Kommentar zum Film Elternschule. Teil 2. Behandlungsmethoden und Konzept.

Ich beginne heute zuerst mit dem Therapiekonzept der Klinik im Film "Elternschule."
Die Behandlungsmethode in der Gelsenkirchener Kinderklinik Abteilung Pädiatrische Psychosomatik, Allergologie und Pneumologie nennt sich multimodale 3-Phasen-Therapie, die es so nur in eben dieser Klinik gibt.
Aufgebaut ist diese Therapieform auf „fast 30 Jahren Forschung bei der Behandlung chronischer psychosomatischer Erkrankungen sowie bei Verhaltensauffälligkeiten von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen."
Nun hat mich sehr interessiert, welche Studien dem Behandlungskonzept zugrunde liegen.
Leider konnte ich bisher keine Informationen dazu finden.
Was ich herausfand, weil es auf der Webseite der Abteilung steht, ist, dass diese 3-Phasen-Therapie aus verschiedenen Modulen besteht.

Therapiebausteine der Klinik bei psychosomatischen Erkrankungen
Besonders interessiert haben mich dabei die Schlaf-, Ess- und Trennungsmethoden, die ich eindeutig in der Doku Elternschule wiederfinden konnte; als sogenannte "Module" also das sogenannte Schlafverhaltenstraining (SVT), das Essverhaltenstraining (EVT) und das Bindungs- und Trennungstraining (BTT).
Ich bin in meinen Recherchen, auf welchen Forschungen oder Studien diese Module aufbauen, auch noch nicht sehr weit gekommen.
Eine ähnliche Therapie gab es jedoch schon mit dem Gelsenkirchener Behandlungsverfahren unter der Leitung von Dr. August Stemmann in genau dieser Klinik zur Behandlung von Neurodermitis bei Kindern.
Dieses Behandlungsverfahren beinhaltete unter anderem auch ein Trennungs- und Esstraining und war an die "neue germanische Medizin" angelehnt.
Stemmann verkündete, Neurodermitis heilen zu können, unter anderem durch ein Trennungstraining von Mutter und Kind.
Wer mehr dazu lesen möchte, kann hier zu einem Artikel vom Spiegel weitergeleitet werden.
Viele Experten warnten 2005 vor okkulter Heilmedizin und Scharlatanerie, zumal Stemmann sich zahlreiche Aspekte seines Behandlungsverfahrens wiederum von Ryke Geerd Hamer abkupferte.
Der hatte dieselbe Idee der Spontanheilung - allerdings bei Krebs, was einem Mädchen das Leben kostete.
Ob der jetzige Psychotherapeut Dietmar Langer sich auf die Grundlagen des Gelsenkirchener Behandlungsverfahrens beruft, ist noch nicht geklärt. Zumindest beruft er sich auf 30 Jahre Forschung und hat mit Dr. Ernst August Stemmann Seite an Seite in der Klinik gearbeitet.

Training. Planmäßige Durchführung eines Programms von vielfältigen Übungen.
Zurück zum Film.
Ich sehe in der Doku ein Baby, welches von seiner Mutter immer wieder apathisch geschaukelt wird. Das kleine Mädchen schrie laut Schilderungen der Mama 14 Stunden am Tag und die Mutter hörte es sogar dann noch oder schon schreien, wenn es nicht in ihrer Nähe war.
So stark prägend und belastend sind Erlebnisse mit Schreibabys.
In der beschriebenen Filmsequenz schreit das Baby gerade nicht.
Nun frage ich mich dennoch, wenn es diese extreme Regulationsstörung bei dem kleinen Mäuschen gibt, es sich also von allein nicht beruhigen kann, weshalb es dann in der Klinik in ein Gitterbett gelegt, in einen abgedunkelten Raum geschoben und sich selbst überlassen wird?
Es soll lernen, die Kraft aus sich selbst zu ziehen, schließe ich als Zuschauer daraus und wahrscheinlich, sich selbst zu regulieren. Es soll also einen Beruhigungspunkt in sich selbst finden.
Das ist mir dermaßen unschlüssig, dass ich es absolut gar nicht in Zusammenhang mit der „liebevoll-konsequenten Erziehung" bringen kann, von der Psychotherapeut Langer immer wieder spricht und die Presse schreibt.
Der Mann neben mir im Publikum kann es vielleicht:
„Das kommt davon, wenn man wegen jedem Furz zum Kind rennt."
Nun gut. Ich hatte genau diese Befürchtung, dass Laien diesen Film argumentativ so begleiten werden und das wahrscheinlich auch an heutige Mütter herantragen.
Vielleicht wird es sich um seine Enkel handeln, die er dann im abgedunkelten Raum zuhause schreien lässt, bis sie eingeschlafen sind.

