Ich muss Euch noch dieses Buch vorstellen, schnell, bevor der Winter noch vorbei ist und wir schon wieder Spargel essen. Der Gemüsewinter, ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber mir entlockt er so manchen Seufzer, wenn er Blick in die Abokiste fällt. Oh…..Petersilienwurzeln. Und Kohl. Ach und nochmal Pastinaken, gab es die nicht erst letzte Woche? Nicht, dass ich all das nicht mögen würde, aber manchmal fehlt es dann doch an Inspiration. Die Ideen sprudeln beim Sommergemüse deutlich flotter.
Aber es gibt ja Abhilfe….und die kommt in diesem Falle von Meret Bissegger. Die Schweizerin ist nicht nur eine leidenschaftliche Köchin, sondern versteht sich auch besonders gut auf Pflanzen. Lange Jahre hatte sie Restaurants, heute gibt sie Kochkurse, bewirtet Gäste mit Buffets, tritt im Fernsehen auf und engagiert sich für Slowfood.
Das Buch ist optisch sehr schön. Ins Auge fallen vor allem die vielen Fotos: Fotos von den Grundprodukten, Foodfotos, Fotos vom Gemüseanbau und von den Gemüsebauern, die Meret Bissegger besucht hat. Die Fotos sind realistisch und kommen ohne großes Beiwerk aus, setzen aber dennoch alles schön in Szene. Mir gefallen besonders die Farben – ich weiß nicht wie es Euch geht, aber ich habe immer im Hinterkopf, dass Wintergemüse eher in gedeckten Farben daherkommt – nun Gemüse und Essen im Buch sind bunt und machen richtig Lust, die Rezepte auszuprobieren. Das Layout ist übersichtlich und freundlich und die Ausstattung hochwertig.
Und jetzt zum Inhalt: das Buch ist mehr als ein Kochbuch: Meret Bissegger stellt mehr als 40 Herbst- und Wintergemüse vor; es sind auch alte und wenig bekannte Arten dabei. Zudem gibt es Reportagen über den Anbau der Gemüsesorten, es werden Kleinbauern, aber auch Großproduzenten vorgestellt, die die Gemüse anbauen. Auch wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge kommen nicht zu kurz. Auch in die Rezepte sind immer wieder kurze, interessante Hintergrundtexte eingestreut.
Das Buch startet mit einer Einführung zu ökologischer Landwirtschaft, Sorten, Züchtung und Saatgut sowie Erläuterungen zur Küchenpraxis. Dann geht es an den praktischen Teil, der “Pflanzenportraits und Rezepte” betitelt ist. Geordnet ist das Ganze nach botanischen Gruppen: es beginnt mit Roter Bete, Krautstiel und Mangold, geht weiter mit Kürbisgewächsen. Dazu zählt ausser zahllosen Kürbissorten auch die seltene Chayote. Dann kommen die Kreuzblütler: Kohl, Chinakohl und Asiasalate, Wirsing, Grünkohl, Blumenkohl, verschiedenste Rübensorten und Rettich, aber Knollenziest. Bei den Doldenblütlern finden wir Karotte, Pastinake, Petersilie und ihre Wurzel und Sellerie. Dann kommt ein kurzes Kapitel über Feldsalat, gefolgt von den Korbblütler Endivie, Zichorie, Wurzelzichorie, Schwarzwurzel, Topinambur und Kardy. Es gibt noch Lauch, Zwiebel und Knoblauch, Kastanien und Zuchtpilze. Ein abschließendes Kapitel ist den Gewürzen gewidmet – denn die spielen eine große Rolle in Meret Bisseggers Küche.
Jedes Kapitel startet mit einer kurzen Einführung zur jeweiligen Gemüsesorte: wir erfahren Wissenwertes über Anbau, Herkunft und Verwendung in der Küche. Es gibt immer auch einen Absatz, in dem passende Gewürze und andere Zutaten aufgelistet werden. Dann geht es an die Rezepte: die sind übersichtlich strukturiert und funktionieren anstandslos. Das Layout ist etwas ungewöhnlich, aber sehr praktisch: die Rezepte kommen in Spalten daher. links die Zutaten, rechts in derselben Zeile daneben die Zubereitung.
Die Rezepte gefallen mir. Meret Bissegger ist sehr sparsam mit Salz – die meist erwähnte “Prise” hat mir da oft nicht gereicht, ich war meist großzügiger. Ein kleines Problem sind so manches Mal die verwendeten Zutaten: Für die Gewürze reicht ein Gang in den Bioladen. Oder in den Asia-Shop des Vertrauens. Aber für manche Zutaten muss man dann doch in die Schweiz….Farina bona, Cigitt, so manche Gemüsesorte wie Kardy, das kann schon eine Herausforderung darstellen. Man muss halt eine wenig kreativ sein und für Ersatz sorgen.
Ich habe es schon erwähnt, der Rezeptteil wird abgeschlossen durch ein Kapitel über Gewürze: dort erfahren wir wichtiges über Gewürze und ihre Verwendung. Und Meret Bissegger stellt noch das vor, was sie “ethnische Gewürzkombinationen” nennt: Sie stellt landestypische Gewürzmischungen vor, mit denen man seinen Gerichten rasch einen Dreh Richtung Indien, Thailand oder Südamerika geben kann. Schließlich gibt es noch ein Glossar zu Zutaten und Geräten und ein sehr ausführliches Register nach Zutaten, Gerichten und Stichworten.
