Drei größere der kleinen Reisen waren es im vergangenen Jahr. Zwei Trips ins Neue, eine „längere“ Auszeit im durchaus Bekannten mit … neuen Erfahrungen. Türkei, Kalabrien, Lanzarote. Der Dalai Lama habe ja gesagt, einmal im Jahr solle man (mindestens?) einen Ort besuchen, an dem man noch nie war. Wie überaus richtig. Bis zur Jahresmitte hatte ich mir zwei geschenkt, und noch dazu zwei Reiseziele, auf die ich von selbst gar nicht gekommen wäre. Das sind die schönsten und wunderbarsten Überraschungen. Sowohl die stillen Tage in der türkischen Ägäis im April als auch die belebend-wilden kalabresischen im Juni hätte ich mir kaum einfallen lassen ohne Freundinnen, die sie mir ermöglicht haben. DANKE, DANKE und nochmal DANKE.
Das erste Halbjahr 2015: Bei Freund(inn)en zu Gast
Nirgends ist es blauer als in der Ägäis
Zwei wunderbare einwöchige Auszeiten, jeweils eingerahmt davor und danach vom Arbeitsrhythmus, dehnten sie sich doch in der Länge des Staunens über Unerwartetes, prägen meine dankbare Erinnerung an 2015. An Gespräche und Begegnungen, das Wunder der Vorsaison, die Wunder der Freundschaft. Ja, und tatsächlich: Ich hatte die Türkei als Reiseziel so gar nicht auf dem Schirm, höchstens Istanbul. Und dann dieses Geborgenheits-Gefühl bei Elke und Mehmet!
Domizil Lina-Art: Bei Elkelina und Mehmet Gastlichkeit genießen
Kalabrien war auch nicht wirklich auf meiner Liste, aber Felicitas musste ich glauben. Selbst ihre Warnungen vor Schlaglöchern, lauten Stimmen und sonstigen Dingen, die Frauen an den Rande des Nervenzusammenbruchs bringen, erwiesen sich als wahr. Und es war toll, selten habe ich eine Reise von ein paar Tagen als so lange, so erlebnisreich, so vitalisierend empfunden. Hach, die Vulkane, ach, die Freundin.
Wildes Kalabrien, droben auf dem Hügel: Ti amo
Lieblingsbank der Gastgeberin: Dahinten schnaubt der Stromboli
Im ersten Halbjahr 2015 habe ich erfahren, wie wunderbar es ist, ein Spielbein und ein Standbein zu haben. Zuhause der Hafen, in der Liebe, im Job, draußen die Welt, in die ich eintauchen kann. Von Farben und Geborgenheit empfangen. Grazie. Teşekkür. Danke.
Auch dies:
- Ich will noch soviel mehr von der Türkei sehen. Bei Elkelina und Mehmet einkehren, wieder… und dann größere Runden drehen, den Mann Zuhause begeistern, dass er sie mit mir dreht.
- Kalabrien ist mir gerade im bodenverhaft-Wilden so nahe gekommen. Ich wollte ohnehin schon 2015 am liebsten Felicitas dort in der Karwoche heimsuchen, da mich das opulente Brauchtum interessiert. Es hat nicht sollen sein. Im neuen Kalender 2016 wird die Karwoche sanft umkreist. Vielleicht?
Sommerhitze (Realität), Sommerfrische (Sehnsucht)
Sommerfrische: Sehnsucht nach Estland
Und dann kam dieser sehr, sehr heiße Sommer. Und auch, wenn es ein Privileg ist, die Schulferien im Sommer den anderen zum Reisen zu überlassen, weil man ausweichen kann, flatterten meine Phantasien in der anhaltenden Hitze der Großstadt um das Wort „Sommerfrische“. Etwas, was man früher tat bei ausreichendem Wohlstand, am besten als Künstler, der es zu diesem gebracht hatte. Mit großen Gepäckstücken für Wochen an den immer gleichen Ort am Wasser fahren, dicke Bücher mitnehmen, die man schon immer mal lesen wollte und in einem wohlverdienten Müßiggang eine kreative Auszeit sehen. Und so, wie der Sommer war, hätte es gerne eine längere Auszeit in Estland sein können, dem Land, das im Sommer weiße Nächte und milde Tage bietet und noch in den entlegensten, urigen Wäldern neben frischer Luft auch Internetzugang.
