Kochkurs in Beppu

Kochkurs in Beppu
Kochkurs in Beppu

Während Europa seit Jahrzehnten von japanischen Reisgruppen aber zunehmend auch von (meist jüngeren) Individualreisenden besucht wird,
hat eine Japanreise abseits von Kongressreisen nach Tokyo, Kyoto oder Osaka noch immer etwas Exotisches.

Auch schon vor Tsunami und Fukushima (http://medicus58.wordpress.com/2012/03/03/die-leere-sic-aus-fukushima/)
war Beppu (sprich Beppü, http://en.wikipedia.org/wiki/Beppu) auf der Insel Kyushu, für den europäischen Gast eine “terra incognita”.
Nicht so für die Japaner selbst, von denen ca. 12 Millionen pro Jahr in den kleinen, 2012 nur 119,582 Einwohner zählenden Kurort strömen und die 168 öffentlichen Bädern und zahlreiche private Thermen bevölkern, die von 3.700 Thermalquellen gespeist werden.

Meine Anreise (1996) war gar nicht so einfach, weil der Ort nicht am legendären Shinkansen (http://de.wikipedia.org/wiki/Shinkansen) liegt und das Umsteigen in die kleineren Privatbahnen nicht ganz friktionsfrei, letztendlich jedoch erfolgreich war. 
Ich logierte in einem Mittelklassehotel mit eigener Thermalquelle.
Was lag also näher, als sich in das gesunde Vergnügen zu stürzen, ja wären da nicht das Wissen, dass
“Baden in Japan” kein Reinigungsvorgang sondern ein Teil einer streng geregelten Kultur darstellt.
Das gilt für ”gewöhnliche” Bäder (Sento) ebenso wie für die Thermalquellen (Onsen).
Zuerst hat man sich peinlich genau zu reinigen, 
anhaftender Seifenschaum ist ein absolutes no-no,
erst dann steigt man in das Gemeinschaftsbecken. Man nimmt nichts der Bekleidung, die man “draußen” getragen hat, in die Räumlichkeiten und badet stets nackt, egal ob es sich um geschlechtsgetrennte Anstalten handelt oder nicht.
In den meisten öffentlichen Bädern platscht man inzwischen getrennt, in Kuranstalten ist das weniger verbreitet, aber Achtung:

Es ist strengstens verboten, die Tatsache, dass das Gegenüber (egal welchen Geschlechts) nackt ist, sichtbar zu bemerken!

Soviel konnte man aus dem Reiseführer lernen, nicht jedoch einige lokale Einzelheiten, die meinen nachfolgenden Badegang etwas komplizierten:

Da im Lift des Hotels immer wieder neben den unvermeidlichen Geschäftsleuten in Einheitsanzügen auch Badegäste im Bademantel fuhren, war klar, in welcher Adjustierung man sich den Baderäumlichkeiten zu nähern hat. Da der vom Hotel angebotene Bademantel eher für die japanischen als die eigenen Körpermaße gedacht war, improvisierte ich mit Badehose, überdimensionierten Badetuch und weitem T-Shirt (für einen eigen Bademantel war in meinem Rucksack kein Platz) und fuhr -in der Hoffnung nicht der einzige zu sein- in das Stockwerk, das im Lift als “Onsen” ausgepreist war.

Irrtum, kein anderer präsumptiver Badegast weit und breit, von dem ich mir die richtige Vorgangsweise abschauen hätte können.
Etwas Bambus und einige Grünpflanzen markierten den Eingang zum Bad, der zwischen den regulären Gästezimmern dieses Stockwerks lag.
Nach meinem Eintritt befand ich mich, weiterhin allein, in einem kleinen Raum, an dessen Wänden Regale mit Weidenkörben standen in denen eine Unmenge von frischen Handtüchern lagen. In einige Körbe fehlten Handtücher, dafür lagen dort – offenbar kurz getragene – Hotel-Bademäntel.
An der Frontseite des Raumes befand sich eine verschlossene Türe, vermutlich der Eingang zur Badelandschaft, vermutlich ….

Da die Räumlichkeiten so wie der ganze Ort ohnehin nur von Einheimischen bevölkert werden, haben es selbst die ansonsten fürsorglich um den “uneingeweihten Ausländer” bemühten Japaner nicht für notwendig erachtet, dem Unkundigen eine Art Gebrauchsanweisung für den Badespaß zu geben; unsereins wurde hier nicht erwartet.

