Ich bin keine Vegetarierin. Folglich auch keine Veganerin. Und im Grunde finde ich Fleischersatzprodukte nicht besonders prickelnd. Gelinde gesagt. Trotzdem….als mir aus dem Prospekt des AT-Verlages dieses Buch entgegenlachte, hat es klick gemacht. Eine vegetarische Metzgerei? Ein Buch, das es sich zur Aufgabe macht, klassische Fleischgerichte vegetarisch umzusetzen? Ich bin ich sehr neugieriger Mensch (also, selbstverständlich nur, was Essen angeht😉 ) und das Konzept hat mich interessiert.
Woher kommt das denn? Das kommt vom Haus Hiltl – Rekordhalter als ältestes vegetarisches Restaurant der Welt. Dem Restaurant angeschlossen ist seit 2013 eine Vegi-Metzgerei, in der Fleisch-Alternativen, Feinkost und kleine Mahlzeiten angeboten werden.
Gut, zugegeben. Nicht nur das. Es kommt bei mir nicht oft vor, dass mich die Fotos in einem (Koch)Buch derart anspringen, dass ich nicht um das Buch herum komme. In diesem Fall haben die Bilder von Sylvan Müller das geschafft. Dunkle Hintergründe, Reduktion auf das Wesentliche – keine Frage, bei den Foodfotos steht das Essen im Vordergrund, aber dennoch ist die Atmosphäre eine ganz eigene. Und dann gibt es da noch die Fotos von den Menschen – sagenhafte Charaktere im Metzgeroutfit, die blutige Dinge mit Gemüse anstellen. Brillant. Ja gut, ich hör schon auf. Im übrigen haben wir es – wie immer beim AT-Verlag – mit einem solide gearbeiteten Buch zu tun. Das Layout ist klar und übersichtlich. auf Hochglanz wurde verzichtet und ein Lesebändchen gibt es auch.
Fotos von Sylvan Müller ©Hiltl AG
So. Und jetzt zum Inhalt. Man kann sich ja berechtigtermaßen die Frage stellen….eine Metzgerei für Vegetarier, ist das wirklich nötig? Eine Antwort gibt Rolf Hiltl im Vorwort. Die Schweiz ist historisch gesehen ein Fleischland, so erklärt er, so dass auch Personen, die ihre vegetarische Ernährungsweise lieben, sich oft nicht vollständig von ihren kulinarischen Wurzeln lösen können. Ihnen soll die Möglichkeit geboten werden, zum Beispiel beim Grillabend mit Freunden nicht nur Gemüse, sondern auch eine “Wurst” auf den Grill zu legen.
Jetzt zu den Rezepten: die sind unterteilt in Vorspeisen, Hauptspeisen, Sandwiches, Snacks und Salate sowie Grill und Saucen. Präsentiert werden Klassiker der Schweizer und der internationalen Küche: Cordon Bleu, Wienerli mit Kartoffelsalat, Boeuf Bourgignon, Spaghetti Carbonara, Pad Thai, Paneer Tikka oder Currywurst. Das Fleisch und der Fisch werden durch eine Vielzahl von Produkten ersetzt: natürlich gibt es Tofu und Seitan. Es wird vergleichsweise oft Quorn verwendet, ein Produkt, von dem ich nicht weiß, wo ich es auftreiben kann. Auch vegetarische Wurst und Fischsorten kommen vor. Außerdem gibt es noch ein Kapitel mit Rezepten zum Herstellen von Tofu, Seitan und Paneer.
Die Rezepte sind gut strukturiert und funktionieren. Alles, was ich ausprobiert habe, hat uns geschmeckt. Ich muss allerdings gestehen, dass ich auf vegetarische Wurst verzichtet habe; ich habe Rezepte mit (Räucher)tofu, Seitan und Sojaschnetzeln gekocht. Teilweise habe ich den Einsatz bestimmter Zutaten nicht verstanden: dies ist ja kein veganes Kochbuch; es werden durchaus Eier und Milchprodukte verwendet. Warum dann immer auf vegane Reismayonnaise und vegane Saucencreme zurückgegriffen wird, habe ich nicht ganz verstanden.