Träume für die Zukunft:
- Noch viel mehr vom Baltikum möchte ich sehen, abgelegene Pfade in kleinen Ländern, Meerluft riechen und den Duft des Holzes. Und all dies, die wunderbare Bullerbü-Atmosphäre, irgendwann einmal, wenn ich darf, einem Enkel zeigen.
Im Sommer 2015 harrte ich aus, ließ in vorüber dampfen. Denkwürdig, das Wochenende, an dem wir uns aufmachten durch den Taunus, niedrigere Temperaturen suchend. An der Anzeige im Auto begeistert registrierend, wenn die vermeldete Außentemperatur kurz, in hochgelegenen Kurven im Wald nicht mehr bei 39, sondern nur noch bei 35 Grad lag. Aussteigen, wo ein Wasser ist, und anders als in der Klimaanlagenillusion innerhalb des Fahrzeugs … doch wieder vor einer Wand aus aufsteigender Hitze stehen.
Und doch war es schön. Wir fuhren nach Weilburg … und die Lahn schien zu dampfen.
Die Lahn in Weilburg in flirrender Hitze
Weiter nach Braunfels, ein wirklich schöner Ort, es stand die Hitze. Nicht hinauf zur Burg, sondern hinein in den Biergarten des Schlosshotels, in recht authentischer ex-jugoslawischer Hand (an dieser Stelle möge man mir nachsehen, dass ich nicht mehr weiß oder es nie wusste, welche heutige Republik): Viel Plastik im Garten unter Bäumen, viel Hackfleisch, viel Ajvar … und nun auch die wahre Hitze des Mittelmeers. Und ein menschenleerer, frei zugänglicher Park, zum langsamen Durchschreiten, überraschend verspielt.
Sich selbst überlassen, die Natur und die Dinge
Gartenhäuschen im Schlosspark Braunfels
Lanzarote: Vom Wagnis des scheinbar Bekannten
Die Sommerfrische also, die längere Auszeit von gut drei Wochen, wurde in den Spätherbst verlegt. Als in Frankfurt das Vorraunen der Buchmesse einsetzte, Mitte Oktober, verließ ich das Getriebe. Dem mir ganz unbekannten Indonesien hätte ich in überfüllten Messehallen begegnen können. Stattdessen zog es mich auf die Insel, die ich nun wirklich gut kenne. Mehrfach schon war ich dort genau richtig, nicht immer. Mit der besonderen Landschaft, mit der elementaren Kraft und der so liebgewonnenen Luft fand ich den vertrauten Charakter der Insel stets wieder, Eindrücke und Erlebnisse waren jedoch jedes Mal verschieden.
Lanzarote: Großer Zauber vermeintlicher Kargheit
Und dieses Mal stellte ich mir im Vorfeld die Frage, ob ich die Insel nicht doch schon zu gut kenne, ob der Schuss Anregung, der zum Reisen stets auch gehört, denn ausreichend vorhanden sei. Diese Frage würde ich mir auch in Zukunft wieder stellen – oder viel bewusster noch und ganz ausdrücklich genau dies wollen: eine überraschungslose Zeit unter flink ziehenden Wolken, am brandenden Meer – und warten, welch Lebensimpulse vulkanische Energien so setzen. Wenn´s doch so einfach wäre.
