Am 6. Juni 2014 weckte eine Nachricht des MDR Thüringen (Mitteldeutscher Rundfunk) die Aufmerksamkeit des Freigeistes. In dieser Nachricht wurde u.a. auch Bezug auf ein Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni d.J. Bezug genommen: “Die Thüringer Landesregierung ist zu Verhandlungen über höhere Zuschüsse an freie Schulen Träger bereit.” Das habe Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht nach einem Treffen mit Spitzenvertretern der beiden großen Kirchen im Freistaat bekundet.
Weiter heißt es in dieser Nachricht: “Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hatte am 21. Mai die Kürzungen der Landeszuschüsse für freie Schulen für verfassungswidrig erklärt, dies aber lediglich mit Formfehlern begründet.”
Aber das ist eine Irreführung der Medienkonsumenten, und zwar eine Irreführung im Sinne des Klerus! Denn über Kürzungen hatte das Verfassungsgericht nicht zu befinden, sondern nur über die Verfassungmäßigkeit des “Thüringer Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft” (ThürSchfTG) vom 20. Dezember 2010.
Das Gericht konnte hier nur eine “teilweise Verfassungswidrigkeit” erkennen und zwar mit Bezug auf Artikel 26 (2), der da lautet: “Schulen in freier Trägerschaft als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Landes. Genehmigte Ersatzschulen haben Anspruch auf öffentliche Zuschüsse. Das Nähere regelt das Gesetz.”
In dem geltenden Gesetz heißt es in “§ 18 (8) Staatliche Finanzhilfe zu den Personalkosten und dem Schulaufwand”:
Die Landesregierung wird ermächtigt, die Einzelheiten der Berechnung für den Personalkostenanteil nach Absatz 4, die Ermittlung des Sachkostenanteils nach Absatz 5, die Anrechnungseinzelheiten nach Absatz 7 sowie Einzelheiten zur Auszahlung und Verwendungsnachweisführung nach Anhörung der freien Schulträger und im Benehmen mit dem für das Schulwesen zuständigen Ausschuss des Landtags durch Rechtsverordnung zu regeln.
Lediglich dieser Passus wurde vom Verfassungsgericht in dem Sinne beanstandet, daß nach der Verfassungsvorgabe (“Das Nähere regelt das Gesetz.”) die Landesregierung Einzelheiten nicht durch ministerielle Rechtsverordnungen regeln dürfe, sondern daß auch die Regelung der Einzelheiten per Gesetz durch den Landtag zu geschehen habe.
Wer oder was sind die “freien Schulträger”?
Weiter fällt wieder einmal auf, daß sich die bischöflichen Damen und Herren als DIE Fürsprecher der “Schulen in freier Trägerschaft” gefallen.
Und so hieß es bereits am 21. Mai, also am Tage des Urteils der Thüringer Verfassungsrichter auf der Internetpräsenz des katholischen Bistums Erfurt(!!!):
Landesarbeitsgemeinschaft der freien Schulträger veranstaltet Parlamentarischen Abend im Thüringer Landtag
Erfurt. Heute, am 21. Mai findet im Thüringer Landtag – erstmals veranstaltet von der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Schulträger – ein parlamentarischer Abend statt. Dieser will auf die Anliegen der Schulen in freier Trägerschaft aufmerksam machen. Die Träger der einzelnen Schulen haben Gelegenheit, sich den Abgeordneten des Landtages vorzustellen, so die Sprecher der LAG.
Nachfolgend veröffentlichen wir als PDF-Datei die Informationen und Erwartungen der LAG freier Schulträger in Thüringen zum Parlamentarischen Abend im Thüringer Landtag.
Oh, das ist aber schnelle Lobby-Arbeit… Man will eben den gewählten Volksvertretern fordernd auftragen, was diese zu beschließen haben…
Schaut man sich die LAG freier Schulträger mal etwas genauer an, so kann man feststellen, daß diese LAG wohl nichts anderes als eine scheinbar wertneutrale Fassade der klerikalen Schulträger ist. Hinter solch einer Fassade lassen sich ja Eigeninteressen sehr gut verstecken… Als “Koordinatoren” werden in allen LAG-Veröffentlichungen stets nur Ordinariatsrat Winfried Weinrich (für die katholische Kirche) und Marco Eberl benannt. Daß letzterer den Titel Kirchenrat trägt und Chef der evangelischen Schulstiftung ist, das wird verschwiegen.
