Dass Debatten im Netz gern mal eskalieren und nicht wenige User sich scheinbar nicht mal an die grundlegendsten Regeln von Anstand und Umgangston gebunden fühlen, ist keine neue Erkenntnis. Die Debatte darum, was dagegen zu tun ist, auch nicht. Nachdem nun vermehrt Konservative zum Ziel dieser Auswüchse werden, werden die Rufe nach einer Klarnamenpflicht lauter. Die Süddeutsche ist nicht die erste Zeitung, die auf die Problematik einer solchen Lösung hinweist. Ich allerdings stelle mir die Frage, ob es sich hierbei überhaupt um eine Lösung handelt.
Man muss nicht sehr lange nach Beispielen dafür suchen, dass Menschen auch unter ihrem realen Namen Entgleisungen übelster Art von sich geben. Ein Blick auf die Kommentare in den Social-Media-Profilen der prominenten Vertreter einer vermeintlichen linksgrün-versifften Meinungsmafia wie Dunja Hayali machen sehr schnell klar, dass Verachtung und Hass nicht an Anonymität gekoppelt sind. Warum auch? Wo genau ist das Problem, wenn Menschen meinen Namen kennen, mit denen ich nichts zu tun habe, die mich nicht wieder treffen (weder real noch virtuell) und die keinerlei soziale Sanktionsmöglichkeiten gegen mich haben? Ob eine Beleidigung von besorger_bürger_88 oder von Hans Mustermann aus Neustadt kommt, macht ohne dieses soziale Gefüge keinen Unterschied. Dass Menschen sich innerhalb ihres sozialen Umfelds an soziale Regeln halten, liegt nicht an ihrem Namen. Es liegt eben daran, dass es ein soziales Umfeld ist, das Regelverstöße sanktionieren kann. Unhöflich zu seinen Kollegen oder seinen Nachbarn zu sein, hat reale Konsequenzen. Unhöflich zu Fremden zu sein, hat keine. Für beide Situationen ist der Name völlig unerheblich. Relevanz bekommt er nur, wenn die Sache in den Bereich des Strafrechts geht. Aber auch dann brauchen wir ihn nur zur Identitätsbestimmung und die ist online nicht vom Namen abhängig, sondern von der IP-Adresse bzw. anderen technischen Daten im Hintergrund, die mit dem Namen technisch erst mal nichts zu tun haben und die im Falle einer Straftat auch jetzt schon ermittelbar sind.
Ohne soziale Gefüge, ohne Gemeinschaft, ohne echte Beziehungen gibt es keine sozialen Konventionen. Wenn es uns nicht gelingt, diese zu erzeugen, werden wir auch keine Konventionen etablieren. Das ist keine Frage von Namen oder Anonymität.
Wenn es aber nicht mal eine problematische Lösung ist, sondern es ist gar keine. Weswegen wir aufhören sollten, darüber zu streiten.