Olia Hercules wurde in der Ukraine geboren. Sie lebte für einige Zeit auf Zypern, zog dann zum Studieren nach London. Später begann sie, ihr Interesse für das Kochen zu ihrem Beruf zu machen; unter anderem war sie Chef de Partie bei Ottolenghi. Heute schreibt sie Kochbücher, widmet sich dem Foodstyling und tritt hin und wieder im Fernsehen auf.
Olias Familie stammt ursprünglich aus Armenien. Als in den 1980er Jahren in Bergkarabach der Krieg ausbrach, musste die Familie zuerst ihr Sommerhaus aufgeben, dann aus der Region wegziehen und schließlich auch noch Aserbaidschan in Richtung Kiew verlassen. Für dieses Buch hat sich Olia Hercules auf eine Reise durch Georgien und Aserbaidschan begeben – auf den Spuren ihrer Herkunft.
Natürlich hat sie ihre Reise unter kulinarischen Gesichtspunkten unternommen, und so finden wir im Buch zunächst ein Kapitel mit vegetarischen Rezepten, eines, das mit Teig zu tun hat, sowie ein Kapitel für Rezepte mit Fleisch und Fisch. Man ist trinkfest in der Region und so wundert es nicht, dass es auch ein Kapitel mit Gerichten gibt, die einen Kater vertreiben sollen. Und natürlich finden wir auch Süßes. Die Kapitel tragen zum Teil malerische Namen wie „Mehl und Asche“ oder „Schmerz lass nach“ und in ihnen verstecken sich eine Menge reizvoller Gerichte. Da gibt es zum Beispiel Adschapsandali, ein buntes Ragout aus verschiedenen Gemüsesorten, das mit Schabzigerklee gewürzt wird. Wir finden einen Tomatensalat mit Himbeeren, die berühmten Teigtaschen Chinkali, einen herzhaften Kuchen auf Mürbteigbasis mit reichlich Estragon, Kutschmatschi, ein Ragout aus Hühnerherzen und Mägen oder auch Kiefernzapfensirup.
Die Rezepte sind gut beschrieben und problemlos nachkochbar. Eine Grenze bilden höchstens manche Zutaten – manche Wildpflanzen oder Käsesorten sind hier eher schwer aufzutreiben. Hier helfen nicht nur die Bezugsquellen am Ende des Buches, sondern auch die ausführliche Warenkunde – man bekommt Ideen, wie man die Zutaten ersetzen könnte. Ein wenig erstaunt hat mich, dass immerzu Meersalzflocken zum Würzen verwendet werden; ich nehme die höchstens für’s Finish.
Nun hat es eine Menge schöner Rezepte in diesem Buch, mindestens genauso wichtig sind aber auch die Geschichten die es erzählt. Olia Hercules hat viele Orte bereist, Menschen besucht, mit ihnen gekocht und gegessen. Sie erzählt in vielen kleinen Kapiteln die Geschichte dieser Menschen. Auch zu jedem Rezept gibt es eine kleine Einleitung, in der man Spannendes über das jeweilige Gericht erfährt.
Und es gibt sehr viele Fotos – nicht nur von den Gerichten, auch Menschen, Landschaften und Lebensmittel kommen nicht zu kurz. Im Übrigen ist das Buch hochwertig und hübsch aufgemacht: stabiles, glattes Papier, Fadenbindung, Lesebändchen – man blättert und liest gerne darin.
Ich habe mit Teigtaschen angefangen – oder auch mit gefülltem Brot. Das Rezept kommt aus Ossetien; es ist ein Hefeteig, für den viele verschiedene Füllungen vorgeschlagen werden. Ich habe mir eine kleine Abwandlung erlaubt; bei mir ist Wirsing statt Spitzkohl in die Füllung gewandert. Die Brote sind klasse – der Teig ist schön flaumig und die Füllung hebt die einfachen Zutaten (Kohl, Zwiebeln, Tomatenpüree) aufs Beste hervor.
Ostri, das ist ein georgischer Kantinen-Klassiker. Man braucht Rinderhaxe, aus der man zunächst ein eine Brühe kocht. Die Brühe wird eingekocht und es gesellen sich Tomaten, fermentierte Gurken, das Fleisch und Chili dazu – die Suppe ist gehaltvoll und scharf und einfach klasse.
Fischrezepte gibt es auch ein paar. Ich habe eines ausprobiert – wenn auch nicht ganz originalgetreu.Der Fisch wird mit zwei Saucen serviert: die eine besteht aus im Ofen geröstetem Blumenkohl, Schalotten und Pistazien. Die andere aus Koriandergrün, Chili, Knoblauch und Essig – meine Familie befand, das das eher für Fortgeschrittene ist ;-). Das Rezept verwendet dicke Seehecht-Filets; ich hatte in der Tiefkühle noch Scholle gefunden.
Nochmal Blumenkohl – diesmal als „Steak“ geschnitten und mit einer üppigen Mischung aus Ei und Käse überbacken. Das hat uns Spaß gemacht und kommt bestimmt noch öfter auf den Tisch.
Die Verwendung mancher Zutat hat mich überrascht. Schabzigerklee gehört dazu; den habe ich eher nach Südtirol verortet. Aber auch mit dem großzügigen Einsatz von Estragon habe ich nicht gerechnet. Wobei mir das sehr entgegen kommt; ich liebe Estragon. So nimmt es auch nicht Wunder, dass die Estragonsuppe sehr gut ankam. Die Suppe ist ebenso einfach wie aromatisch. Außer Estragon sind noch Kartoffel, Paprikaschoten, Reis und Ei drin.
Fazit: wer sich auch nur ein bisschen für die Esskultur des Kaukasus interessiert, der wird an diesem Buch seine Freude haben. Es liefert uns nicht nur wunderbare Rezepte, sondern auch viele spannende Geschichten und erlaubt uns einen Einblick in Leben und (Ess)kultur eines Landstriches, den viele von uns leider nur aus traurigen Schlagzeilen kennen.
- Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
- Verlag: Knesebeck
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 978-3957281494