Ein frohes neues Jahr allerseits!
Wir gehen seit zehn Jahren auf die Silvesterparty am Brandenburger Tor. Was das Wetter anging, war es gestern eine der angenehmsten seit langem: Trocken und knapp Null Grad. Ich bin dankbar, diesmal nicht mit gefrorenem Sekt im Plastikglas im Tiefschnee gestanden zu haben. Auch das Musikeraufgebot -immer Geschmackssache- fand ich gestern gut. Da hat es schon ziemliche Rohrkrepierer gegeben. Gestern war es ein guter Mix aus Oldies und Charts. Aber wie das ZDF das ganze gestern organisierte und später darbot, das fand ich ziemlich ärgerlich.
Bis zum Start der Liveübertragung belegt das ZDF von ca. 17h die gesamte Szenerie vor dem Brandenburger Tor mit Generalproben der Musiker und Moderatoren. Auch so was könnte unterhaltsam sein. War es aber leider nicht, was schade ist, denn so wie sie es machen, kommt keine Silvesterstimmung auf. Am meisten störten die langen Pausen zwischen den Auftritten und die abrupten Abbrüche einiger Stücke. Außerdem wurde bei manchen Auftritten Playback sichtbar. Dazwischen planlose, aber sich wichtig nehmende Assistenten und Moderatoren. So unterbrach zum Beispiel eine mit wichtigen Fernsehbegriffen um sich werfende Blondine immer wieder den Flow von Partyprofis wie DJ Ötzi und Hot Chocolate. Die stecken das bis zu einerm gewissen Grad locker weg. Aber darüberhinaus wirkt es selbst auf diese Spaß bremsend.
Was auch schlecht für die Partystimmung ist, was man aber nicht dem Veranstalter anlasten kann: In den vorderen Reihen drängeln sich mit Vorliebe jugendliche Touristen aus Übersee, die mit unseren heimischen Kultstars wie Marianne Rosenberg oder eben DJ Ötzi nichts anfangen können. Die mit diesen auch nicht kommunizieren können. Dem Ötzi z.B. macht es sogar Spaß, bei seiner Arbeit zuzusenen. Er kommt zur Generalprobe in Daunenjacke auf die Bühne. In sich gekehrt. Sobald er aber das rote Kameralicht erblickt, ruft er blitzartig seinen Performancemodus ab. Binnen Sekunden befindet man sich auf einer Party - wenn man mit den richtigen Leuten zusammen steht. Der Ötzi merkte auch schnell, dass die Moderatoren und Assistenten die Sache nicht tragen und half dann selbst nach: Aufforderungen, Feedback und Scherze ans Publikum.
Den Hot Chocolate Sänger dagegen nervte es sichtlich, dass im vorderen Publikum niemand etwas mit seiner Musik anfangen konnte.
Frida Gold stellte dann mit "Wo führt das hin?" die richtige Frage, präsentierte sich aber ansonsten eher als One Hit Wonder. Und vor und nachher wieder: Lange Pausen. Man kommt gerade in Schwung, dann wieder: Pausen und Ansagen der Assistentin, welche "Takes" als nächstes kommen. Dazwischen Werbung für Weight Watchers.
Die Tradition der Silvesterparty am Brandenburger Tor stammt ja wohl von der ersten gemeinsamen Party nach dem Mauerfall. Wo man 1989/90 am Fernseher hing und sich nach Berlin wünschte. Für manche deutsche Künstler ein Lebenstraum. Denn jeder zweite kommt auf die Bühne und gröhlt erstmal laut und lang: "Bäääerliiiiin!". Als bedürfe es keiner Performance von ihm, sondern Bewunderung von uns, dass auch er es nun geschafft hat. Nur: da vorne stehen keine Berliner, sondern Touristen, die ebenso Anlass hätten laut "Beerliiin" zu gröhlen.
So weit so gut. Als die Generalproben vorbei waren, kündigte sich eine lange Pause an. Ohne Programm. Das ist auch so ein Ding: Man überlässt die Besucher dann einfach sich selbst. Und damit sie nicht einschlafen, proben sie mit ihnen -ernsthaft- den Countdown zum Jahreswechsel.
Die Show selbst erlebten wir dann am Fernseher. Und da kam unserer Meinung nach dann auch rüber, dass da eigentlich keine Stimmung war. Das lag mit Sicherheit auch an den Moderatoren. Preisfragen wie "Wo wird zuerst Silvester gefeiert, in Deutschland oder Australien? Kleiner Tip, ich habe vorhin schon eine SMS mit "Happy new year" bekommen auweia ich eigne mich wohl nicht für Preisausschreiben." stimmten zwar in ihrer Analyse, die Konsequenz ließ aber auf sich warten. Auch kann man sich Zoten und Schoten über "Holländer" und Griechen, die eine Schokolade heute ohne Münze backen usw. schenken.
Zappt man dann mal weiter und landet in alten Starparaden oder der -nota bene- ZDF Kultnacht, wird man wehmütig. Mit soviel weniger Aufwand und soviel mehr Qualität wurde damals Stimmung gemacht.