Klobehindert

|Alltägliches| - Für welche Toilette entscheidet man sich?


Die Vorgeschichte

„Mama, was heißt das eigentlich, wenn man klobehindert ist?“ Ich studiere das Gesicht meines Sohnes, doch es scheint eine ernstgemeinte Frage zu sein, also hacke ich nach: „Woher hast Du diesen Begriff?“
Es stellt sich heraus, dass eine der Toiletten in der Schule, in der mein Sohn samstags immer Fußball spielt, so gekennzeichnet ist, wie es dieses Bild zeigt.
rund um Behinderung
Nun versuche ich, ernste Miene zu bewahren. Na ja – letztendlich kann ich einem Lächeln über die Herausforderungen der deutschen Sprache und der zusammengesetzten Wörter nicht widerstehen, entschließe mich dennoch, das Missverständnis als einen Anlass zum Gespräch zu betrachten.

Begriffe – Der Teufel steckt im Detail, oder?!

Vor langer Zeit habe ich "Sonder- und Heilpädagogik" studiert. So hieß mein Studienzweig damals. Heute trägt er die Bezeichnung "Heilpädagogik und Inklusive Pädagogik". Mir persönlich gefällt dieser Begriff gut, denn er stellt alle Menschen mehr ins Zentrum der Gesellschaft und sondert sie nicht aus.
In einer der Vorlesungen, die ich im ersten Semester besuchte, ging es um Begriffe. Ich verstand damals die Aufregung um Bezeichnungen, die heute als politisch inkorrekt gelten, nicht so recht. Na ja, ich war damals erst seit kurzem in Wien und die Feinheiten der deutschen Sprache waren mir noch ziemlich fremd. Es stand mir eine lange Entwicklung bevor ;)
Doch einer der genauso umstrittenen Begriffe ist für mich das Wort „normal“. Mit diesem Ausdruck habe ich so meine Schwierigkeiten, denn es ist schwer, es an etwas festzumachen. Was gilt als normal? Wer ist normal? Möchte ich als "normal" betrachtet werden? Zeitlang habe ich versucht, irgendeinen Menschen als Vorbild für diesen Begriff zu nehmen – aber scheinbar misstraue ich der menschlichen Natur viel zu sehr, als tatsächlich jemanden zu finden. Und ich war auch nicht sehr erfolgreich, als ich es mit mir und meiner Familie versuchte.
Behinderung Begriff
Stelle ich mir nämlich vor, auf der Tafel neben der Toilettentür würde „klo-normal“ stehen, so weiß ich immer noch nicht, ob ich nicht zögern würde, diese Tür aufzumachen. So, wie es übrigens auch die kleinen Fußballspieler tun. Auch sie suchen das Örtchen mit der Bezeichnung „klobehindert“ nicht so gerne auf – allerdings ist es die einzige Toilette in ihrer Garderobe. Manchen Familien bleibt also nichts anderes übrig, als sich anschließend an das Training sehr schnell nach Hause zu beeilen.
Habt Ihr jetzt das Gefühl in dem erwähnten Beispiel würde es sich um eine Schule handeln, die überhaupt kein Herz für Schüler mit körperlichen Beeinträchtigungen hat? Dem dürfte es gar nicht so sein. Das Gebäude ist angepasst, die Schule großteils barrierefrei. Das menschliche Bedürfnis nach Bewegung wurde wahrgenommen und für alle Schüler an der Schule umgesetzt. Nicht in jedem Schulgebäude findet man solche Voraussetzungen.
Die Bezeichnung auf der Klotür war vermutlich zum Zeitpunkt des Umbaus die standardisierte Ausgabe. Das macht es natürlich nicht besser – was ich Euch zu vermitteln versuche, ist, dass sich die Grenzen manchmal viel mehr in unseren Köpfen abspielen, als wir es glauben möchten. Hier gilt es anzusetzen. Die Veränderung und zeitgemäße Anpassung der Begriffe geht damit Hand in Hand.

Fazit:

Was die Bezeichnung „normal“ betrifft, so denke ich, dass sie manchmal sehr idealisiert betrachtet wird. Normal heißt weder gesund noch durchschnittlich. „Normal zu sein“, kann man auch so verstehen, das man so ist, wie man eben ist. Und wir Menschen sind schon sehr unterschiedlich, unsere Begabungen sind vielfältig und wir alle haben mit unterschiedlichsten Herausforderungen und Beeinträchtigungen im Alltag zu kämpfen. Und diese Buntheit sowie der Umstand, dass es so sein darf, sind eigentlich etwas Schönes.
Wollt Ihr wissen, wie das Gespräch mit meinem Sohn weiter verlief?
Ich bat ihn, sich einen Begriff auszudenken, der mehr geeignet wäre als "klobehindert". Zunächst frage er mich, was denn Besonderes an diesen Toiletten wäre. Dann überlegte er. Die Antwort kam nicht sofort, aber sie kam. Und es war eine gute Antwort.
Begegnet Ihr in Eurem Alltag immer noch Begriffen, die diskriminierend sind?

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