Dabei dürfen wir nicht vergessen, auch über die Co-Regulation zu sprechen.
Ein so kleiner Säugling ist noch nicht in der Lage, sich selbst „herunterzuregeln" - das bringen ihm tatsächlich die Eltern / Bezugspersonen bei.
Allerdings liegen bei Schreibabys Regulationsstörungen nicht unbedingt (nur) vor, weil die Mutter nicht feinfühlig genug war oder die Signale ihres Babys nicht versteht.
Manchmal liegt es auch daran, dass die Mutter während der Geburt in Vollnarkose lag oder der kleine Erdenbürger viel zu früh auf die Welt kam.
Selbst bei einer schweren Geburt kann es sich auf den Säugling im Verhalten auswirken, wie leicht oder schwer er/sie später zu beruhigen ist.
Diese ganzen Themen kann ich selbst hier nur deshalb aus dem FF beschreiben, weil unsere Tochter ein Schreibaby war (sie ist ein Frühchen) und ich ganz viel darüber gelesen habe, als sie auf die Welt kam.
Wir hatten zu jederzeit eine sehr tolle Stillberaterin der La Leche Liga an unserer Seite und ich betone, an unserer Seite. Denn mein Mann wurde mit einbezogen in die Bindungsthemen und wir haben dadurch sehr viel Stärke und Vertrauen in uns selbst erhalten, aber auch Zusammenhänge besser verstanden.
Ebenfalls an unserer Seite war die beste Hebamme der Welt aus dem Geburtshaus Freiberg, Beate - obwohl ich dort nicht entbunden habe und sie wirklich mehr als ausgebucht war.
Regulationsstörungen sind relativ schnell nach der Geburt erkennbar und haben ganz viele verschiedene Ursachen. Die Wärme und Fürsorge der Bezugspersonen / Eltern ist enorm wichtig, um die Bindung zu halten und zu intensivieren.

Wir sollten vielen Fragen intensiver nachgehen.
So auch, ob Bindungsverhalten nicht schon ab der 6. oder 7. Klasse erstmals in den Schulen gelehrt werden sollte.
Eines der wichtigsten Dinge zwischen Menschen ist der Aufbau einer stabilen Bindung.
Leider haben oft weder Eltern noch Erzieher oder Lehrer je davon gehört, dass es verschiedene Bindungstypen (nach Ainsworth und Bowlby) gibt.
Wir können nicht den Ball nur den Eltern zuwerfen, während die Gesellschaft, die Öffentlichkeit keine Ahnung vom Bindungsaufbau zum Kind hat.
Wenn in einer Gesellschaft Kinder schwer seelisch erkranken, unter Regulationsstörungen leiden und letztendlich sogar Nahrung verweigern, muss darüber öffentlich diskutiert werden. Denn das ist nicht nur ein Familienproblem, sondern ein gesellschaftliches.
Dazu zählen die elementarsten Dinge, wie zum Beispiel, dass Mutter und Kind nach der Geburt nicht getrennt werden und allgemein mit der Abnabelung von Mutter, Vater und Kind sensibel und feinfühlig umgegangen wird. Jeder Mensch hat seine ureigenste Intensität, wie und in welcher Geschwindigkeit er/sie Bindungen eingeht oder Autonomie anstrebt. Ich werde dazu noch viel schreiben, doch heute würde das hier den Rahmen sprengen.

