An dem Mann mit dem sehr langen Namen (HFW, für mich :-) ) komme ich nicht vorbei. Neues von ihm zieht mit hoher Wahrscheinlichkeit ein in mein Bücherregal.
Diesmal habe ich aber kurz gezuckt – lautet doch der Untertitel des Buches “Gesunde Rezepte ohne Weizen und Milchprodukte”. Nun habe ich – absehen von einer Allergie gegen Haselnüsse und Anis – glücklicherweise nicht mit Unverträglichkeiten zu kämpfen. Letztendlich war ich dann aber doch neugierig. Was das wohl für Gerichte sein mögen?
Interessiert hat mich natürlich auch die Motivation HFWs, so ein Buch zu schreiben. Springt er nur auf einen Trend auf, oder ist da mehr? Hier hilft das Vorwort weiter: es darum, einmal auf alltägliche Zutaten zu verzichten, die wir routinemäßig und ohne uns Gedanken zu machen verwenden. Grund dafür ist nicht nur die Lust am Experimentieren, sondern auch Unverträglichkeiten im Bekanntenkreis – und nicht zuletzt der eigene Cholesterinspiegel. Das klingt alles überzeugend.
Und so machen wir uns mal über das Äußere her: Ein dicker Wälzer ist es. Schön aufgemacht mit ruhigem Layout, mattem Papier und großformatigen Fotos von Simon Wheeler. Die Fotos befassen sich mit der Hauptsache – dem Essen. Großes Drumherum gibt es nicht – das gefällt mir.
Jetzt zu den inneren Werten: der Rezeptteil startet mit Ideen für das Frühstück. Manches davon würde ich eher als kleine Idee bezeichnen denn als Rezept – Grapefruit mit Pfeffer (hab ich probiert, schmeckt klasse!) oder Banane mit Limettenabrieb zum Beispiel. Es gibt aber auch anderes: Knspermüsli, selbstgemachte Mandelmilch, Smoothies, Früchtebrot, Kartoffelküchlein oder Masala-Omelette.
Dann wird gebacken: Maisbrot mit Karotten, Scones mit Buchweizen und Mandeln, Roggen-Chapatis, Cracker mit Leinsamen und Rosmarin.
Im nächsten Kapitel geht es um Suppe. Hier gibt es zwei Besonderheiten: HFW hat sich viele Rezepte für Rohkost-Suppen ausgedacht, die im Mixer zubereitet werden. Apfel-Karottensuppe gibt es da oder Waldorf-Suppe. Dann gibt es noch Suppen, die aus im Ofen geschmorten Gemüse gemixt werden: geschmorte Champignonsuppe zum Beispiel oder Schmortomaten-Cremesuppe. Natürlich gibt es auch Ideen für klassische Suppen: klare Suppe mit neuen Kartoffeln, Kräutern und Erbsen, Kichererbsensuppe oder Fischsuppe mit Räucherhering.
Nach der Suppe kommt der Salat – Leckereien wie Blumenkohl Rohschinken und Balsamico-Dressing, Spinat-Erdbeer-Avocado-Salat oder zerdrückte Gurke chinesische Art. Es folgt das Fisch-Kapitel: Krebs mit Rosenkohl, Roher Fisch mit Tomaten und Basilikum, Forelle mit Chermoula oder Fisch-Tomaten-Curry warten darauf, ausprobiert zu werden.
Natürlich gibt es auch ein Fleisch-Kapitel – Rindfleisch mit Bohnenpüree, Hühnerleber auf Gurke, Lamm-Cashew-Curry oder Frühlingshuhn zum Beispiel. Das Gemüsekapitel wartet mit Gemüsetempura mit Sesamdipp, Reis, Eiern und Brunnenkressecreme, ofengerösteten Roten Beten mit Kartoffeln und Sardellen oder Rote-Bete-Burgern auf. Auch Obst gibt es – Ananas mit Rohrzucker und Piment, Apfel mit Basilikum und Pinienkernen oder Rhabarber-Rosen-Sorbet. Den Abschluß bildet ein Kapitel mit Süßigkeiten: die bekannte Mousse au Chocolat auf Avocado-Basis, Polentakuchen mit Heidelbeeren, Brownies.
Abgeschlossen wird das Rezept-Kapitel durch eine Liste mit Dingen, die man in der Vorratskammer haben sollte, wenn man aus dem Buch kochen möchte.
Die Rezepte sind gut strukturiert. Zu jedem Rezept gibt es eine kleine Einleitung und oft werden auch noch Variationen angeboten. Dann gibt es noch kleine Pictogramme, die uns sagen, ob das Gericht für Veganer geeignet ist, ob es besonders schnell zuzubereiten ist oder ob es zum Mitnehmen taugt. Es gibt ein Register, in dem man findet, was man sucht und eine Liste mit Rezepten, die komplett glutenfrei sind.
In aller Regel ist es so, dass mich in Büchern von HFW sehr viel zum Ausprobieren direkt anspringt. So auch diesmal:
Das Hühnchen mit Linsen und Rosmarin hat uns einen Sonntag Abend gerettet. Eigentlich sollte etwas anderes auf dem Tisch stehen – da war das Huhn eine erfreuliche Sache. Das Huhn ist schön aromatisch, die Linsen ergeben eine cremige Sauce. Allerdings muss man dazu etwas mehr Flüssigkeit angießen als im Rezept angeben. Einfach zu machen ist das ganze auch noch – schön für Tage, an denen man nicht viel Aufwand betreiben möchte.