Es schien alles dafür zu sprechen, dass es sich hier um den Auskleideraum handelt und hinter der Türe der Badebereich beginnt, jedoch so ganz sicher war ich mir nicht.
Was wäre, wenn sich hinter der Türe eine Art Aufenhaltsraum, vielleicht sogar eine Trinkbar befände? Diese im Adamskostüm zu betreten wäre ebenso peinlich, wie einfach einmal die Türe zu öffnen und hinein zu lugen. Keine Ahnung, was “Spanner” auf japanisch heißt, aber ich war mir nicht einmal so sicher, ob es sich bei dem “Onsen” nun um eins für Männlein, Weiblein oder eben für beide handelte und wollte mir “diese” Blöße nun wirklich nicht geben.

Was soll’s.
Ich ließ meine gesamte Bekleidung in einem der Weidekörbe,
schnappte mir eines der Badetücher (so konnte ich im Notfall wenigsten “das Notwendigste” bedecken und öffnete besagte Türe.

Vor mir lag ein großer Baderaum.
An den Wänden befanden sich ca. 50 cm über dem Boden gut zwei Dutzend Badearmaturen mit Brause und zusätzlichem Wasserauslauf, ein kleiner Schemel, für jeden Badegast einige große Flaschen mit Flüssigseifen und ein kleines Holzschaffel mit Bürste.
Im hinteren Bereich befanden sich einige aus Natursteinen gemauerte Becken, so in der Art von Goldfischteichen, nur offensichtlich mit viel heißerem Wasser gefüllt. Dampf stieg auf.
Vor vier dieser Armaturen schrubbten jeweils ein Mann wie wild jeden Winkel und jede Ritze seines Körpers ohne dabei auch nur den geringsten Seitenblick zu riskieren. Aber selbstverständlich wurde mein Eintreten bemerkt!
OK, hier war ich richtig.
Ich suchte mir auch einen Schemel und begann mit dem Schrubben. Wer nun glaubt, dass der Waschvorgang mit dem vergleichbar ist, was hier bei uns in wenigen Minuten vor dem Badegang abgespult wird, der irrt.
Ich hatte ja nun endlich meine “Vorbilder”, an denen ich mich -unter ganz diskreten Seitenblicken- orientieren konnte, um mich nicht lächerlich zu machen. 10 Minuten Schrubben schien das absoluten Minimum, die meisten Herren wiederholten den Ritus “Einseifen-Schrubben-Abspülen“ ein gutes Dutzend Mal, ehe sie sich nur dem Abspülen widmeten.
Wie gesagt, nicht der kleinste Seifenschaum wird im Becken geduldet.

Hat man seine Reinigung abgeschlossen und erhebt sich von seinem Schemel, kommt ein dienstbarer Geist, entfernt das gerade benütze Gerät und spült den “Badeplatz” nochmals, den man ohnehin nur peinlich genau gereinigt hinterlassen durfte und ersetzt die Gerätschaften.

Am Weg zu den Becken sind wiederum jedwelche Seitenblicke auf die anderen Badegäste auf das strengste verpönt, so dass sich mir die Beantwortung der klassischen Frage nach den Unterschieden japanischer und europäischer Bauart des männlichen Gemächts verbietet.
Nun beginnt das eigentlich Bad.
Als ich über die Steinmauer in das kaum einen Meter tiefe Becken stieg, erschrak ich über die Temperatur des Badewassers. Heiß ist hier reiner Euphemismus .
Ich kam mir vor, als hätte ich meine Waden in einen Topf Misosuppe gesteckt und dabei war der Rest des Körpers noch gar nicht mit dem heilenden Thermalwasser in Berührung gekommen.
Als dann schließlich auch meine “private parts” in der kochenden Brühe versenkt waren und ich mit verschränkten Beinen am Boden des Pools saß, fand ich die Sache irgendwann sogar richtig angenehm.

Ein anderes Becken war etwas dann etwas kühler (“medium-rare”) und meine japanischen “Vorbilder” und ich oszillierten in der Folge zwischen den verschiedenen Becken und nun nickte man sich auch ganz freundlich zu, bzw. schnatterten die Japaner, die während des “Waschvorganges” stumm wie Fische waren, nunmehr untereinander völlig befreit.

Nach einigen Beckenwechsel, eingewickelt in ein neues Badetuch folgte die Ruhephase. Sehr schön.
Völlig unverständlich, weshalb nicht mehr Nicht-Japaner hier kuren ….

Das Bild zeigt natürlich NICHT den Badebereich sondern die Thermalquelle an ihrem Ursprung.
Trotz der für uns ungewohnten Wassertemperaturen glauben echte Japaner nicht, dass in ihren Kurbädern die Gefahr besteht “gekocht” zu werden.


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