Kommt nicht in die Tüte.

Kommt nicht in die Tüte.

 

Die Winterjacke vom letzten Jahr könnte noch passen, die war ja ein bisschen groß gekauft. Da das Kind allerdings modisch anders gepolt ist als 2014, kann man die auf gar keinen Fall mehr anziehen. Die ist ja rot, Mama. Rot! Wie kann ich nur..? Ja, und ein Schneeanzug, falls mal richtig Winter sein sollte in dieser Berliner Matschgrauzeit.

 

Schuhe. Fußwachstum ist nicht zu unterschätzen. Also, Übergangsschuhe für den Herbst, sprich acht Wochen, noch nicht gefüttert. Dann gefütterte für kälter. Also, für kälter im Alltag. Fürs Rodeln und falls das Kind einen Siebentausender besteigt, brauchen wir natürlich noch Schneestiefel, die auch Reinhold Messner zufrieden stellen würden.  

 

Ich hab mich selbstverständlich als Internetmutti schon mal vorgebildet und mir ein grobes Geschmacksmuster zurechtgelegt. Und weil Schuhe so heikel beim Kauf sind und das Rübchen so schmale Füßchen hat, gehen wir also ganz analog zum stationären Einzelhandel.

 

Der stationäre analoge Einzelhandel ist allerdings, warum auch immer, nicht mehr groß auf Kinderequipment ausgelegt. Wenn man nun nicht grade im einschlägig bekannten Vorzeigeviertel wohnt: zeig mir einen Kinderklamottenladen (oder Klamotten für Schwangere - findet man genauso gut wie für Dreibeinige). Der stationäre analoge Einzelhandel ist überhaupt irgendwie nicht ausgerichtet auf Muttis wie mich, die schlichte, unifarbene, meinetwegen geringelte oder gepunktete Dinge haben wollen. Oder doch, aber die schlichten, hübschen, gepunktet-geringelten Dinge haben Preise, bei denen ich Ohrensausen kriege, wenn ich an Tragedauer und Verwendungszweck (ergo drei bis sechs Monate, kleckern, rutschen, vierhundertmal waschen) denke.

 

Ja, ich gehe auch noch ab und an in große Kaufhäuser. Das am Alex oder das am Kudamm, das immer mal pleite ist. Liebe Kaufhausmanager, das könnte daran liegen, dass....ihr einfach ziemlich blöde, eintönige und alberne Kindersachen habt. (Jaja, ich weiß, alles Geschmacksache). Links Mädchen, rechts Jungs. Sehr leicht zu unterscheiden. Wie in einem begehbaren Wimmelbuch suche ich ein Teil OHNE rosa. Nää, ist nicht. Alle Kinder weiblichen Geschlechts tragen pink und rosa und hässliche Pferdchen oder überhaupt riesenäugige Tiere mit Kindchenschema vorne drauf. Nur weil man vier Jahre alt ist, heisst das ja nicht, dass man sich optisch zum Obst machen muss. Wahlweise gibts auch haha-lustige oder völlig sinnbefreite Aufdrucke wie "Shopping-Princess", "Squeeze me, I'm a lemon", oder, vollends ins Geschmacklose abgleitend, "Sweet Angel" auf einem Mädchenschlüppi. 

 

Guten Tag, mein Name ist Kinderzimmer, ich kaufe hier nicht ein. Außer gepunkteten Socken, vier Paar für 30 Euro.

 

Ich plane einen Ausflug zum großen Schuhladen im Westen. Hole das Rübchen pünktlich von der Kita ab und habe natürlich als erfahrene Kitamutti eine Brezel und Wasser dabei für die 5 Stationen S-Bahnfahrt, da sonst die Stimmung schnell ins Nölige kippen kann. Bitte das Kind eindringlich noch mal aufs Klo zu gehen, auch aus Erfahrung. Klappt; Kind macht Pipi.

Wir sitzen fröhlich in der Bahn, das Kind kaut, trinkt und kommentiert.

Steigen am Zoo aus. Das Kind muss mal.

 

Wegen Optik und Hygiene gehen wir ins Bikinihaus, pullern, so ungefähr nullkommanullnulldrei Milliliter.

 

Back on track. Da das Kind immer rote oder schönrosa Schuhe anhat, dachte ich mal an was dunkelblaues. Zur Abwechslung. Der große Schuhladen mag aber keine Abwechslung. Schrecklichrosa, pink und indiskutabellila stehen zur Auswahl. Die einzig okay-en Exemplare sind natürlich nicht mehr in 27 zu haben, "es ist jetzt schon ziemlich ausgesucht." Wann soll ich denn Herbstschuhe kaufen, im Juli?! Währenddessen versteift sich das Kind auf Schuhe, die KOMPLETT aus Glitzer bestehen. Hole zur fehlenden-Größe-Notlüge aus.

 

In der großen spanischen Modekette frage ich mich, ob spanische kleine Mädchen jeden Tag auf Staatsempfänge gehen, royalen Anlässen folgen oder größere Unternehmen leiten. Chaneljäckchen in 104, goldene Plastikballerinas, und steife Wollmäntel sehen nicht so aus, als könnte man die Steinrutsche im Monbijoupark damit bewältigen. Kind will die Ballerinas, so welche hätte es sich schon immer gewünscht, Mama. Vertröste auf Weihnachten oder Geburtstag, oder Sanktnimmerlein.

 

In der großen schwedischen Modekette frage ich mich, ob kleine Menschen, Größe 110, wirklich Ledermini mit Reißverschluss und Leopardengedöns tragen müssen. Oder Plastikschuhe mit Absatz. Bekomme akademisch-soziologisch-gesellschaftskritische Gedanken. Kaufe das Mehrfachpack Kirschunterhosen.

 

Wir, das Rübchen und ich, haben kollektiv keine Lust mehr. Uns rettet nur Himbeereis die Stimmung. Fahren nach Hause, ich hänge mich an den Rechner für die kleinen klamottigen Lichtblicke. Trinke dabei Kaffee und singe nebenher sinnfreie Tischsprüche. Sssstata. Keiner muss aufs Klo. Und hier ist güldene-Schuhe-freie-Zone, klick.

 

DeeHaaEll kommt. Bringt Schuhe in jeweils zwei Größen, vier Winterjacken und diverses Gedöns zur Auswahl. Und nimmt schon mal mehrere Retourkartons mit. Das Kind trägt doch wieder schönrosa Herbstschuhe. Kriegt einen taubenblauen schneetauglichen Wintermantel. Warme Kitahausschuhe. Unterhemdchen. Strickjacken. Langarmshirts. Loopschals.

Und leise steigt der DAX.


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