Pfade im Vulkanischen
Denn ein gewisses Paradox ist darin formuliert, im Gleichzeitigen von Überraschungslosigkeit und energischen Impulsen. Und es mag ja ein sehr persönlicher Mythos von mir sein, dass auf Lanzarote – oder einfach in der Zeit, in der ich dort bin – stets doch Überraschendes passiert. Nie ist danach alles so wie zuvor gewesen, fast nie, mal deutlicher, mal etwas unbemerkter zunächst – Lanzarote scheint die Insel, der der Wandel nun mal innewohnt. So auch dieses Mal – und die verblüffenden Ereignisse rund um zwischenmenschliche Irritationen, außergewöhnliche Glaubenssysteme, einen eigenwilligen Hund und die noch eigenwilligere Besitzerin … es könnte einen Roman abgeben. Manches davon hat mich völlig abgelenkt, mich „ganz normal“ zu entspannen – und mich noch lange beschäftigt, bisweilen etwas verstört. Ganz gewiss ist noch nicht die Zeit … und dieser Blog vielleicht auch nicht der Ort … es der Öffentlichkeit preiszugeben. Wenn überhaupt, bedürfte es einer literarischen Form.
Ferienhündin Lilly, verliebt ins Abenteuer
Die Insel selbst überraschte dieses Mal mit einem tagelangen, sintflutartigen Regen, der hier und dort neue Seen und rauschende Bäche erschuf; so manche Straße wurde unpassierbar, Autos wie Nussschalen mitgerissen, zunächst im Süden und nach dem Wechsel der Winde im Norden noch stärker. Auf dem Hügel indes ließ es sich aushalten, wenngleich noch nicht mal der Hund mehr vor die Tür wollte. Solche ausgiebigen Herbstregen sind am Atlantik nicht unüblich, es war nur recht früh dieses Jahr. Und danach geschah ein kleines Wunder: An vielen Orten sproß aus dem vulkanischen Gestein, frisches Grün, überzog ganze Vulkanrücken mit einem zarten Teppich. Ein herrliches Naturschauspiel.
Unerwarteter Anblick nach dem großen Regen
Uga, Lanzarote – ebenfalls ergrünt
Zum Jahresende noch mal maritime Luft: Wieder in Hamburg
Aus den vollen Tagen mühsam rausgekämpft, der längst mal wieder anstehende Besuch in Hamburg. Dieses Mal mit der zufälligen Freude, einem opulenten Gelage am langen Tisch des gastlichen Hausprojekts beiwohnen zu können, dann dem Jubel über Nolympia , das Minitiaturwunderland zu entdecken (und den Besuch auf später zu verschieben; soll doch irgendwie toll sein, selbst für Erwachsene). Ritualisierte Barbesuche im Kiez, schöne Begegnungen, tausend Infos durch die weltbeste Stadtführerin. Ein bisschen mehr darüber gibt´s hier zu lesen.
Caroviertel, Hamburg
Bunte Tage in Hamburg also und für die Zukunft die Wünsche:
- Mal in sommerlicher Luft hierher zukommen, um die Elbe und die Inseln (!) behaglich zu genießen
- Endlich mit Sonja eine Alternative Hafenrundfahrt machen
- Die Modelleisenbahn-Traumwelt hatten wir ja schon
- Und der Rest ergibt sich in Hamburg ohnedies stets ganz zwanglos
Das war´s jetzt erst Mal für 2015, gerade noch geschafft, dreieinhalb Stunden vor dem Jahreswechsel. Das interessante Experiment zum Jahresabschluss-Blogging: Radiosender hören aus Regionen, in denen der Wechsel schon vollzogen wurde. Nach Hongkong kam Jakarta…Der nächste Blogbeitrag kommt garantiert erst, wenn sich das neue Jahr auch bei uns eingerichtet hat – aber es ist noch ein bisschen was übrig an Berichtenswertem aus diesem Jahr. Und bis dahin kann ich mir ja auch überlegen, ob ich eine dieser berühmten Listen mache, wohin ich 2016 am liebsten reisen würde. Wohlwissend, dass alles anders kommt, als man so denkt.
Am besten besser.
Das wünsche ich mir, Dir und der ganzen Welt, die darauf wartet.