Klaus Graubner — Kaiserlei-Areal 1992 bis heute

Von Thomas_robbin

Das Kaiserlei-Areal an der Stadtgrenze zwischen Offenbach und Frankfurt war jahrzehntelang ein Unort, überspannt von einem großen Kreisverkehr, in der Einflugschneide des Flughafens gelegen und meist nur als Durchgangs-, nicht als Aufenthaltsort wahrgenommen. Aktuell wandelt sich das Kaiserleigebiet, ist derzeit Großbaustelle. Bereits seit 1992 dokumentiert Klaus Graubner in einer Langzeitbeobachtung Zustände und Entwicklungen des Areals. Seine Fotografien sind ab 6. Oktober in der galerie 7 in Weilburg zu sehen.

Ausstellungsbeschreibung

KAISERLEI-AREAL, eine Serie von Schwarzweiß-und Farbfotografien, ist das Resultat meiner 1992 begonnenen und bis heute fortgeführten Langzeitbeobachtung des Stadtteiles Kaiserlei in Offenbach am Main. Das untersuchte Territorium, zwischen zwei Großstädten gelegen, ca. ein Quadratkilometer groß, ist Peripherie von Offenbach im Westen und Frankfurt im Süd-Osten, begrenzt im Norden durch den Main. Das Areal wird tangiert von der Autobahn A 661, diese quert in Nord-Süd-Richtung den Main über die Kaiserlei-Brücke und überspannt dann auf Stelzen (Fly over) das Gelände mit dem zentral dort angelegten Kaiserlei-Kreisel. Neben hoher Verkehrsdichte (Autobahn, Strahlenberger Straße und Kreisel), ist im Süden des Areals starker Flugverkehr, die Einflugschneise des Flughafens Frankfurt wahrzunehmen. Nach der Realisierung einer weiteren Runway, der umstrittenen Startbahn Nord-West im Kelsterbacher Wald hat der auf das Kaiserleigebiet einwirkende Flugverkehr weiter zugenommen. Der Geräuschpegel dröhnender Flugzeugtriebwerke, im Steig- wie im Landeanflug, ist jetzt nahezu permanent. Erschließungsmaßnahmen beseitigten im Laufe der Zeit Autowracks, Ablagerungen

aller Art, verwahrloste Schrebergärten, dichtes Buschwerk, solcherart das Gelände partiell überzogen war. Die schützenden Verwachsungen wurden benutzt von hiesigen Obdachlosen und Zugewanderten aus dem Osten, nach den politischen Veränderungen dieser Zeit, Ende der 80er Anfang der 90er Jahre. Sie lebten im Gestrüpp, in improvisierten Behausungen aus alten, heruntergekommenen Bau-und Wohnwagen, umgeben mit Zäunen, die mit Materialien aus dem Müll errichtet waren. Das Gebüsch wurde wegplaniert. In der weiteren Entwicklung des Areals sind durch Neuansiedlungen von Unternehmen einige Gebäudekomplexe entstanden, entstehen weitere, jedoch sind Zeichen ganz anderer Art nicht zu übersehen (zahlreiche Leerstände).

Diese Wirklichkeit, eine Wiederspiegelung von Facetten des Handelns der Gesellschaft in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute, exemplarisch betrachtet am kleinen territorialen Ausschnitt, der Peripherie zweier sehr unterschiedlicher Städte, dem Kaiserlei-Areal, wurde Gegenstand meiner eingehenden und lange währenden Betrachtung. Das auch insofern, dass von unserem einstigen Wohnort in Frankfurt, wir, meine Familie und ich, lebten da achtunddreissig Jahre, eine Distanz zum Kaiserlei von ca. zweitausend Meter Luftlinie bestand. Visuelle und akustische Wahrnehmungen dieses nahegelegenen Kaiserlei-Areals, pulsierend und laut, gaben mir Anlass für diese Arbeit. Meine Fotografien konstatieren, wollen nicht bewerten, dienen nicht zuletzt auch meinem eigenen Erkenntnisgewinn. Diesem Kaiserlei-Areal im zwischenzeitlichen Zustand des Übergangs, der Veränderungsprozesse, näherte ich mich, auch mit meinem Interesse an dem unergründlichen Phänomen Zeit, einem Ort im zeitlichen Wandel, einem Zeitort.

Eine Präsentation der Arbeit war 2009 im Haus der Stadtgeschichte in Offenbach zu sehen. Gezeigt wurden fünfundsiebzig Bilder von mehr als zweihundert Einstellungen des damaligen Bestands (2009). Vierzig der damals gezeigten Fotografien waren Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Negativformat 4×5 inch., gezeigt als Silbergelatine-Prints. Im Verlauf der Jahre, meine Arbeit ist immer auch von medientheoretischen Überlegungen begleitet, habe ich für die Farbfotografie die Negativformate 13×18 cm und 8×10 inch. verwendet. Die ausgestellten Farbfotografien sind Digital-Color-Prints, ausbelichtete Dateien gescannter analoger Farbnegative. Aktuell, neue Farbaufnahmen basieren auf 4×5 inch. Negativen, erscheinen als analoge C-Prints.

Meine Arbeit kennzeichnet ein nüchterner, distanzierter Ansatz. Ziel ist ein bildhaftes Ereignis, ein ästhetisches Dokument, vordergründig Oberfläche, dem dennoch zeitliches, soziales und damit politisches inhärent ist. Die ausgewählten Wirklichkeitsausschnitte, im vorgenannten Sinn auch selbst referierend , können sich den Rezipienten erschließen, oder auch nicht, je nach Konditionierung, den Ein- und Ansichten des jeweiligen Betrachters.

Tatsächlich gründen meine Projekte überwiegend auf Langzeitbeobachtungen, sind work in progress. Die Stadt (Architektur), Urbanität, Peripherien, Industrie-Areale der Montanindustrie mit angrenzenden Siedlungen, die Lebenswelt allgemein, gesellschaftliche Konventionen, der Zeitgeist, sind meine Themen.  

Aktuell ist Kaiserleigebiet großen Veränderungen ausgesetzt, ist derzeit Großbaustelle. Der Kreisverkehr wird beseitigt, die Verkehrsführung wird geändert. Weitere Fotografien entstehen.

Text: © Klaus Graubner (überarbeiteter Text von 2009)

Wann und wo

galerie 7
Produzentengalerie
Mauerstraße 7
35781 Weilburg

6. Oktober bis 31. Dezember 2017