Kleine Flucht

Schon, schon, sagt Anne, sie sagt es ohne Umschweife, sagt es geradeheraus, sie bläst den Zigarettenqualm über das Balkongeländer, während Reinhard die DVD in der Hand hält, sie anstarrend, begutachtend, um dann zu sagen, komm schon, meine Kleine, aber so nicht, sagt Anne, denn das erinnert mich an Martha, Martha, Martha, bläst Reinhard, ein guter Film, den willst du doch nicht mit uns und unserem Leben gleichsetzen, Anne wiegt den Kopf, oder doch, fragt Reinhard, zieht die Augenbrauen nach oben, steht noch immer mit der DVD in der Hand vor der halb geöffneten Balkontür, komm jetzt, komm gleich, sagt Anne, sie zieht eifrig an ihrer Zigarette, komm gleich, sagt sie, starrt auf ihre Fingernägel, aber solche Filme sieht sich doch heute keiner mehr an, außerdem, außerdem was, fragt Reinhard, außerdem erinnert mich Böhm an die Sissi-Filme, die kann ich dann nicht mehr unbeschwert gucken, Mistfilme, blökt Reinhard, und dann noch einmal, damit sie es auch nicht vergisst, Mistfilme, mit solchen Filmen will ich erst gar nichts zu tun haben, von unten tönt Geschrei, was ist da los, fragt Reinhard, Anne hebt die Schultern, murmelt, weiß ich nicht, irgend so ein Ehestreit, was weiß ich denn, die Leute schauen sich halt solche Filme nicht mehr an, und ich, was ist mit dir, fragt Reinhard mit harter Stimme, und ich, fährt Anne fort, will sie auch nicht mehr sehen, diese komischen Filme mit all diesen komischen Leuten, die so hölzern daher reden, die einzige, die hier hölzern redet, sagt Reinhard, bist du, jedes Mal so ein Aufstand, ich will halt nicht, Reinhard wiederholt sich, jedes Mal so ein Aufstand wegen einem Film vom Rainer, vom Rainer, vom Rainer, äfft Anne ihn nach, als ob du den gekannt hättest, hätte mich bestimmt mit ihm verstanden, sagt Reinhard und dreht sich beleidigt zur Seite, das hat keinen Sinn mir dir und mir und diesen Filmen, ach, sagt Anne, haben wir jetzt etwa einen Ehestreit wegen so einem blöden Film, und nun ruft Reinhard wie ein kleines Kind, das sind keine blöden Filme, er verschwindet im Flur, Anne kann ihn nicht mehr sehen, sie beugt sich nach unten, um ihre Zigarette im Aschenbecher zu erdrücken, sie dreht ihren Daumen auf der Kippe, sieht sich verbissen dabei zu, denkt dann, und so ein Theater wegen einem dämlichen Film, sie drückt sich vom altmodisch geblümten Gartenstuhl hoch, steht wankend im Wind und geht dann hinein, ruft, Reinhard, nun komm schon, leg den Film ein, wir sehen ihn uns an, aber Reinhard reagiert nicht, er denkt gar nicht daran, er sitzt auf der Toilette und schmollt und wünscht sich in ein anderes Leben, weg von hier, denkt er, es liegt ja gar nicht am Film, es liegt an ihr und diesem Haus am Rande der Stadt, es liegt am Aufzug, der ständig nach Erbrochenem stinkt, es liegt an den Kindern, die sie inzwischen Kids nennen, er nennt sie Kinder, dabei benehmen sie sich wie Kids, lauter kleine Billys, die ihre Handys schussbereit in der Hand halten, und wehe du kommst ihnen in die Quere, dann gibt es auf die Fresse, denkt Reinhard, und am nächsten Tag findest du dich irgendwo im Internet, sie filmen deine blutige Nase, nö, nix für mich, ich will hier weg, will fort von Anne, dem Haus, der Stadt, Anne klopft, sagt, komm jetzt endlich, er schnauft, betätigt die Spülung und sagt, komm ja, ich komm ja schon.



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