen Tradition, eine Strategie entwickelt hat, die sehr klar umreißt, wohin die Reise gehen soll. Dieser rote Faden ermöglicht es, die verschiedenen Interessengruppen zu moderieren. Projekte der Teilhabe schießen überall aus dem Boden, weil die Bürgerschaft dazu aufgefordert ist, sich einzumischen. Doch keine Rosen ohne Dornen: neben vielen kreativen und intelligenten Ansätzen existieren auch hier die Versuche, primitives Partikularinteresse zu camouflieren. Die Herausforderung an den leitenden und moderierenden Oberbürgermeister wie an die Bürgerschaft ist ein Lernprozess, der als ein konsens- und identitätsbildendes Erlebnis begriffen wird, um das Gemeinwesen nach vorne zu treiben. Die Ziele, Toleranz, Urbanität, Kreativität, Bildung und kulturelle Interaktion, sie sind die Richtschnur für die jeweiligen Programme, die Weise wird bestimmt von dem Ziel und dem Prinzip der Toleranz. Das geht alles nicht ohne Konflikte, aber es schafft eine Mentalität, die durchaus in die Zukunft weisen kann.
Demokratie in einer Bürgerkommune geht neue Wege, ohne die Legitimität der alten zu leugnen, sie registriert den Irrtum als Notwendigkeit, um die Chance der Innovation nicht zu verstellen. Und sie sieht in allen Teilen der Bevölkerung ein Potenzial, das im Sinne seiner Kernkompetenz genutzt werden kann, zum Wohle aller. Oder, wie heißt es Urkunde zu den Stadtprivilegien Mannheims aus dem Jahre 1652….“und alle ehrliche Leut von allen Nationen zu berufen und einzuladen“…das Wohl und Gedeih der Stadt zu erschaffen. Manchmal muss man nur die klugen Sätze der Vergangenheit in die Zukunft transponieren.
Teil6 – und letzter Teil der Artikelreihe von Gerhard Mersmann zum Themenkomplex
Kommunen, Städte und Metropolen:
1. Die Kommune als Mikrokosmos politischer Theorie (Link)
2. Die Komplexität moderner Metropolen (Link)
3. Unregierbarkeit als Hinweis auf zukünftige Qualität (Link)
4. Konkurrierende Demokratiekonzepte in der Kommune (Link)
5. Wie definieren sich Städte? (Link)
6. Oberbürgermeister, Strategien und Prinzipien
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Innenstadt Mannheim: – Foto: © www. Rudis-Fotoseite.de / pixelio.de