Kohle scheffeln durchs Impfen

Impfgegner, oh, pardon, Impfkritische bringen oftmals das Argument an, wir Kinder- und Jugendärzte würden uns eine goldene Nase durchs Impfen verdienen, unlängst geschehen auf der Facebook-Seite von “Deutschland verbrennt den Impfpass” (wtf? Verlinkung hier nur, damit vielleicht ein paar Vernunftbegabte auf deren Seite Kommentare hinterlassen) –

wiederum eine andere Facebook-Initiative “Für Impfen”, bat mich, hierzu einen Gastbeitrag als Replik zu schreiben. Wenn Ihr das gut findet, dann geht auf deren Seite und “liked”, wassesnurgeht.


Kohle scheffeln durch Impfen

Ich habe keine Ahnung, was daran schlimm sein soll, das Ärzte Geld fürs Impfen bekommen. Es zweifelt doch auch niemand an, dass sie Geld bekommen, oder?

Mit der gleichen Begründung dürften TÜV-Prüfer oder Streifenpolizisten kein Geld erhalten. Das Honorar, wie es richtigerweise recherchiert wurde, ist legitim und ethisch einwandfrei, denn Ärzte dürfen keine kostenlosen Leistung anbieten – *das* wäre unlauterer Wettbewerb.

Erstmal die Fakten:
Ein Honorar von 7 Euro für eine Einzelimpfung bis hin zu 19 Euro für eine Kombinationsimpfung beinhaltet
1) Kosten für die Bevorratung der Impfstoffe (eine logistische Sache, sonst müssten die Eltern stets den Impfstoff selbst in der Apotheke holen – und die Kühlkette im heißen Sommer einhalten) – also Bereitstellung mindestens eines übergroßen Impfstoff-Kühlschranks mit Umluft, idealerweise mit Kühltemperaturüberwachung mit Online/SMS-Benachrichtung bei Ausfall – kostet Geld
2) Impfstoffausfallsversicherung (wenn die Putzfrau den Stecker zieht)
3) Impfaufklärung der Eltern (die Dauer bestimmen die Eltern, das kann auch schon mal länger gehen)
4) Impfplanung (Terminvergaben etc)
5) Untersuchung des Impflings (komplett)
6) Durchführung der Impfung (incl. Kanülen, Desinfektion, evtl. Glucose bei Säuglingen)
7) Dokumentation in Impfheft, Karteikarte und (optional) einem speziellen Impfbuch der Praxis
8) Achja – und Honorar für die getane Arbeit, für Arzt und MFA
9) Achja – und wenn 3) oder 5) negativ ausfallen, weil die Eltern doch nicht impfen möchten oder der Impfling krank ist – gibt’s gar kein Geld. Für eine Impfberatung an sich – also mit offenem Ausgang – gibt es im übrigen im Abrechnungssystem der Gesetzlichen Krankenkassen keine Abrechungsziffer, d.h. das ist sowieso eine Gratisleistung des Arztes.

Die Gesamtsummen, die im Artikel des “Deutschland verbrennt den Impfpass-Team“ genannt werden, sind hübsch extrapoliert.
Ein paar kleine Fehler haben sich jedoch eingeschlichen:
So wird die Rotavirusimpfung nur mit zwei Impfdosen vergütet (es gibt zwei Impfstoffe, der eine wird dreimal gegeben, der andere nur zweimal – die Kassen zahlen nur die zweimalige Gabe …). Außerdem wird die Gesamthonorarmenge von 149,54€ mit der Geburtenrate eines Jahres hochgerechnet, was nicht korrekt ist, da die Kinder ja nicht mit 12 Monaten komplett durchgeimpft sind. Der Impfplan geht mindestens bis zum 15. Lebensmonat, erst ab dann sollte z.B. die zweite MMRV-Impfung gegeben werden. Ergo wäre es richtiger, jeweils die Impfungen des ersten Jahres (90,57 €) und des zweiten Jahres (44,21€) mit der Geburtenrate zu koppeln. Das ergibt eine Gesamthonorierung von (90,57 € x 673544 Geburten + 44,21 € x 673544 Geburten) 90.780.260,32 € bzw. 45.390.130, 16 € pro Jahr (und nicht 100.721.769,76€). Weiter macht das dann nur noch 3444,13€ pro Jahr und Arzt (statt 7642,60€).
Aber wir wollen nicht kleinlich sein.

Jeder verdient Geld in seinem Beruf – was eine Leistung wirklich „wert“ ist, bestimmen oft andere. Für das Geld, was ein Arzt für Impfungen bekommt, würde ein Handwerker in der gleichen Zeit, mit dem gleichen Aufwand, keinen Finger krumm machen.

Wir Ärzte impfen nicht, um uns zu bereichern, sondern weil wir von der Sinnhaftigkeit und medizinischen Notwendigkeit dieser Empfehlungen des 21. Jahrhunderts überzeugt sind. Mit Korruption hat das wohl nichts zu tun, denn das Geld fließt schließlich nicht aus den Pharmafirmen, sondern über die Kassenärztlichen Vereinigungen letztendlich von den beitragszahlenden Mitgliedern der Krankenkassen. Daher ist der „Switch“ im Artikel von den Ärztehonoraren hin zur „bösen“ Pharmaindustrie nicht nachvollziehbar.

Was allerdings völlig richtig ist in den Überlegungen der Impfgegner: Die Gesamtzahlen ALLER Kinder in Deutschland zum Ausgangspunkt zu nehmen und diese der Anzahl ALLER Kinder- und Jugendärzte gegenüber zu stellen, denn: Die Impfquote in Deutschland in den ersten Lebensjahren liegt bei über 90%, und eine ähnliche Quote dürften auch die Kinder- und Jugendärzte erreichen, welche von den Impfungen überzeugt sind. Die Impfgegner sind in der Minderheit. Die Vernunft hat immer noch die Mehrheit.

So hat ein einziger Satz in diesem Artikel wirklich tieferen Wahrheitsgehalt: Wir Kinder- und Jugendärzte impfen „freudig Kinder/Säuglinge“ – aber aus humanitären und nicht monetären Gründen

Für Impfen – Facebook.



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