Abgeschlossen wird der Rezeptteil durch ein umfangreiches Glossar und ein nach Zutaten geordnetes Register. Aber es gibt nicht nur Rezepte – auch drei sehr lesenswerte Essays warten. Bettina Weber erzählt, mit was für Vorhaltungen man als Vegetarierin auch heute noch leben muss, Stevan Paul mutmaßt, dass er der Tag kommen wird, an dem wir Fleisch nur noch im Museum finden werden und Dominik Flammer erzählt von Beute und Neugier.
Ihr wollt wissen, was wir gegessen haben? Also gut – fangen wir an.
Schinkengipfeli. Der “Schinken” besteht aus Räuchertofu, dazu gesellen sich Senf, Zwiebel, Knoblauch und Paprika edelsüß. Und “vegane Saucencreme” – ich hoffe mal es war wirklich Sojasahne gemeint. Alles in Blätterteig gewickelt und gebacken. Die richtige Rolltechnik für die Gipfeli hat sich mir nicht erschlossen…aber fein geschmeckt haben sie. Den größten Anteil hat mit größter Begeisterung mein carnivorer Sohn verdrückt.
Piccata sind ja im Original kleine Scheiben Fleisch, die in einer Ei-Parmesanhülle gebraten werden. Hier kommen Auberginen statt Fleisch in die Pfanne. Das hat uns gut gefallen. Und mit dem Vorschlag, dazu Spaghetti mit Tomatensauce zu servieren waren wir auch einverstanden
Stroganoff – klassische Zubereitung, allerdings wird das Fleisch durch Seitan ersetzt. Von der Aromatik her war das sehr schön. Bei der Konsistenz gab es leichte Abzüge; das lag aber vermutlich an dem von mir verwendeten Seitan – ich hatte Trockenware aus dem Asia-Shop; frischer ist sicher etwas geschmeidiger.
Ja, ich weiß. Das sind keine Hörnchennudeln auf dem Bild. Aber trotzdem – Hörnli und Ghacktes mit Sojahack, das ist unser Familienfavorit. Ich denke drüber nach, mir eine Packung Sojahack als Dauervorrat zuzulegen – es schmeckt und es hält sich eindeutig besser als Hackfleisch.
Ich habe keinen Aufwand gescheut, um Euch die Köttbullar präsentieren zu können😉 . Die Masse für die Klösschen wird nämlich aus Sojahack und Okara hergestellt. An Okara kommt man, indem man Sojamilch oder Tofu herstellt. So gab es mal wieder handmade Tofu hier. Meine Köttbullar waren dann nicht ganz so formschön, weil die Masse ein wenig weich war. Aber trotzdem – geschmeckt haben sie. Für mich war der eigentliche Knaller die Sauce: statt in der in Schweden üblichen braunen Sauce auf Mehlschwitzebasis gibt es eine Pilzsauce. Die ist toll – ich kann sie mir zu allem Möglichen vorstellen.
Und was sage ich jetzt? Vegetarier oder nicht – ob man sich mit Fleischersatz abgibt, das bleibt jedem selbst überlassen. Wenn man sich aber damit befassen möchte, dann ist dieses Buch eine gute Wahl. Man findet eine schöne Auswahl von Rezeptklassikern, die fleischlos interpretiert wurden. Ob ich tatsächlich mal Teryaki-Stirfry-Noodles mit veganem Entenfilet mache, weiss ich nicht. Aber Tofu Tikka Masala, das wird sicher mal auf dem Tisch stehen, ebenso wie die Quiche Lorraine mit Räuchertofu. Ach, und eine Zierde im Regal ist das Buch auch.
Das Buch gibt es in der Buchhandlung des Vertrauens, in allen Niederlassungen von Hiltl und natürlich im Hiltl Online-Shop.
- Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
- Verlag: AT Verlag
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3038008965
- € 49,00