Kollateralschaden eines falschen Umfeldes?

Schämen sich das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns und der Deutsche Ruderverband eigentlich nicht, so einen paradoxen Unsinn zu verbreiten? Ich meine wie die sicherlich auch, dass niemand etwas für den Mist kann, den sein Umfeld verbreitet und anstellt. Aber es stimmt doch auch, dass man kann sich sein Umfeld aussuchen kann! Und ob man das Umfeld und den Lebensgefährten gleichsetzen kann, ob man so tun kann, als sei eine Liebesbeziehung nichts weiter, als das nicht abfärbende Eingebettetsein in Zweisamkeit, halte ich für grob fadenscheinig und für ein dümmliches Spiegelgefecht der oben genannten Entkräfter.

Wenn man mit Umfeld beispielsweise die Nachbarschaft meint, die rechtsradikales Gedankengut kultiviert, ohne explizit rechtsradikal organisiert zu sein, dann kann man darin, in diesem Umfeld schlechtweg leben, ohne davon nennenswert berührt, ohne davon geprägt zu werden. Mit solchen Leuten kann man durchaus sprechen, kann plaudern und versuchen, sich auf unpolitisches Terrain herauszuquatschen - ich erlebe das ja auch; nicht, dass ich es hier mit Neonazis zu tun hätte, nur mit der kleinbürgerlichen Mitte, die aber zu Arbeitslagern, kleinen Hitlern mit starker Hand und Umerziehungsschulen für Andersartige ähnliche Ansichten hegt, wie es der Neonazismus viel offener und aggressiver tut. Mittiges Kleinbürgertum und  Neonazismus haben zuweilen einige halt Schnittmengen. Mit diesen Leuten, die mein Umfeld sind, lebe ich unaufgeregt - ich stehe beharrlich zu meinen Anschauungen, wenn es denn im Gespräch mal politisch oder gesellschaftlich wird; die chronisch nachtruhestörenden Nachbarn, zufälligerweise Polen, sind unser leidiges Thema. Die sind für mich jedoch kein seltsames Volk oder Polacken oder Typisch Ostblock!, sondern einfach nur schlafraubende Ruhestörer; ihre Nationalität ist mir völlig egal - es kann doch keine Frage der nationalen Abkunft sein, wenn man so selbstsüchtig ist, die eigene Feierlaune dem nächtlichen Ruhebedürfnis des direkten Umfeldes vorzuziehen. Das formuliere ich auch so, wenn die nationale Dumpfheit doch im nachbarschaftlichen Gespräch durchbricht. Kurz gesagt, ich lebe in diesem Umfeld, aber es prägt mich nicht. Es ärgert manchmal, macht fassungslos oder belustigt - für dieses Umfeld kann man wirklich nichts!
Aber verdammt nochmal, ich könnte mir nie vorstellen, mit jemanden zu leben, in einer Beziehung zu leben, mit ihm aufzuwachen, einzuschlafen, mit ihm zu lachen, heulen, beizuschlafen, die Türe beim Toilettengang offen zu lassen, mit ihm alles zu teilen, was ich habe oder gerne mal hätte... kurz, mit jemanden unter einem Dach zu leben - erotisch, nicht platonisch unter einem Dach zu leben -, der solche nazistischen Einstellungen pflegt. Wie kann man denn nun sagen, dass die betroffene Ruderin von der politischen Ansicht ihres Lebensgefährten, eines NPD-Mannes, der einer Kameradschaft vorsteht, die sich mit der phantasielosen Spitzbübigkeit neonazistischer Typen Nationale Sozialisten Rostock nennt, davon völlig unberührt ist? Tangiert es sie denn nicht, dass ihr Kerl erst seinen Horst Mahler-Aufsatz zur Seite legen muß, um sie in den Arm nehmen zu können? Worüber spricht man denn in schwülen Sommernächten, die keinen Schlaf ermöglichen? Und was sagt sie, wenn ihr Kerl nicht schlafen kann, weil es lärmende Nachbarn aus Polen sind, die das bewirken? Bleibt er sachlich und sie damit von seiner politischen Motivation unberührt - oder plärrt er die übliche Suada hinüber, beleidigt und pöbelt er, mach rassistische Unzweideutigkeiten und hört sie dann einfach weg? Geht es ihr am Arsch vorbei, dass der böhmische Gefreite immer wieder lobenswert erwähnt wird? Ja kann man mit jemanden zusammensein, der angeblich so komplett andere Anschauungen vertritt?