Joggen am See entlang
In einer Szene reicht der Psychotherapeut einem schätzungsweise fünfjährigen Mädchen vor der Klinik die Hand und spricht sie freundlich an. "Drehen wir gemeinsam eine Runde um den See?"
Das Mädchen nickt und freut sich, sie hat Vertrauen zu ihm und er nimmt sie an die Hand.
Zuerst ist die Szene noch richtig locker und erfrischend. Das Mädchen quasselt fröhlich und der Therapeut beginnt zu joggen, das Mädchen auch. Sie joggen los und irgendwann - nach einer ganzen Zeit - hört der Zuschauer, wie das Mädchen sagt, dass sie nicht mehr kann und ihr die Seite sticht.
Ab diesem Moment wird mir wirklich mulmig und ich finde die ganze Szene richtiggehend gruselig.
Herr Langer wird in meinen Augen zum Antreiber und bagatellisiert ihr Seitenstechen. "Ach komm schon..." (sinngemäß) und als sie weiter jammert und weint: "Du kommst doch bald in die Schule, hör mal..."
Sie verliert beim Laufen ihre Mütze und sagt es dem Therapeuten, der mit seinem Monolog beschäftigt ist.
Nachdem sie zum zweiten Mal sagt, ihre Mütze sei weg, unterstellt er ihr, sie habe die Mütze mit Absicht weggeschmissen und nun müssen sie zurück joggen und die Mütze holen.
Sie will nicht und setzt sich mitten auf den Weg. Ein Machtkampf entsteht, mit Schlagabtausch von "Ich brauche die Mütze nicht" über "Die habe ich von meinem Geld bezahlt" bis hin zu "Da wird deine Mutter / Oma aber traurig sein, wenn wir sie nicht holen"; er wartet eine Weile und geht dann seiner Wege.
Sie sitzt noch ein Weilchen, rennt dem Therapeuten dann aber hinterher.
Später gibt es eine Sequenz, wo Herr Langer und Mädchen am Rand des Sees stehen, Enten beobachten und das Mädchen wieder genauso aufgeschlossen ist wie am Beginn des "Spaziergangs". Sie holen dann zusammen die Mütze.
Weshalb ich mich trotzdem bei dieser Szene unwohl gefühlt habe, ist, weil das Mädchen so sehr geweint hat und der Therapeut darauf nicht eingegangen ist. Ich frage mich, warum. Sie ist eine ziemliche Strecke mit ihm gerannt und war sehr kooperativ.
So eine Art und Weise gehört tatsächlich in Deutschland zur Verhaltenstherapie bei Kindergartenkindern? Wenn dem so ist, muss ich ehrlich sagen: Ich bin darüber entsetzt.

Und zum Schluss: Neurodermitis ist keine psychosomatische Krankheit!
Diese Erkrankung kommt nicht zustande, weil ein Trennungskonflikt vorliegt und wird auch nicht gelöst, in dem das Kind von der Mutter getrennt wird. Dasselbe gilt für Ess-Störungen und selbstverständlich auch Trotzverhalten.
Das ist in meinen Augen Hokuspokus und wissenschaftlich nicht erwiesen.
Warum die Krankenkassen so eine Therapie absegnen und unser aller Geld herausschleudern ist mir ein Rätsel.
Gutachter haben Qualitätssiegel vergeben und Lokalpolitiker Spenden.
Die Medien feiern den Film als Erziehungsratgeber und ich freue mich, wenn ich nachher gleich mit dem Zug nach Hause fahren und unser Kind in die Arme schließen kann.
Denn ich schließe mich der Meinung der Medien nicht an und werde um diese Klinik definitiv einen Bogen machen, sollten wir in irgendeiner Form mal Hilfe brauchen.
Kommentar zum Film Elternschule. Teil 2. Behandlungsmethoden und Konzept.

Hier folgt bald noch ein dritter Teil.

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