Kochbuch: Vegetarische Aromabibel | Karen Page

Von Magentratzerl

Was ich Euch heute vorstelle, ist kein Kochbuch im eigentlichen Sinne. Es ist ein Nachschlagewerk. Aber von vorn:

Karen Page ist eine renommierte Kochbuch-Autorin; unter anderem  hat sie für ihre Bücher den James-Beard-Award bekommen. Zu diesem Buch hier gibt es sozusagen einen Vorläufer, nämlich das Lexikon der Aromen und Geschmackskombinationen. Nun hat dem ersten Buch ein vegetarisches zur Seite gestellt.

Warum eigentlich? Natürlich hat sie als Kochbuchautorin ihr Leben lang gut gegessen; als Amerikanerin aus dem Mittleren Westen auch mit beachtlichen Portionen Fleisch. Dabei den Genuss in den Vordergrund gestellt, ohne sich Gedanken über gesundheitliche Zusammenhänge zu machen. Dann näherte sich ihr 50. Geburtstag und sie verlor ihren Vater und ihre Stiefmutter an den Krebs. Damit begann ein Denkprozess, und die Überlegung, dass man die gesundheitlichen Auswirkungen beim Essen nicht unberücksichtigt lassen sollte. Sie beschloss, sich vegetarisch und vollwertig zu ernähren – und hatte gewisse Schwierigkeiten. Die Listen mit den Dont’s wurden immer länger. Schließlich beschloss sie, sich daran zu orientieren, welche Lebensmittel im Vergleich zum Kaloriengehalt die meisten Nährstoffe liefern. Und sie begann auszuarbeiten, welche Kombinationen besonders gut schmecken – bei aller Gesundheit soll ja der Genuss nicht zu kurz kommen. Und das Ergebnis ihrer Arbeit liegt nun vor mir.

Ich fange mal ganz von vorne an. Da gibt es eine sehr ausführliche Einführung, die zunächst erklärt, wie dieses Buch entstanden ist. Aber das wisst Ihr ja nun bereits. Danach gibt es ein wenig Ernährungswissenschaften – genug, damit man sich informiert fühlt, aber nicht so viel, dass es einen verunsichert: es geht um optimale Zufuhr von Nährstoffen und vor allem darum, wie man aus den verwendeten Lebensmitteln den maximalen Geschmack herausholt. Die verschiedenen Geschmacksrichtungen (süß, sauer, salzig, bitter und umami) werden erklärt und auch, welche Auswirkungen Konsistenzen auf unsere Geschmackswahrnehmung haben. Eine Übersicht über die Geschichte des Vegetarismus gibt es auch. Und eine Liste, die mich ein wenig hat grinsen lassen – da geht es um Gelüste, und für die gibt es alternative Vorschläge. So soll bei Lust auf Butter vegane Margarine das Lebensmittel der Wahl sein. Das lasse ich jetzt mal unkommentiert.

Dann geht es los – Listen über Listen. Alphabetisch geordnet von Açai bis Zwiebeln sind Zutaten aufgelistet.  Das Ganze ist enzyklopädisch – es wird kurz erklärt, was die Zutat eigentlich ist. Dann gibt es ein Gechmacksprofil und ein Nährstoffprofil und es wird aufgelistet, welche Zubereitungsart für die jeweilige Zutat geeignet ist. Die eigentliche Liste schließlich umfasst nicht nur Geschmackskombinationen, sondern auch Zubereitungarten, Länderküchen oder besonders empfehlenswerte Gerichte. Bei vielen Zutaten gibt es außerdem eine Art „Best Of“, nämlich besonders empfehlenswerte Kombinationen.

Ich glaube, wir brauchen ein Beispiel. Ich picke mal Brokkoli heraus. Die Auflistung ist nicht kurz – eineinhalb Seiten nimmt der Brokkoli ein. Saison, Geschmacksprofil und Intensität des Geschmacks, gesundheitliche Vorzüge, Nährstoffprofil, botanische Verwandtschaften und vorgeschlagene Techniken machen den Anfang.  Die eigentliche Liste schlägt als geeignete Partner unter anderem Bohnenkraut, Nüsse, Orange und getrocknete Tomaten vor (da kommt mir direkt eine Idee…), sagt uns, dass Brokkoli sich gut in Suppen, Pastagerichten und Soufflés macht und schlägt als Best-Of-Kombinationen unter anderem Brokkoli-Mandeln-Zitrusfrüchte oder Brokkoli-Chilischoten-Knoblauch-Olivenöl vor. Und ja, das ist nur ein Bruchteil der Ideen.

