Michaela Preiner
„William Kentridge, Notes towards a model opera“ (Foto: ECN) Stehen bleiben und staunen. Den wummernden Bass im Bauch spüren. Merken, dass man nicht alleine fasziniert ist, sondern auch viele andere Menschen, die sich auf den Klanglicht-Parcours begeben haben. Innehalten und nachdenken und in sich hineinspüren. Die Augen in den Himmel richten und die zarten Klänge wahrnehmen, die zu hören sind, während man dem Aufsteigen und Absinken der neonfarbigen Luftfische (Les Lumineóles von Porté par le vent) zuschaut. Das sind nur wenige Reaktionen, die man beim Gang von einer Location zur nächsten beim Klanglicht 2019 in Graz erfahren konnte. Je nach Lust und Laune, je nach Tagesverfassung und aktueller Stimmung.Die Eindrücke der audio-visuellen Rauminszenierungen des Festivals boten dem Publikum jede Menge unterschiedliche Erfahrungen. Dabei spielte es eine große Rolle, wie sehr man sich vorinformiert, aber auch, wie viel Zeit man für seinen Rundgang eingeplant hatte. Eines war allerdings klar: Alle 19 Locations an einem Abend abzugehen machte – selbst wenn man es im Laufschritt geschafft hätte – wenig bis keinen Sinn. Denn das Event, das in diesem Jahr zum 5. Mal stattfand und laut Veranstaltern 100.000 Menschen anlockte, verlangte nicht nur gut zu Fuß zu sein, sondern auch für ganz unterschiedliche künstlerische Zugänge offen zu sein und sich dafür letztlich auch zu entschleunigen.
Mit „Transfiguration – die Verwandlung“ wurde zu den Klängen des Spaniers Zinkman mit einer Auskoppelung der Grazer Philharmoniker eine Lichtshow gezeigt, die den Innenraum zum Hauptakteur der Show verwandelte. Verzahnt mit den neo-romantischen Klängen wurden dabei einzelne, architektonische Highlights wie die Voll- und Halbreliefs an den äußeren Balkonseiten oder auch das Deckengemälde aus dem Dunkel des Raumes gehoben. Die Lichtstrahlen bildeten eine eigene, spannende Raumerfahrung und machten gleichzeitig die musikalisch-rhythmische Struktur sichtbar.
Diese meditative Wirkung stand im krassen Gegensatz zur Installation an der Fassade der Oper, die vom Kaiser-Franz-Josef-Platz aus von tausenden Besucherinnen und Besuchern frenetisch gefeiert wurde. Dabei begann das Gebäude zu atmen, sich auszudünnen und vermeintlich den Blick in sein Inneres freizugeben. Die stürzende und bröckelnde Fassade und die optische Täuschung einer Drehung des Hauses um die eigene Achse waren nur einige Highlights dieser Perfomance, die – schon traditionell – zu den beeindruckendsten der jeweiligen Festival-Ausgabe gehört.
Leicht fassliche Installationen wie jene im Dom im Berg, bei welcher Yuki Anai den Kreislauf des Wassers in zarter, poetischer Weise in Licht umsetzte, standen wesentlich sperrigeren und erklärungsbedürftigeren gegenüber. Die Installation „what if“ der Österreicherin Tina Frank im Eingangsbereich des Künstlerhauses gehörte dazu. Trotz Informationsblatt, in dem das Konzept erklärt wurde, blieb letztlich doch nur ein sehr persönlicher und intuitiver Zugang, der von der menschlichen Durchzugskolonne, die in diesem Raum nicht nur in diesem Jahr wieder festzustellen war, erheblich erschwert wurde.
Wie schon 2018 boten OchoReSotto im Hof der Grazer Burg ausreichend Augenfutter. Mit den am Boden aufgestellten, niedrigen Wasserbecken, wurde ein zusätzlicher Spiegelungseffekt erreicht, der auch das Publikum miteinschloss, was zu sehr reizvollen Fotomotiven führte.
Der „Truck“ von Erwin Wurm, bekannt aus diversen Museums-Shows fand dieses Mal seinen Platz vor dem Orpheum. Die „sunken cathedrals“ am Freiheitsplatz von Kresimir Rogina, waren nicht, wie man annehmen hätte können, in blauem Licht, sondern nur in pianistischer Klangfülle versunken. „For iTernity“ von Katja Heitmann animierte das Publikum, sich mit selbst gehaltenen Plexiglasscheiben auf die Suche nach dem projektierten Film zu machen und auf der Murinsel wallte künsticher Nebel (ArtificialOwl), um ein holographisches Windspiel zu erzeugen. Mit etwas mehr punktuell eingesetztem Licht wäre der Effekt sicherlich noch spektakulärer gewesen.
Jordan Soderberg-Mills verwandelte die Schaufenster des Kaufhauses Kaster und Öhler in ein halluzinogenes Erlebnis, das an so manche ästhetische Umsetzung von Lichtbrechung der 60er- und 70er Jahre erinnerte. Dagegen gingen seine überarbeiteten Graz-Fotos in den Werbeflächen an der Straßenbahnhaltestelle am Hauptplatz leider fast unter. Peter Koglers Kunsterweiterung auf schwarz-weiße Schals, abgesehen von seiner Kunsthaus-Haut-Bespielung, stand wiederum diametral der Installation von Gor Chahal in der Stadtpfarrkirche gegenüber. Für eine gute Sicht auf die Projektionen der Gesangstexte an die Kirchendecke musste man sich setzen, was jedoch nur wenige Besuchenden tatsächlich auch taten. Die beiden letztgenannten Beispiele zeigen exemplarisch auf, wie groß der Spannungsbogen der Beiträge zwischen den Polen Konsum und Kontemplation angelegt war.
Die Willensbekundung der politisch Verantwortlichen bei den Eröffnungsreden, Klanglicht zu einem Fixpunkt im Frühjahrs-Event-Geschehen in Graz zu etablieren, lässt auf Fortsetzungen hoffen.
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