kleine bühne, große wirkung

Zwei Männer und eine gemeinsame, wenn auch abwesende, Geliebte – mehr brauchte die Produktion “Enigma” im Forum Theater nicht, um ein intensives Theatererlebnis zu sein. Rainer Philippi spielte in Éric-Emmanuel Schmitts Stück den Literaturpreisträger Abel Znorko, der einsam auf einer Insel lebt und eines Tages Besuch bekommt: schon lange war kein Journalist mehr in Znorkos Einsiedelei und mit diesem Erik Larsen kommt sowieso alles anders.

Das Mysterium Liebe hat beide Männer fest im Griff und in einem hochspannenden Duell der Worte und Emotionen nähern sie sich der überraschenden Wahrheit. Welche Anforderungen stellt so ein Zwei-Personen-Stück in einem kleinen Theater an seine Schauspieler, damit es genau diese fesselnde Wirkung entfaltet?

enigma „Grundsätzlich ist das Spiel an einer kleinen Bühne nicht so viel anders, als in einem großen Haus”, verrät Rainer Philippi. “Meine Hauptaufgabe ist, dass ich mich in die jeweilige Figur einfühlen und einen Mörder genau so glaubhaft spielen muss wie das Opfer.

Außerdem bin ich von der Studiobühne `Nord´ oder von der Freien Szene im Depot kleine Bühnen sowieso gewöhnt, deshalb genieße ich im Forum Theater vor allem die familiäre Atmosphäre im Team. Doch es ist natürlich ein Unterschied, ob im Publikum über 1000 oder um die 140 Personen sitzen. In einem großen Haus muss ich schon stimmlich anders arbeiten, um die Zuschauer ganz hinten zu erreichen, ohne dass die erste Reihe denkt: warum schreit der so?“

Auch bei den Bewegungen müssen Schauspieler in einer kleineren Produktion die richtige Balance finden: „Wie groß die äußeren Mittel ausfallen sollten, muss man immer neu abwägen. Das kommt ganz auf den Raum und das Stück an. Gemeinsam mit Regisseur und Dramaturg finden wir heraus, wie die Figur am glaubwürdigsten für das gesamte Publikum wirkt“, weiß Philippi. „Gerade bei reduzierten Stücken kommt es oft auf stimmliche Nuancen an, von daher wäre Enigma nicht unbedingt für ein großes Haus geeignet.“

Der ganz große Vorteil kleiner Theater ist eine einzigartige Intimität, die das Theatererlebnis für alle Beteiligten besonders intensiv machen kann: „An großen Häusern lauert immer ein bisschen die Gefahr, dass ein Stück zum plakativen Regiekonzept wird und Faust gar nicht mehr drin ist, wo Faust drauf steht. Und: Die Leute merken im Forum Theater sehr viel genauer, ob ich beim Spiel mein Herz aufmache oder nicht.“

Das weiß auch Elke Woitinas, Gründerin und Leiterin des Forum Theaters, die früher selbst auf der Bühne stand: „Ein guter Schauspieler ist immer gut, egal wie groß die Bühne ist und hier wie dort erwarten die Zuschauer Glaubwürdigkeit. Doch in kleinen Räumen können Schauspieler ihr Publikum besser mitnehmen: die Ausstrahlung und Energie, die sich durch konzentriertes Schauspiel aufbauen, verdünnen sich in großen Räumen, während diese ganz besonderen Momente, in denen der Schauspieler nicht nur über sich selbst hinaus geht, sondern fast gemeinsam mit dem Publikum atmet, in kleinen Theatern leichter herzustellen sind.“

Technikern, Regisseuren und Bühnenbildnern gibt die 110 Quadratmeter große Bühne ebenfalls spezifische Rahmenbedingungen vor. Elke Woitinas veranschaulicht die Größenverhältnisse: „Zum Vergleich: im Staatstheater arbeiten 1300 Menschen – dazu kommt noch das künstlerische Personal – und wir sind zu siebt. Allerdings: Würde ein Regisseur ´großes´ Theater ins Kleine übertragen, wäre das unerträglich – was in großen Häusern gerade recht ist, wirkt in kleinen völlig überfrachtet. Bei uns wird einfach etwas zurückhaltender gearbeitet.“

Üppige Kostüme und größere Bühnenaufbauten passen also nicht zur kleinen Bühne. Einen Nachteil sieht Elke Woitinas darin aber nicht: „Dieses Minimum an äußeren Mitteln ist bei uns ganz grundsätzlich eine innere Einstellung. Gerade in dieser Reduzierung liegt die Chance, dass der Mensch stärker hervor tritt.“ Auch die Tatsache, dass Elke Woitinas aus Kostengründen nicht mit einem festen Ensemble arbeitet, birgt charmante Möglichkeiten: „Ein Ensemble ist für uns praktisch nicht bezahlbar. Ich arbeite mit freien Schauspielern, aber möglichst immer mit denselben. Dadurch habe ich so etwas wie ein imaginäres Ensemble.

Eine kleine Truppe wird schnell zu einer verschworenen Gemeinschaft, die mit großer Intensität, Kreativität und hoher Motivation daran arbeitet, eine Produktion Abend für Abend zu einem unvergesslichen Schauspiel-Erlebnis werden zu lassen. Und unser Publikum schätzt das!“



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