Nein, ich will dieser Frau nichts unterstellen. Ich kenne sie doch überhaupt nicht. Man muß fair bleiben. Aber ich kenne sehr wohl die Standpunkte und Überzeugungen jener im Geiste braunbejackten, körperlich schwarzpolobehemdten Herren. So naiv, so arglos und gutgläubig kann man doch nicht sein, die Liebesbeziehung zu einem NPD-Funktionär als etwas isoliertes und luftleeres auszumalen, als eine Liebe, die von allem anderen abgetrennt scheint. Gerade die Liebe ist doch auch immer politisch - in ihr politisiert man. Es müsste sich ja im aktuellen Falle um eine Beziehung handeln, in der es entweder gar keine Gespräche gibt - oder sie kennt nur Gesprächsfetzen, die das Wetter betreffen. Das Fernsehprogramm wäre schon ein Problem, denn dann müsste man über die Rolle von Feindsendern auf deutschem Territorium sprechen... und vom linken Zeitgeist in den Medien.
Eva Braun wurde viele Jahre als das unpolitische Dummchen neben dem Führer erklärt, schreibt Heike B. Görtemaker in ihrem Buch. Sie meint, das sei vom Feminismus politisch gewollt gewesen, denn man hatte Interesse daran, das Weibliche als unbefleckter und unschuldiger einzustufen, um der holden und in Ämter kommenden Weiblichkeit eine neue, weil edlere Zivilisationsstufe andichten zu können. Aber Görtemaker beschreibt diese schwachen Frauen hinter diesen starken Männern - es waren kleinbürgerliche Frauen, die vom selben Hass und derselben Abneigung geplagt wurden, wie ihre Kerle in Phantasieuniform. Sie bestärkten sie, sie unterstützten ihre Gatten und Lebensgefährten und gaben moralische Stütze. Auch Braun tat dies. Politisch gescheit war sie nicht, aber die Beißreflexe und Affekte, die ihren Dolfi trieben, die waren auch die ihren. Mal bewusst, mal unbewusster. Dass sie nichts gewusst hätte, ist so ein Märchen, dem man nur den Vogel zeigen kann. Braun hieß nicht nur so, sie war es auch...
Um Himmels willen, die Ruderin ist keine Braun und ihr Galan kein fliegenschissbärtiger Führer. Nicht gleichsetzen, aber vergleichen sollte man schon. Es ist doch Augenwischerei, wenn man ganz trocken anmerkt, sie habe aber politisch niemals in diese Richtung getickt. Das klingt wie: Sie hat doch nichts gewusst! Wer solche Gerüchte verbreitet, der ist nicht naiv, der bereinigt eine Situation, die keiner Bereinigung unterworfen werden sollte - und der hält die Öffentlichkeit zum Narren.
Ich würde nicht behaupten, dass diese Frau so denkt, wie es ihr Lebenspartner tut. Ich möchte das eigentlich nicht schreiben müssen - alleine mir fehlt der Glaube. Aber ich behaupte es ja auch nicht, ich weise nur darauf hin. Denn dieser kleine Opferstatus, den man ihr zuerkennt, wenn man sie so zum Kollateralschaden einer falschen Beziehung, eines falschen Umfeldes macht, ist einfach nicht angebracht. Man sollte kritischer sein und fragen, was sie an einem solchen Kerl findet - und man sollte auch mal an Rostock-Lichtenhagen denken, als dort im August 1992 ein rassistisches Pogrom von der Polizei nicht unterdrückt, sondern teils toleriert, teils ignoriert wurde. Polizei und das rechte Gedankengut in Mecklenburg-Vorpommern; dort, wo die Ruderin Polizistin war, dort wo sie ihren Schatz kennenlernte. Sprechen wir doch mal darüber, bevor wir uns den naiven Einordnungen von Sportfunktionären und Ministerien unterordnen. Gibt es Schnittmengen zwischen Polizeischule und NPD-Kader? In Zeiten der NSU und der Mitwisserschaft des Verfassungsschutzes kein gewagter Gedanke...
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