Antoine Laurain – Der Hut des Präsidenten
Im letzten Winter stand im Cicero zu lesen, „Hüte passen in unsere Zeit ungefähr so gut wie Knickerbocker“ und „Vorbei ist vorbei“ – der Mensch von heute trägt keinen Hut mehr, es sei denn, er möchte albern aussehen (In voller Länge kann der Artikel hier eingesehen werden). Ob das so ist, entscheidet am besten jeder für sich selbst. Francois Mitterand, französischer Staatspräsident zwischen 1981 und 1995, trug selbst öfter Hut, und dieser Hut spielt eine wichtige Rolle in Antoine Laurains neuem Roman.
Der Buchhalter Daniel, dessen Karriere im Sande verlaufen ist bevor sie je richtig Fahrt aufgenommen hat und der darunter leidet, dass sein Vorgsetzter ihn ganz offenkundig nicht mag, traut eines Abends bei einem einsamen Abendessen in einer Pariser Brasserie seinen Augen kaum – am Nebentisch hat sich der Präsident persönlich niedergelassen! Daniel zieht sein Essen in die Länge; angestrengt versucht er, dem Gespräch zwischen diesem wichtigen Mann und seinen Tischgenossen zu folgen. Es ist ihm, als säße er mit dem ersten unter den Franzosen am selben Tisch, als wäre er Teil der Unterhaltung.
Aber das ist er natürlich nicht, und deshalb verlassen die Männer auch ohne ihn das Resturant. Und da fällt Daniel etwas ins Auge – der Präsident hat seinen Hut vergessen. Zögernd nimmt er ihn an sich, bezahlt und macht sich auf den Heimweg. Probehalber setzt er den Hut auf und ihm gefällt, was er sieht; vor allem aber, wie er sich fühlt: selbstbewusst. Schon kurze Zeit später wird Daniel klar, dass dieser Hut nicht nur seine Selbstwahrnehmung verändert, vielmehr bringt er ihm tatsächlich Glück ein. Unverhofft findet er sich im Job auf der Überholspur wieder.
Francois Mitterand mit Hut
Doch weder der Hut noch der Leser verweilen lange bei Daniel. Dem ergeht es nämlich wie dem großen Staatsmann: er lässt den Hut liegen. Und Laurain folgt leichtfüßig dem Weg des Hutes, den es von Mensch zu Mensch treibt. Mit diesem Hut befreien sich Menschen aus unglücklichen Liebschaften, krempeln ihre Ansichten um und überwinden Sinnkrisen.
Jede Episode in dieser Geschichte ist lang genug, sodass der Leser den neuen Hut-Besitzer kennenlernen kann, bevor sich das jeweilige Leben durch den Hut verändert. Gleichzeitig sind die Episoden kurz gehalten, sodass man keinem der Charaktere zu nahe kommt und so enttäuscht wäre, wenn die Geschichte zur nächsten Person wechselt.
Die Episoden drehen sich zwar um ganz unterschiedliche Charaktere, doch Laurain hat es geschafft, sie flüssig miteinander zu verbinden. An einigen wenigen Stellen balanciert die Geschichte haarscharf am Kitsch vorbei und anspruchsvolle Sprache sucht man hier vergebens. Aber warum überhaupt danach suchen? Am besten lehnt man sich einfach zurück und genießt schöne Unterhaltung.
Ich danke dem Atlantik-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.
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