Die Listen sind sehr übersichtlich kodiert: die Nährstoffdichte ist bei jeder Zutat mit einem farbigen Punkt markiert. Besonders empfohlene Kombinationen springen einem dank fett gedruckter Großbuchstaben ins Auge, bestimmte Gerichte oder Länderküchen sind kursiv gesetzt. Am Rand der Seiten findet man ein farblich codiertes alphabetisches Register.

Die Listen sind ausführlich und stecken voller Möglichkeiten. Es werden nicht nur Zutaten erwähnt, sondern auch viele Länderküchen, Zubereitungstechniken  oder Gänge sind mit Vorschlägen vertreten. Zutaten, die es in verschiedenen Varianten gibt, werden getrennt behandelt – so haben verschiedene Chilisorten jeweils einen eigenen Eintrag. Manchmal finde ich die Sortierung auch schwierig. Da gibt es Untergruppen, auf die muss man erst mal kommen. Also…nicht „Mandelmilch“, sondern „Milch, Mandel“. Aber es gibt Querverweise. Wenn man sich eingefunden hat, tut man sich leicht. Was es außerdem noch gibt – viele Kästen mit zusätzlichen Produktinfos, Rezepten und Küchentipps. Da gibt es zum  Beispiel  die unterschiedlichsten Salatdressings, Vorschläge, wie man Eier ersetzen kann, Infos über das Grillen von Gemüse oder Zubereitungstipps. Ich könnte noch ewig weitermachen…..

Ach so –  die Optik. Die ist übersichtlich. Die Listen sind in Spalten gehalten, man kann gut mit den Augen drüberscrollen. Die Zutaten sind farblich abgesetzt – jeder Buchstabe des Alphabets hat seine eigene Farbe bekommen-,  verschiedene Schrifttypen machen das Ganze etwas unruhig, haben aber einen Zweck; sie dienen der Gliederung.

Ich habe mich von den Listen inspirieren lassen und habe ein bisschen was gekocht. Ich habe einfach einen Blick in die Vorräte geworfen und verkocht, was grade da war.

Rosenkohl zum Beispiel. Da spuckte die Liste als Technik „Hobeln“ aus und als passende Zutaten Eier, Orange und Chiliflocken. Bei mir wurde daraus eine Frittata mit feingehobeltem Rosenkohl, die ich mit Chiliflocken und eingelegter Kumquat gewürzt habe.

Und ein Knollensellerie war auch noch übrig. Raspeln und rösten erschien mir als eine gute Idee. Und aus den passenden Lebensmitteln habe ich Apfel und Blauschimmelkäse ausgesucht. Heraus kamen Apfel-Sellerie-Puffer mit Blauschimmelkäse.

Eine große Menge Ricotta lungerte im Kühlschrank herum. Aubergine passt da gut, sagte die Liste. Tomate auch, und Oregano. Es ist eine der Stärken des Buches, dass es die Kreativität anregt. Ich wollte erst Crespelle mit einer Ricotta-Auberginenmasse füllen. Dann hatte ich doch keine Lust, Crêpes zu backen und dachte, och, eine Pastasauce wäre doch auch nett. Und schlussendlich wurden es Klößchen mit Ricotta, Aubergine, getrockneter Tomate und Oregano, die wir mit Begeisterung verputzt haben.

Toll sind auch die Listen mit besonders empfehlenswerten Kombinationen. Bei Endiviensalat sind das Zitrone, Knoblauch und Chiliflocken. Und genau damit habe ich den Salat auch sautiert.

Auf der Suche nach einer Idee für Spitzkohl stieß ich auf: hobeln, kurz sautieren, Ingwer und Sesam. Ok. Machen wir pfannengerührten Spitzkohle, angebraten mit Ingwer, fertiggestellt mit Sesamöl und Sesamsaat.

Fazit: Das kann ich kurz halten: dieses Buch gehört in jeden Haushalt. Und wenn Ihr nur ein Kochbuch haben wollt, dann nehmt Ihr bitte dieses. Die Listen, die Ihr findet, regen die Kreativität an, helfen ungemein beim Verwerten von Zutaten und beim Entwickeln von Rezepten und sind einfach eine ungeheure Inspiration.

  • Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
  • Verlag: AT Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN: 978-3038009450
  • 39,90