Eine Idee, die einen wahren Wurstleiterboom auslöste. Die bevorzugte Abnahme von Leiterwurst, finanziert durch die späteren Wurstkonsumenten über eine von allen Fleischern einzutreibende Wurststeuer, ließ gigantische Leiterwerke aus dem Boden schießen. Binnen weniger Jahre wurde Deutschland zum führenden Leiterbaustandort der Welt, deutsche Leiterbauforschung wies der Trittleiter neue Wege, deutsche Leiterbauingenieure eröffneten der Wurstindustrie neue Perspektiven.
Neidisch ging der Blick der Welt auf die blühenden Leiterbaulandschaften zwischen Thüringen und Mecklenburg, wo binnen weniger Jahre aus kleinen Leiterwerkstätten Weltkonzerne wie L-Zells, Leiterworld und Centrowurst Weltkonzerne wurde. Deutsche Leitern eroberten die Welt, der von den Kommunisten verhehrte ostdeutsche Landkreis Bitterfeld mauserte sich zum High-Tech-Standort der deutschen Leiterindustrie. Erfreut konstatierte der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin, dass in 15 Jahren bereits über eine halbe Million Menschen in Deutschland Arbeit in den Bereichen Leiter und Wurst finden werde.
Basis für dieses rasante Wachstum und die damit stetig verbesserte internationale Wettbewerbsfähigkeit ist der Inlandsmarkt. Weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen diesen wachsenden Unternehmen im Inland Investitionssicherheit geben, können sie durch Steigerung der produzierten Stückzahlen die Kosten senken und massiv in Forschung und Entwicklung investieren. Immer mehr Leitern wurden gebaut, immer schönere, billigere und höhere.
Denn der Strom der Investitionen ließ nicht nach. Dutzende Firmen rechneten Investitionen und vom Staat garantierte Einnahmen gegeneinander auf. Und fanden heraus, dass ein sichereres Geschäft mit weniger Risiko seit dem Börsengang der Volksfirma Deutsche Telekom nicht mehr geboten wurde. Pro gepflückter Wurst, die im Laden für etwa acht Cent verkauft wird, erhielten Leiterbetreiber anfangs nach dem erfolgreichen Modell, mit dem in der DDR ein permanenter Kaninchenüberschuss erwirtschaftet wurde, rund 50 Cent ausgezahlt. Später sank der Garantiebetrag zwar auf 28 Cent, aber auch das war wegen der inzwischen auf Hochtouren laufenden Leiterwerke noch auskömmlich für Hersteller und Leiterfarmbetreiber.
Allerdings wurde die Wurst für die Verbraucher immer teurer, weil selbst auf nicht per Leiter geerntete Würste die Wurststeuer entrichtet werden muss. Zudem holten ausländische Hersteller auf: Sie bauten noch billigere Leitern und exportierten sie mit zunehmendem Erfolg in die wenigen Länder, in denen die Wurst noch von der Decke hängt. In Deutschland dagegen regte sich Unmut: Durch die vielen Wursttransporte über kleine Straßen stockte häufig der Verkehr, der permanent über dem Land liegende Wurstgeruch wurde von vielen Veganern als störend empfungen, religiöse Minderheiten verwahrten sich dagegen, das Schweinswürste vor ihren Gotteshäusern gepflückt wurden.
Jetzt hat die Bundesregierung auf die zusehends prekäre Lage der Wurstkonsumenten reagiert. Die Förderzusagen für die Betreiber von Pflückleiterfarmen wurden gekürzt. Trotz sinkender Vergütungssätze seien Investitionen in die Wurstleiterproduktion immer noch sichere und sinnvolle Geldanlagen, denn wer Geld in eine Wurstleiterfabrikation stecke, investiere in eine saubere und umweltfreundliche Branche, die verglichen mit anderen Geldanlagen, deren Zinsen sich seit Jahren auf einem historisch niedrigen Niveau bewegen, nach wie vor sehr rentabel arbeite, auch wenn auch mal eine Firma pleite gehe..
Um Wurstpflückern und Leiterindustrie die Gelegenheit zu geben, ihre Kalkulationen der anstehenden Bilanzlöcher neu zu justieren, räumt das Kabinett der Wurstleiterbranche eine Vorlaufzeit von dreieinhalb Wochen ein. Beim Biosprit, der auf ähnliche Weise mit Abnahmegarantien gefördert wurde, habe das reibungslos funktioniert. Nachdem die Zahl der Biosprithersteller die Zahl der Dönerbuden im Land zu überflügeln drohte, habe man die Förderung gekürzt und das Unternehmen als "E-10-Desaster" den Mineralölfirmen gutgeschrieben.