Da ist er wieder! Und diesmal hat er nicht Obst im Gepäck, sondern Gemüse. Und zwar richtig viel davon. Das erste vegetarische Kochbuch von Hugh-Fearnley Whittingstall (HFW im Folgenden) hat ja richtig Furore gemacht, und dieser Band hier ist eine Fortsetzung, die aber noch eine Schippe drauf setzt.
In diesem Buch kommen Mahlzeiten auf den Tisch, die wirklich nur auf Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchten und Obst basieren. Keine Eier, keine Milchprodukte – die Rezepte sind vegan. Nicht aus Prinzip, sondern einfach nur, um zu zeigen, wie toll Gerichte schmecken können, die aus rein pflanzlichen Zutaten hergestellt werden. Ok, ein bisschen Mission steckt dahinter – die Botschaft lautet: „Esst mehr Gemüse. Viel mehr Gemüse!“; so auch der Originaltitel des Buches: „Much more veg!“
Gut, dann machen wir das mal. Es ist auch nicht schwer umzusetzen, denn geordnet nach verschiedenen Kapiteln enthält das Buch 200 reizvolle Rezepte. Jedes Kapitel hat ein Thema: So geht es in „Gemüse satt“ um besonders sättigende Gemüsegerichte, in „Volle Würze“ werden außergewöhnlich geschmackvoll gewürzte Ideen vorgestellt, ein ganzes Kapitel ist im Ofen geröstetem Gemüse gewidmet, es gibt Salate zum Sattessen, ein Kapitel über Rohkost, kleine Gerichte und Beilagen und schließlich einen Abschnitt, der sich mit Kartoffeln und Getreide befasst.
Die Rezepte sind variantenreich und phantasievoll: Es gibt Paprika-Kartoffel-Küchlein mit Oliven zum Sattessen, würziges Chili mit Rüben und roten Linsen, im Ofen geröstete Rote Bete mit Radiccio und Orange, eine sättigende Kartoffel-Panzanella, cremige Suppe aus Lauch und Blumenkohl mit Senf und Thymian, Gurke mit einem Dipp aus rohen Mandeln, Algen-Tapenade oder nach Berberart gewürzte Graupen.
Mich hat dieses Buch in Schwierigkeiten gebracht; ich konnte nicht aufhören zu kochen, entsprechend lang ist das, was jetzt kommt:
Es gibt viele Rezepte mit Graupen in diesem Buch. Nicht die geschälten Perlgraupen, sondern die vollwertige Variante. Ich habe ein Risotto mit Gerstengraupen und Erbsen ausprobiert. Die Erbsen bleiben zum Teil ganz, teils werden sie püriert, das macht alles schön grün und cremig. Für zusätzlichen Biss sorgt ein Topping aus gerösteten Nüssen. Das Ganze war nett, ich habe für zusätzlichen Geschmack noch etwas Sojasauce verwendet; mir hat ein wenig die Tiefe gefehlt.
Hugh Fearnley Whittingstall hat mich dazu gebracht, merkwürdige Dinge zu tun – Smoothies zum Beispiel sind eigentlich nicht meine Kragenweite; gar nicht. Die Overnight-Smoothies, die er sich ausgedacht hat, haben mich trotzdem gereizt. Dafür werden Zutaten über Nacht eingeweicht und wandern am nächsten Morgen in den Mixer. Der Bananen-Smoothie besteht aus über Nacht eingeweichten Mandeln und Haferflocken, tiefgefrorener Banane und Kakao. In den Orangensmoothie wandern Mandeln, eine Orange und Kardamom.
Auch Rohkost ist nicht so mein Fall; ich liebe Gemüse, esse es aber lieber gegart. Auch hier hat sich etwas getan – im Buch gibt es eine Auswahl an Gemüsetatars, die mich angesprochen haben. Dafür werden die Zutaten in der Küchenmaschine relativ fein gehackt. Das Rote-Bete-Tatar mit Erdnussbutter zum Beispiel ist genial; das Ganze hat eine schöne Konsistenz, ist durch die Erdnussbutter etwas cremig und mit Limettensaft, Koriander und Chiliflocken auch reizvoll gewürzt. In das marokkanische Karotten-Tatar wandern Salzzitrone, grüne Oliven, Koriander und Chili; auch das ist herrlich.
Auch eine tolle Idee: Blumenkohl, mit Currypaste eingerieben, als Ganzer im Ofen gegart und dann zum Essen in Stücke geteilt.
