Ein Klettersteig sollte es mal sein. In Kletterhallen waren wir schon öfter unterwegs, und zumindest die Kinder und ich hatten dabei auch richtig viel Freude. Aber Anita macht Höhe schon etwas aus - und trotzdem wollten wir zu viert diese Traumschleife Klettersteig bei Boppard am Rhein angehen.
Am Vormittag fuhren wir die halbe Stunde nach Boppard und als allererstes zur Aral-Tankstelle an der Koblenzer Straße. Dort hatten wir für uns alle die Klettergurte reserviert. Für 5 Euro Leihgebühr und 20 Euro Pfand kann man diese dort nach Vorlage eines Ausweises ausleihen.
Sicherheit geht vor - vor allem natürlich mit Kindern ist es wichtig, dass man zuerst an die Sicherheit denkt. Geübte Klettersteig-Geher benötigen gewiss keine Gurte.
Wir fuhren auf einen Parkplatz hinter den Bahnschienen, der nette Tankstellenmitarbeiter verriet uns, dass das Parken dort kostenlos sei. Mit etwas Glück fanden wir auch einen Platz. Bei Sonne und angenehmen Temperaturen schnappten wir unsere Gurte, die Rucksäcke mit der Verpfegung und den Regen-Ponchos und machten uns auf den Weg.
Vorbei am Restaurant Anders, welches sehr interessant ausssah, gingen wir entlang dem RheinBurgenWeg, kleine Pfade, zwischen Zäunen und Hecken hindurch und stetig bergan Richtung Klettersteig.
Ca. 5 Minuten später dann das Schild.
Der Klettersteig beginnt. Unsere Klettergurte haben wir dort angelegt und festgezurrt, die Kinder in unbändiger Freude, Anita mit einigem Respekt und ich frohen Mutes. Die Gurte sind wie normale Indoor-Klettergurte, nur zusätzlich versehen mit zwei starken Seilen und großen Karabinern daran.
Wie in einem Hochseilgarten kann man sich hiermit sicher fortbewegen, ohne die Sicherung ganz vom Drahtseil abmachen zu müssen.
Als erstes eine kurze Treppe - aber senkrecht nach unten. Das ist ein schöner Einstieg, man weiß gleich, was hier los ist, nämlich Überwindung und Mut auf der einen Seite und Freude über das Erreichen eines jeden Punktes, den man erklettert hat.
Apropos Punkt: an vielen Stellen im Klettersteig gibt es numerierte Notfall-Punkte. Im Falle eines Unfalls oder einer unüberwindbaren Angst-Attacke kann man so der Rettung einen genauen Punkt angeben, wo man sich befindet. Der Handy-Empfang war an allen Stellen vorhanden.
Da Anna-Lena vor einem Jahr im Indoor-Hochseilgarten in Füssen so ihre Probleme hatte, war ich etwas skeptisch - aber um es mal voraus zu nehmen: sie hat es richtig gut gemacht und ist, genau wie ihre Schwester, ohne Probleme durchgekommen.
Man hat an den schwierigsten Stellen immer die Möglichkeit, die Kletterstellen zu umgehen.
Es folgen Leitern, Trittbügel im Fels und meistens das Drahtseil zum Sichern und/oder Festhalten, schmale Pfade bis zur nächsten Kletterstelle und schließlich die schwierigste Stelle.
Auf diese möchte ich ein wenig länger eingehen. Schaut man sich die Felswand an, nahezu senkrecht nach unten und oben gehend mit den Trittbügeln in angenehmem Abstand in den Fels gehauen, der Drahtseil-Handlauf dadrüber - das jagt dem Höhenängstlichen schon erstmal einen richtigen Schrecken ein. Der Gedanke: „Das schaffe ich nicht!" schießt in den Kopf. Anita hatte genau diese Gedanken als erstes und sie hatte zusätzlich das, was man am allerwenigsten in diesem Augenblick braucht: Druck.
Druck nicht wegen uns, sondern deswegen, weil jemand auf der anderen Seite wartete, um diese Stelle auch zu passieren. Folgerichtig ging Anita zurück und ließ den „Gegenverkehr" durch. Es dauerte dann noch ein wenig - aber für uns war das total ok, schließlich wollten wir zu viert weitermachen.
Anita traute es sich! Total mutig querte sie die senkrechte Wand, sicherte sich routiniert und stand kurze Zeit später bei uns. Wir waren sehr sehr stolz auf sie.
Wie sie uns dann berichtete, hatten die beiden Gegenverkehr-Wanderer sehr aufmunternde und motivierende Worte für sie gefunden.
Dieses ist wirklich die schwierigste Stelle des gesamten Klettersteiges.
Es folgte noch eine Felswand, an der man merkte, dass Wanderschuhe Grundvoraussetzung ist im Klettersteig.
Hier musste man schon ein-zweimal schauen, wohin mit den Füßen, um weiter zu kommen. Keine Schwierigkeit für die Mädels und wir kamen auch richtig gut hoch.
Einige Impressionen von der Strecke:
Ach und dann: Etwas neben oder mitten in dem letzten Kletterstück war tatsächlich ein Geocache versteckt - na, den mussten wir natürlich holen. Näheres dazu natürlich nicht, das müsst ihr schon selbst finden
Zwischendurch bietet sich immer wieder dieser wunderbare Blick auf den Rhein, Boppard, Filsen, Kamp-Bornhofen und den Bopparder Hamm. Mit rund 75 Ha ist dies die größte Weinanbau-Lage am Mittelrhein.