Und es fällt sehr deutlich auf, daß bei allen öffentlichen Verlautbarungen zum Thema (das betrifft auch die Leitung der LAG) nie die Rede von wirklich freien Schulträgern ist, daß diese sich nicht mit Beschwerden an die Politik und Medien wenden, daß Vertreter dieser Träger keine LAG-Erklärungen mitunterzeichnen. Dabei gibt es doch auch in Thüringen in nicht geringer Zahl Waldorf-Schulen, Montessori- und Jenaplan-Schulen, freie Alternativschulen und weitere nichtklerikale Täger und Initiativen…
Nicht vergessen werden sollte bei dem Thema niemals, daß sich Schulen in sogenannter freier Trägerschaft aus drei Quellen finanzieren sollen und müssen: Eigenmittel des Trägers, Schulgeld der Eltern und erst zuletzt öffentliche Zuschüsse. Zuschüsse und nicht Vollfinanzierung durch den Staat! Wobei die klerikalen Träger, wie bei allen ihren Unternehmungen aber grundsätzlich davon ausgehen, daß die Allgemeinheit diese Unternehmungen voll zu finanzieren hat, daß die Allgemeinheit aber inhaltlich nichts zu sagen hat. Wobei klerikale Schulträger in erster Linie nur eines wollen und zwar auf den Punkt gebracht: die ideologische Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen.
In der Nachricht heißt es dann weiter – und dies soll nicht weiter kommentiert werden – über eine anmaßende Aufforderung zum Rechtsbruch:
Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, mahnte zugleich, den Religionsunterricht an staatlichen Schulen mit Fachkräften sicherzustellen. So gebe es z.B. in dem Teil Ost-Thüringens, der zum Bistum Dresden-Meißen gehört, derzeit keine staatlichen Mittel für die bei der Kirche angestellten Religionslehrer, weil ihre Zahl aufgrund der geringen Schülerzahlen unterhalb der Mindestquote für eine Förderung liegt…
Die Trennung von Kirche und öffentlichen Medien ist mehr als geboten
Ähnlich wurde zwar auch in den Thüringer Tageszeitungen berichtet, aber bei weitem nicht so klerusfreundlich wie beim Thüringer MDR. Warum? Nun, der Freigeist googelte und stieß dabei auf folgende Informationen:
Werner Dieste – Direktor LANDESFUNKHAUS THÜRINGEN – wurde am 27. April 1957 in Anröchte (Kreis Lippstadt, Nordrhein-Westfalen) geboren.
Von 1979 bis 1981 absolvierte Werner Dieste eine studienbegleitende Journalistenausbildung am “Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses” in München.
Von 1984 bis 1990 war er als Assistent des Geschäftsführers im “Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses” in München bzw. später als Studienleiter für studienbegleitende Journalistenausbildung tätig.
In den Jahren 1990 und 1991 arbeitete Werner Dieste als Redaktionsleiter Kip-NRW (“Kirche im privaten Hörfunk-Rahmenprogramm Nordrhein-Westfalen”) Essen.
Seit Oktober 2001 ist Werner Dieste Direktor des MDR LANDESFUNKHAUSES THÜRINGEN.
Übrigens, was da als “Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses – ifp” so wertneutral firmiert… das ist nichts anderes als die deutsche katholische Journalistenschule. Auf der ifp-Homepage heißt es dazu:
Getragen wird das ifp von der Deutschen Bischofskonferenz. ‘Die Besonderheit des Instituts liegt in seinem kirchlichen Charakter. Aber auch hier heißt der Auftrag: Journalistenausbildung’, das hat der erste Direktor, der Jesuitenpater Wolfgang Seibel, dem ifp ins Stammbuch geschrieben.
Nun, das heißt wohl nichts anderes, als daß hier Sprecher (Für-Sprecher) für den Klerus in den Medien ausgebildet werden. Und nicht mal so sehr für kirchenureigene Medien…
Achso, auch das erfährt man im Internet: MDR-Funkhaus-Direktor Dieste ist nebenbei noch Mitglied des…
…des Stiftungsbeirates der “Katholischen Schulstiftung im Bistum Erfurt”.
Und so fügt sich letztlich alles harmonisch zusammen: So wenig wie es eine realisierte Trennung von Staat und Kirche in Deutschland (und im “Freistaat” Thüringen) gibt, so wenig gibt es hierzulande eine Trennung von Kirche (Klerus) und öffentlich-rechtlichen Medien… Da braucht man sich dann auch nicht mehr über tendenziöse Berichterstattungen (um nicht zu sagen “manipulierende”) wundern.
Siegfried R. Krebs
Zu den “freien Schulträgern” siehe auch diesen Beitrag.
[Erstveröffentlichung Freigeist Weimar]