Es gibt viel zu lesen in diesem Buch – und viel zu kochen, also los:
Mein Verhältnis zu Kastanienmehl ist gar nicht mal das Beste – ich finde, es dominiert oft zu sehr. Die Kastanien-Blini musste ich trotzdem ausprobieren; ich brauchte mal Abwechslung von Töchterchens Pfannkuchen-Routine. Der Hefeteig für die Blini besteht aus Kastanien- und Buchweizenmehl, Weissmehl, Ei, Sauerrahm und Wasser – fluffige, aromatische Küchlein kommen dabei raus. Ich habe sie mit Salat und einem Rote-Bete-Dip gegessen, Töchterchen mit Zimtzucker und Apfelmus. Und Nutella. Alle waren zufrieden.
Panelle sind kleine Kichererbsenfladen mit Petersilienwurzel. Kichererbsenmehl wird mit geriebener Petersilienwurzel und Wasser nach Art einer Polenta gekocht. Das ganze wird auf ein Blech gestrichen, nach dem Auskühlen in Stücke geschnitten und in Olivenöl ausgebacken. Mit dem Ausbacken hatte ich etwas Schwierigkeiten; meine Fladen waren ein wenig bröckelig. Und etwas mehr Würze als nur eine Prise Salz hätte ich mir gewünscht.
SStaudensellerie mit rosa Grapefruit, einem einfachen Dressing mit Walnussöl und einer Hand voll Walnüssen für die Struktur – das ist ein toller Wintersalat, der nicht nur schmeckt, sondern auch Farbe auf den Teller bringt.
Die Pastinaken-Kartoffel-Vogelnester haben Ähnlichkeit mit Kartoffelpuffern, nur halt mit einem Anteil an Pastinake. Pur mag ich den süßlichen Geschmack von Pastinake nicht allzu sehr, aber in Kombination mit den Kartoffeln hat das Ganze gut geschmeckt. Besonders gut gefallen hat mir die Textur der Vogelnester – das Gemüse wird nicht geraffelt, sondern in Julienne geschnitten, so behalten die Puffer ihren Biss.
Die Kakao-Maltagliati mit Kürbis und Paprika sind in Buch deutlich besser fotografiert als bei mir. Geschmacklich waren die Nudeln aber top. Ich war etwas skeptisch, denn im Nudelteig ist nicht nur etwas Kakao, sondern auch ein Anteil Vollkornmehl. Das hatte ich noch nie für Pasta verwendet. Meine Bedenken waren unbegründet – der Teig ließ sich anstandslos verarbeiten und hatte einen schönen Biss. Und die Sauce stieß auch auf Gegenliebe.
Schwarzwurzeln mögen wir sehr; mein Mann liebt sie sogar mehr als Spargel. Auf dem Tisch stehen sie trotzdem selten, was wohl daran liegt, dass sie leider nicht mehr überall zu bekommen sind. Die Schwarzwurzeln in Weißweinsauce mit den Hirseburgern dazu haben uns gut gefallen; ich habe mich allerdings nicht so ganz an die Vorgaben gehalten; das Rezept sieht Schwarzwurzeln und Champignons als Gemüse vor. Ich habe dafür mehr Schwarzwurzeln genommen. Ach ja, und dann gibt es da noch diesen Küchentipp: Schwarzwurzeln erst nach dem Küchen schälen. Das habe ich vor Jahren mal gemacht – nie wieder! Das ist ganz furchtbar, da diese dünne Schale abzufieseln, die reinst Sysiphos-Arbeit. Ich schäle Schwarzwurzeln unter fließendem Wasser.
Topinambur und Fenchel à la greque – das löste keine Begeisterung aus. Für das Gericht werden Fenchel und Topinambur in Weißwein und zusammen mit Orangen- und Zitronenscheiben gegart. Dazu wird alles erst aufgekocht, dann bei starker Hitze ohne Deckel fertig gegart, bis der Wein verdampft ist. Leider hatte das Gericht ein recht starke Bitternote, was sicherlich an den bei starker Hitze mitgegarten ungeschälten Zitrusfrüchten lag.
Endiviensalat war in der Gemüsekiste. Da musste ich gleich noch den gebratenen Endiviensalat probieren. Der ist schnell hergestellt – man läßt die tropfnassen Blätter in der heißen Pfanne rasch zusammenfallen, drapiert den Salat auf einer Platte und gibt dann ein Dressing aus Zitronensaft, Olivenöl und Knoblauch darüber. Der Clou sind die Algenflocken, die über das fertige Gericht gestreut werden – Klasse!
Das Fazit fällt mir leicht: für mich ist das ein umfassendes, empfehlenswertes Standardwerk über Wintergemüse. Das umfangreiche Buch gibt nicht nur vorgefertigte Rezepte her, sondern auch zahlreiche Ideen für die kreative Verwendung von Wintergemüsen. Und die Grundsatzinformationen sind auch sehr interessant zu lesen.
- Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
- Verlag: AT Verlag September 2014)
- ISBN: 978-3038008286
- € 39,90