Während der Blumenkohl von alleine im Ofen schmurgelt, hat man Zeit, ein Dal aus roten Linsen zu kochen. Das wird mit Tomaten gegart und am Ende mit einer tradionellen Tarka aromatisiert. Dafür werden Gewürze in Öl gebraten – in diesem Fall noch zusätzlich mit Zwiebeln – und das Ganze kommt zum Servieren über die Linsen.
Ja, ich weiß – das sieht nicht schön aus. Das ist Mole mit Kürbis und Bohnen. Dafür werden Kürbis, Tomaten und Cashews im Ofen geröstet. Die Sauce wird mit Kakao gemixt und dann Kürbis und Bohnen nochmal gegart. Sieht nicht so aus – schmeckt aber hervorragend.
Sellerie – das hatte ich lange ein Trauma, mitverantwortet vom Selleriesalat meiner Mutter. Dass mich das herzhafte Bircher gereizt hat, kann man also gar nicht hoch genug würdigen ;-). Haferflocken, geriebener Sellerie, Nüsse, Rosinen und Apfelsaft vereinen sich zu einem harmonischen, sättigenden Salat, der noch dazu gut vorbereitet werden kann.
Mit einer ungewöhnlichen Kombination wartet diese Suppe auf: Fenchel, Linsen und Seetangs. Das ist schön aromatisch, leicht, und dank der Linsen trotzdem cremig.
Ein paar Komponenten für ein Abendessen: zunächst Bäckerkartoffeln mit Frühlingszwiebeln – dafür werden dünn gehobelte Kartoffelscheiben mit Frühlingszwiebeln und Gemüsebrühe im Backofen gegart; ein Gratin, wie es sein soll: oben knusprig, der Rest zart.
Dazu kann man noch etwas herzhaftes vertragen – im Ofen gebratene Tofuwürfel zum Beispiel. Superknusprig wurden die bei mir nicht, aber das Aroma stimmte dank frischer Kräuter und Knoblauch.
Und dann noch etwas Frisches: fein gehobelte Radieschen in einer mit Mohn angereicherten Vinaigrette; sehr einfach, aber dank der Radieschenscheiben und des Mohns doch etwas Besonderes. Hier geht es zum Rezept.
Die Rezepte sind gut nachvollziehbar; ich hatte keinerlei Schwierigkeiten. Die Zutaten sind gut erhältlich – Gemüse eben. Was man gut brauchen kann für die Umsetzung sind aber ein ordentlicher Mixer und eine Küchenmaschine mit Blitzhacker. Bei jedem Rezept ist angegeben, wieviele Personen davon satt werden. Oft gibt es auch noch Ideen für Variationen, das ist besonders toll.
Zu jedem Kapitel gibt es eine persönlich geschriebene Einführung, und auch zu jedem Rezept. Darin werden mal Küchentipps gegeben oder Zutaten erklärt oder es wird einfach nur erzählt, was HFW an dem jeweiligen Kapitel oder Rezept besonders mag.
„Ersatzprodukte“ bleiben draussen, HFW verlässt sich wirklich auf traditionelle Grundzutaten. Eine kleine Ausnahme, falls man das so sehen möchte: um cremige Gerichte und Konsistenzen zu erreichen, werden oft eingeweichte Mandeln oder Cashews verwendet anstatt Sahne oder ähnlichem.
Huch – jetzt hätte ich vor lauter Begeisterung beinahe vergessen, etwas über die Optik und die Aufmachung zu sagen. Das Buch ist im AT-Verlag erschienen, es ist also hochwertig verarbeitet. Und hübsch ist es auch: mattes Papier, ganzseitige Foodfotos, viele Grafiken, die alles etwas auflockern. Es macht Spaß, in dem Buch zu lesen. Und das Rezept-Layout ist praktisch und übersichtlich.
Fazit: Ganz kurz – kauft dieses Buch und esst mehr Gemüse. Das Buch steckt voller toller Ideen, alles, was ich ausprobiert habe, hat Spaß gemacht und geschmeckt. Man muss weder Vegetarier noch Veganer sein, um diesem Buch zu verfallen, die Ideen sind einfach umwerfend. Jeder wird Gerichte finden, die er mag und die es ihm ermöglichen, mehr Gemüse zu essen. Nicht aus Prinzip oder Pflichtbewußtsein. Sondern weil es schmeckt.
- Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
- Verlag: AT Verlag
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3038009924
- € 28,00