Yoko Ogawa – Der Herr der kleinen Vögel
Um zwei Brüder geht es in diesem Roman. Der ältere von ihnen beginnt mit 11 Jahren, in einer eigenen Sprache zu reden. Die Eltern sind ratlos; bis auf den jüngeren Bruder des Jungen versteht ihn nun niemand mehr, doch das kümmert ihn nicht. Seinem Bruder erklärt er, es handele sich um die Sprache der Vögel und er nimmt ihn mit zu einer Voliere voller Vögel, die auf dem Gelände eines ehemaligen Waisenhauses – das später zum Kindergarten umfunktioniert wird- steht.
Stundenlang sieht er sie sich an. Nach dem Tod der Eltern bleiben die beiden Brüder in ihrem Haus wohnen, wobei sich der Jüngere, der einen Verwaltungsjob annimmt, rührend um den Älteren kümmert, während der sich mehr und mehr auf die Vögel konzentriert. Nach dem Tod des Älteren, übernimmt der Jüngere die Obhut der Vögel im Kindergarten. Bald nennen die Kinder ihn „Herr der kleinen Vögel“.
Wer Yoko Ogawa bereits kennt, findet sich auf vertrautem Terrain wieder – mit gewohnt leisen Tönen beschreibt sie ein einsames Leben, ohne dabei ins Sentimentale abzurutschen. Sie muss nicht ausschweifend beschreiben umd lebendige Bilder zu erzeugen. Sie muss den Brüdern noch nicht einmal Namen geben um beim Leser ein Gefühl der Verbundenheit mit beiden zu wecken. Kaum spürbar vergeht so die Lebenszeit der Protagonisten, bis man unversehens kurz vor Ende des Buches aufschreckt.
Das Leben vom „Herrn der kleinen Vögel“ man zum Großteil einsam und eintönig verlaufen; Langeweile kommt beim Lesen dennoch nicht auf. Vielmehr schwelgt man in der Einfachheit der Sprache und lässt sich von der Traurigkeit sanft berieseln wie vom Laub der ersten Herbsttage.
Was steht daneben im Regal? „Die Familie Hardelot“ von Irène Némirovsky.
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