Kommentar zu Ein farbloses Buch von Wissenstagebuch

Haruki Murakami – Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Tsukuri Tazaki ist 36 und hadert noch immer mit einem Vorfall aus seiner Jugend: Als er zu Beginn seiner Studienzeit in Toyko für die Ferien in seinen Heimatort zurückkehrt, schneiden ihn seine Freunde aus heiterem Himmel. Tazaki und die vier Freunde haben während der Schulzeit jahrelang beinahe alles gemeinsam unernommen und haben sich in einer engen Symbiose zusammengefunden. Als die anderen vier ohne ersichtlichen Grund jeglichen Kontakt abbrechen, hadert der junge Tazaki sehr damit; ein gutes halbes Jahr lang denkt er an Selbstmord.

Mit 36 lebt Tazaki in Tokyo und arbeitet als Ingenieur bei einer Bahngesellschaft. Er lebt ein ruhiges und etwas einsames Leben, als er Sara trifft. Zwischen beiden funkt es beinahe unmittelbar und schnell ist für Tazaki klar, dass sich eine ernste Beziehung anbahnt. Sara ist die erste Person, der er von der Erfahrung mit seinen Kindheitsfreunden erzählt. Sie ermutigt ihn, sich seiner Vergangenheit zu stellen und zu erforschen, warum die Freunde damals so plötzlich den Kontakt abbrachen. Wenn Tazaki das nicht für sich klärt, so Sara, kann sie sich keine gemeinsame Zukunft vorstellen. Sie recherchiert für ihn, was die damaligen Freunde machen und wo sie anzutreffen sind und hilft Tazaki auch bei den Reisevorbereitungen.

Das Attribut „farblos“ in Bezug auf Tazaki hat seinen Ursprung in der Freundschaft der fünf Jugendlichen. Im Gegensatz zu Tazaki haben die vier anderen entweder Vor- oder Nachnamen, die auch verschiedene Farben benennen können. Schon als Jugendlicher bringt Tazaki das „farblos“ jedoch nicht nur mit seinem Namen in Verbindung, sondern auch mit seiner Person. In seinen Augen haben die anderen Freunde außergewöhnliche Talente und sprühen vor Energie, während er sich etwas blass ausnimmt. Doch Tazaki ist nicht nur in seiner Selbstwarnehmung langweilig, vielmehr ist es das ganze Buch hindurch schwer, mit ihm warm zu werden. Das liegt vor allem an seiner passiven Art, die in Kombination mit der enttäuschend banalen Aufklärung für das Verhalten der Freunde ein recht „farbloses“ Buch ergibt. Sowohl Tazaki als auch der Roman erscheinen nachgerade blutleer.

Nicht nur die Figur Tazaki bleibt seltsam blass, auch die meisten anderen Personen wirken entrückt und irgendwie weichgezeichnet und schemenhaft. Das mag in einigen Romanen den positiven Effekt haben, dass man sich leichter in einer der Personen wiederfinden kann, oder dass eine Menge Interpretationsraum geboten wird, was das Buch in mancher Augen wiederum vielschichtig macht. In diesem Roman jedoch erscheint es so, als haben Murakami seine Charaktere schlicht nicht wirklich bedacht konzipiert. Und so plätschert dieser Roman vor sich hin, weist einige Längen auf und scheint im Großen und Ganzen einem Haruki Murakami irgendwie nicht gerecht zu werden.


Was steht daneben im Regal? Sten Nadolnys „Die Entdeckung der Langsamkeit“.

Kategorien: Japan | Tags: Freundschaft, Rezension | Permanentlink.


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