Erst in der vergangenen Woche veröffentlichte die DAK neue Zahlen, die belegen, dass es in Bayern 2010 mehr Komasäufer unter Jugendlichen gab als jemals zuvor. Landesweit wurden 5331 Patienten zwischen 13 und 20 Jahren mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Soweit kommt es im ZDF-Film Tödlicher Rausch gar nicht erst. Der beginnt ausgerechnet mit einem sinnlosen Wetttrinken in einer bayerischen Kneipe.
Dort fordert der 16-jährige Florian (Sandro Lohmann) den Ortspolizisten Georg (Fritz Karl) auf dem Feuerwehrfest heraus. Vor den Augen der eingeschworenen Männerrunde im «Hirschen» kippt der Junge einen Wodka nach dem anderen in sich hinein, während Georg mit Wasser schummelt. Am nächsten Morgen liegt Florian tot in einem Bachlauf. Ursache: Kreislaufversagen infolge einer Alkoholvergiftung. Er hatte vier Promille im Blut. Georg schweigt zu dem Vorfall, seine Freunde tun es ihm gleich. Einzig Nina (Lisa Maria Potthoff), die Schwester des Toten, mag nicht daran glauben, dass sich Florian ganz alleine und grundlos zu Tode gesoffen hat.
Der titelgebende Alkoholtod ist in diesem ZDF-Film von Johannes Fabrick, der auf dem Filmfest Hamburg den TV-Produzentenpreis erhielt, nur der Ausgangspunkt für ein immer enger werdendes Geflecht aus Schuld, Lügen und Verleumdungen. Das beschauliche bayerische Dorf entpuppt sich schnell als Ort des Schweigens, in dem der Polizist der größte Lügner und Verbrecher ist. Fritz Karl spielt ihn mit zunehmend angsterfülltem Blick, denn je mehr die aus der Stadt heimgekehrte Nina nachforscht, desto wahrscheinlicher wird sein Auffliegen. Das treibt ihn zum Äußersten, bis er sich selbst nicht mehr wiedererkennt.
Düstere Mischung aus Drama und Krimi
Obwohl sie gar nichts über ihn weiß, wie Nina selbst sagt, beginnt sie eine Beziehung mit Georg. So sehr umgarnt er sie mit seinem falschen Charme, zeigt Verständnis wie kaum ein anderer im Dorf – weil er sich schuldig fühlt und weil er nicht will, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Dem Zuschauer mag es schwerfallen, Ninas Zuneigung nachzuvollziehen, weiß er doch, was Georg getan hat und wie viele sein perfides Spiel mitspielen. Die Spannung im Drehbuch von Claudia Kaufmann speist sich aus der Frage, ob und wann er auffliegt oder sich vielleicht sogar stellt – und wer auf dem Weg dorthin noch auf der Strecke bleibt.
Neben dieser Frage trägt vor allem Lisa Maria Potthoff als Nina den Film. Sie spielt die Schwester des Opfers mit zurückhaltender Trauer – nur einmal bricht sie zusammen – und einer gesunden Portion Misstrauen. Getrieben von der Fragen nach dem «Warum» zeigt sie jene Courage, die der Männerrunde am Trinkabend fehlte. Auch weil sie sich die Schuld gibt, ihren Bruder allein gelassen zu haben. Sie, die noch nie in die scheinbare Dorfidylle gepasst hat, entlarvt diese als Illusion.
Visuell mit winterlichen Bildern bayerischer Ländlichkeit umgesetzt, dominiert im Film eine kalte, fast schon bedrohliche Atmosphäre, die einem die Kehle zuschnürt. Auch wenn dieses Gefühl vor allem von der dörflichen Verlogenheit und Ignoranz herrührt, wird das Thema Komasaufen in Tödlicher Rausch nicht zum bloßen Aufhänger degradiert. Ob Nina den Kneipenwirt anzeigt, weil er harten Alkohol an Minderjährige ausschenkt, oder die Nachbarn betonen, dass es ganz normal sei, wenn sich die Jugend auf einem Dorffest betrinkt: Die Problematik Alkohol unter Jugendlichen schwingt immer mit. Und sie wird genauso wie die Aufarbeitung des Todesfalls in einer Mischung aus Drama und Krimi nur allzu realistisch erzählt – leider.
Bestes Zitat: «Ich bin auf deiner Seite, aber wir müssen uns vertrauen.» (Georg gegenüber Nina)
Titel: Tödlicher Rausch
Regie: Johannes Fabrick
Darsteller: Lisa Maria Potthoff, Fritz Karl, Olivia Pascal, Sandro Lohmann
Sendetermin: Montag, 12. Dezember 2011, 20.15 Uhr, ZDF
Quelle:
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«Tödlicher Rausch» – Komasaufen mit der Polizei