Risotto aus dem Ofen? Und dann noch ohne Käse? Geht das? Das geht, sehr gut sogar. Das Schalotten-Pilz-Risotto ist im Ofen ganz entspannt zubereitet. Es ist schön cremig und hinterläßt ein wohlig-sattes Gefühl. Den besonderen Kick bekommt es durch einen Spritzer Chiliöl; das kann man rasch selbst machen während das Risotto gart. Da liegt allerdings ein kleiner Fallstrick – im Rezept steht, man soll Chili und Knoblauch im Öl ein wenig köcheln lassen und dann alles abkühlen. Man füllt aber die Ölmischung besser gleich aus dem Topf in einen anderen Behälter, denn durch das heiße Öl garen Chiliflocken und Knoblauch sonst weiter und verbrennen.
Fenchel steht bei meiner Familie nicht besonders hoch im Kurs. Für die Suppe mit geschmortem Fenchel wird der Fenchel im Ofen geröstet, dazu kommen Knoblauchzehen, Zitrone und eine Kartoffel zur Bindung. Danach wird mit heißer Gemüsebrühe aufgegossen und gemixt. Suppe fertig, ganz entspannt. Geschmacklich war die Suppe toll – sogar die Fenchelverächter haben Nachschlag genommen. Ein Problem war allerdings die Konsistenz – um die Fasern des Fenchels kleinzukriegen, braucht man schon einen sehr leistungsstarken Mixer. HFW benutzt einen Vitamix; der Mixaufsatz meiner Küchenmaschine hatte zu kämpfen – und wir hatten ziemlich zu kauen an der Suppe.
Es folgt ein Geständnis: ich trinke gerne Tomatensaft. Am liebsten mit ein paar Tropfen Tabasco. Avocado mag ich auch. Klar, dass ich das Bloody-Mary-Steak ausprobieren musste. Es besteht aus einen Steak, einem Avocado-Tomaten-Salat und einem einer Bloody Mary nachempfundenen Dressing aus Tomatensaft, etwas Öl, Tabasco, Worchestersauce und Zitronensaft. Wirklich toll, ich könnte glatt schon wieder….
So. Backwaren. Ohne Weizen. Ich habe nicht herausgefunden, warum, aber Hefe und Sauerteig kommen auch nicht vor. Wenn Teig gelockert werden soll, dann müssen Backpulver oder Natron ran. Insofern sind die Brote eher ungewöhnlich. Ich habe eher unangenehme Erinnerungen an das bekannte Irish Soda Bread und habe das Roggenbrot mit Saaten, das mit Natron gebacken wird, ausprobiert, damit ich auch mal was zu meckern habe. Naja….die Konsistenz ist eher die von Kuchen – aber der Geschmack ist völlig in Ordnung. Um es in Suppen oder Soßen zu tunken, würde ich das Brot jederzeit wieder servieren. Als Hauptsache zum Frühstück oder ähnlichem dann eher nicht.
Ganz anders sieht es bei den Roggen-Grissini aus. Helles Roggenmehl, Backpulverteig. Ich habe mal sicherheitshalber nur eine halbe Portion gemacht. Gedacht waren die Knabberstangen für die Brotboxen von Sohn und Tochter m. Nun, sie haben den Abend nicht überlegt und schon am nächsten Tag stand ich wieder da und bereitete diesmal ein ganzes Rezept vor.
So, nun zum Shortbread. Klassischerweise besteht das aus Weizenmehl, Reismehl und Butter. In diesem Fall: Kastanienmehl, Buchweizen, Mandeln, Öl. Ich war gespannt, wie das schmeckt. Nun, wir bemühen uns, kein Essen wegzuwerfen – aber keiner von uns konnte diese sandige, stark nach Kastanie schmeckende Masse essen. Das Shortbread landete im Müll.
Wenn man Eis ohne Milchprodukte genießen möchte, liegt ja eigentlich der Gedanke an Sorbet nahe. Es gibt im Buch trotzdem ein Rezept für cremiges Fruchteis. Das ganze beruht auf eingeweichtes, gemixten Cashew-Nüssen. Dazu kommt Honig, Banane und – im Original noch Erdbeere. Ich habe die Menge reduziert und ein reines Bananen-Cashew-Eis gemacht – cremig, bananig, lecker.
Begeistert hat mich der Orangen-Rote-Bete-Salat mit gerösteten Kernen. Hier lang geht es zum Rezept.
Lecker war auch die Schoko-Nuss-Creme. Dafür werden geröstete Nüsse (Mandeln in meinem Fall) mit Honig, Kakao und Kokosfett gemixt. Das Ergebnis war geschmacklich toll, die Creme war aber sehr kompakt…..gar nicht so leicht, die auf’s Brot zu bekommen. Einfacher ist es, Pralinen daraus zu rollen und das Ganze als Nascherei zu servieren.
Fazit? Im Grunde bin ich ja ein begeisterter Hugh Fearnley-Whittingstall-Groupie. Ich mag seinen Stil, seine Ideen, seine Rezepte. Ich würde also an dieser Stelle gerne in uneingeschränkten Jubel ausbrechen. Geht aber nicht ganz. Die meisten Rezepte haben mir großen Spaß gemacht und ich werde das Buch sicher noch oft benutzen. Nicht ganz glücklich bin ich aber mit dem Rezepten aus dem Backkapitel und den Kuchen geworden. Warum weizenfrei beim Backen von Brot auch den Verzicht auf Hefe oder Sauerteig bedeutet, habe ich nicht verstanden. Kuchenartigen Broten oder Haferkeksen zum Frühstück kann ich halt nicht so viel abgewinnen. Und dann wäre da noch das Ausrüstungsproblem – so manches Rezept verlangt nach einem leistungsstarken Mixer.
- Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
- Verlag: AT Verlag
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3038008279
- € 24,90