Die größte Schleife des Rheins ist auch genau hier, fantastisch anzusehen und ein tolles Foto-Objekt.
Aber auch die Natur unterwegs ist sehenswert, nicht nur Steine und Felsen, nein. Hier und da eine Echse, die manchmal trotz Fotografen um sie herum die Sonnenstrahlen genießt, die Fingerhüte und anderen farbenfrohen Blüten, klein oder groß, die verschiedenen Bäume, die sich je nach Höhe verändern und natürlich das Wolkenspiel.
Ja, die Wolken. Am Anfang war da die Sonne mit ein paar - zugegeben dunklen - Wolken. Mit der Zeit wurden das eher Wolken mit ein bisschen Sonne. Und schließlich wurde es - zum Glück, als wir die Kletterpassagen hinter uns gelassen haben - zu Wolken mit viel Regen. Die Kinder streiften ihre Regen-Ponchos über, schon am Keltenwall hatten diese sie gut trocken gehalten. Wir Großen begnügten uns mit Softshell- und dünner Radler-Jacke, der Regen war nicht zu kalt.
Schmale Pfade durch den Wald folgten, wir nutzten das manchmal dichte Blätterwerk über uns, um nicht allzu nass zu werden. Dann waren wir angekommen am Ende (oder Anfang, je nach Einstieg) des Klettersteiges. Dieser befindet sich natürlich irgendwo oberhalb von Boppard - da wir sonst gern Rundwege gehen, waren die Kinder aufgrund des Wetters nun ein wenig demotiviert, schließlich sollten wir nun noch den Rückweg antreten.
In der Schutzhütte an der Engelseiche ruhten wir uns ein wenig im Trockenen aus und motivierten die Kinder, doch weiter zu gehen, mit der Aussicht auf etwas Warmes zu essen nicht weit von hier.
Vorbei an einem imposanten Mountain-Bike-Parcours, an Köhler-Hütten und diesen tollen Schnitzereien gingen wir zum Vierseen-Blick. Hier gibt es ein kleineres Restaurant, das hatte allerdings warme Speisen nur von 12 Uhr bis 14 Uhr, und der Gang zur Terrasse war nicht sehr einladend, somit gingen wir weiter zur Gaststätte am Gedeonseck. Von hier hat man den wohl schönsten Blick auf die Rhein-Schleife.
Gegessen haben wir hier dann auch, unter einem großen Sonnenschirm, der heute zum Regenschirm umfunktioniert wurde. Die freundliche Bedienung war sehr bemüht, die Tische und Stühle wieder trocken zu bekommen für weitere Gäste. Direkt am Geländer sitzend, mit tollem Blick auf die Rhein-Schleife, verweilten wir hier ein wenig, bevor wir den steinigen Abstieg unterhalb des Sessellifts begannen.
Die Fahrt mit diesem dauert ca. 20 Minuten, so lange benötigt man auch in etwa zu Fuß bis runter.
Es sei denn, man macht immerzu Pausen, weil wieder etwas fotografiert werden muss... 😀
Aber selbst die Kinder haben sich daran bereits gewöhnt. Wir kamen wieder trocken am Parkplatz an, entledigten uns der Gurte, brachten sie wieder an die Tankstelle zurück, die Kinder erfreuten sich an einem Eis und dann begaben wir uns wieder auf den Heimweg.
Bewertung
(1 - ganz leicht/kurz -5 - sehr schwer/anspruchsvoll/lang)
Schwierigkeit: 4 (11 Kletterstellen, 10 Leitern, 130 Trittbügel, 180 Meter Drahtseil)
Wetterabhängigkeit: 4 (bei Regen nicht empfehlenswert)
Kindertauglichkeit: 3 (für fitte Kinder ab 9 Jahren mit Sicherheitsgurt empfohlen)
Fitnesslevel: 3-4 (je nach Geschwindigkeit, die man geht)
Zeitintensität: 2 (wenn man durch geht, ist es schnell geschafft 😉 )
Einkehrmöglichkeiten: 3 (nach dem Klettersteig am Vierseenblick und am Gedeonseck oder im Tal in einem der vielen Restaurants Boppards)
Gesamtbewertung: Ein super Klettersteig, um seine Toleranz gegenüber Höhenangst und Schwindelfreiheit zu testen. Da die schwierigsten Passagen umwandert werden können, ist auch ein Ausstieg mittendrin möglich. Kinder (laut Flyer ab 9 Jahren) mit gewissem Mut oder Erfahrung fühlen sich hier sehr wohl. Das Angebot, das Geraffel auszuleihen ist gerade für Ungeübte, Ängstliche oder Kinder sehr wichtig. Im Restaurant Gedeonseck wurden wir freundlich und gut bewirtet.
Weitere Berichte zum Klettersteig:
Das Thema Höhenangst oder auch Höhenschwindel hat Angelica in ihrem Blog WandernBonn thematisiert. Auch sie ging den Klettersteig ein paar Tage vor uns. Ihr Bericht: Der Mittelrhein-Klettersteig in Boppard
Der Flyer zum Klettersteig von Boppard-Tourismus.de und die Seiten dazu: Frei wie ein Vogel und Mittelrhein-Klettersteig Tour, hier kann dieser Klettersteig nach vorheriger Anmeldung bei der Tourist-Information Boppard mit einem Führer geklettert werden.