Was macht für Euch ein Kochbuch zu einem besonderen Kochbuch? Für mich ist diese Frage sehr leicht zu beantworten: Ich liebe Kochbücher, die Geschichten erzählen. Rezepte zusammenfassen, das kann (fast) jeder. Und heutzutage ist das ja auch so – einfach nur Rezepte suchen, das kann man auch im Internet. Aber persönlich geschriebene Bücher – das ist für mich etwas Einzigartiges, Unersetzliches. Und deshalb habe ich mich auch riesig gefreut, als dieses Buch hier in meinem Briefkasten lag.
Worum geht es? Es geht um jüdische Familienrezepte. Geschrieben hat das Buch Ruth Melcer zusammen mit Ellen Presser. Ruth Melcer ist in Polen geboren. Und sie hat Auschwitz überlebt. Ellen Presser ist die Leiterin des Kulturzentrums der israelitischen Kultusgemeinde in München. Einen schönen, lesenswerten Artikel über die beiden Autorinnen könnt Ihr hier nachlesen.
Die Rezepte in diesem Buch sind verwoben mit viele Geschichten und interessanten Artikeln: das Ganze beginnt mit der Lebensgeschichte von Ruth Melcer. Wir erfahren Wissenswertes über Shabbat und Tscholent, über Gefillte Fisch, Hühnersuppe und koscheres Essen, lustige Anekdoten und noch vieles mehr.
Das Buch ist sehr schön und liebevoll gestaltet: Fotos und Illustrationen erzählen Geschichten. Es macht große Freude, in dem Buch zu blättern. Schade ist nur, dass es nicht so recht aufgeschlagen liegen bleibt. Wer großen Wert darauf legt, zu jedem Rezept ein aussagekräftiges Foto vorzufinden, für den ist das Buch nichts, denn das gibt es nicht. Für mich sind aber die Geschichten wichtiger…..das Essen kann ich mir meist auch ohne Foto vorstellen.
Jetzt zu den Rezepten: das Ganze ist ein Familienkochbuch. Wir finden Rezepte der osteuropäischen jüdischen Küche, so wie sie in den Familien Melcer und Presser gekocht wurden und werden. Die Rezepte beginnen mit Sabbat-Gerichten, und geht weiter mit Vorspeisen, Beilagen, Suppen, Gerichte für Pessach, Hauptspeisen und natürlich auch Kuchen und Kompott. Größtenteils finden wir einfache, klassische Familiengerichte: gehackte Leber, Salzgurken, Kartoffelpuffer, Matzeknödel, Zwiebelfleisch, Apfelkuchen……die großen Klassiker sind versammelt.
Die Rezepte sind gut strukturiert und funktionieren. Bei manchen Rezepten mit Teig habe ich mich veranlasst gesehen, etwas an der Flüssigkeitsmenge zu schrauben, aber sonst war alles zu meiner Zufriedenheit.
Es Spaß gemacht, aus dem Buch zu kochen:
Ich habe mich direkt an der Challah versucht. Der flaumige Hefezopf wird nach einem recht einfachen Rezept gebacken; und er ist gut gelungen. Der einzige Fehler war, dass ich nur die halbe Menge gemacht habe, denn er war sehr schnell aufgegessen. An Ruhe- und Backzeiten habe ich ein wenig geschraubt.
Farfel? Das war interessant: es wird ein fester Teig aus Ei und Mehl gemacht. Der Teig darf erst etwas trockenen, dann wird er mit einem Messer in kleine Stückchen gehackt. Die Stückchen werden dann gebacken. Ich habe die Farfel beim Lesen des Rezeptes erst für eine Suppeneinlage gehalten; aber tatsächlich werden sie mit Soße und/oder gebratenen Zwiebeln gegessen. Wir hatten Farfel mit Sauce – das ist ein richtiges Wohlfühlessen.
Mir fällt gerade auf, das bis jetzt alles, was ich versucht habe, aus Teig und farblich recht neutral ist. So ist es auch mit den gefüllten Blini – das sind Pfannkuchen mit einer Füllung aus gekochten, gestampften Kartoffeln und gebrateten Zwiebeln. Recht einfach, aber auch so ein Wohlfühlfutter. Einzig am Pfannkuchenteig habe ich etwas auszuetzen – fast 400 ml Flüssigkeit und 1 Ei auf 110 gr. Mehl. Ich habe etwas weniger genommen und der Teig war ok.
Jetzt kommt doch noch etwas Farbe in die Sache – mit der milchigen Kartoffel-Lauch-Suppe. Das ist eine einfache Suppe auf der Basis von Kartoffeln mit etwas Karotte und einer Stange Lauch, abgerundet mit etwas Butter, saurer Sahne und Crème fraîche.
Kreplach, das sind kleine Nudelteigtaschen, gefüllt mit verschiedenen Fleischsorten, die in Suppe serviert werden. Am Teig habe ich was geändert – 5 Eier auf 200 gr. Mehl und dann dazu noch etwas Wasser, das hätte sicher keinen formbaren Nudelteig ergeben. Ich habe nur 2 Eier gebraucht und keine weitere Flüssigkeit.
Klopsiki – das klingt doch so, dass man es auf jeden Fall ausprobieren muss, oder? Im Prinzip sind das Frikadellen, die in Semmelbröseln gewälzt und gebraten werden. Klopsiki werden dann nochmals gegart – in einer Sauce auf der Basis von Zwiebeln und getrockneten Steinpilzen. Saftig, fluffig und aromatisch – ein unkompliziertes Familenessen.
Fazit? Dieses Buch wird immer zu meinen Lieblingen zählen. Sicher, die meisten Rezepten sind Klassiker und bestimmt auch anderswo zu finden. Was das Buch aber zu einem Kleinod macht, sind die in Worten und Bilder erzählten Geschichten.
- Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
- Verlag: Gerstenberg Verlag
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3836920957
- € 19,95