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Nein, ich bin nicht Papst! Und, mit Verlaub, ich war nie Papst und ich werde nie Papst sein! Und nach den Worten des älteren Herrn mit Wohnsitz in Rom – allerdings mit deutschem Migrationshintergrund – über die Ökumene anlässlich seines Treffens mit hohen Würdenträgern der evangelischen Kirche im Eichsfeld bin ich noch weniger Papst als jemals zuvor; ich bin sogar ziemlich sauer auf den bayerischen Benedetto – und warum? Nun, der evangelische Pressedienst (epd) zitiert im Zusammenhang mit diesem Treffen Reformkräfte in der katholischen Kirche, die sich genauso enttäuscht von dem Besuch ihres „Chefs“ zeigen wie ich:
„Nach Auffassung der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ hat der Papst bei seinem Treffen mit Protestanten in Erfurt die Ökumene „amtlicherseits begraben“. Es sei für viele Gläubige beider Konfessionen eine Sensation, „dass rein gar nichts geschehen ist“, sagten Vertreter der Kirchenvolksbewegung am Samstag in Freiburg. Nicht einmal ein Wort der Annäherung oder ein Wort der Barmherzigkeit für wiederverheiratete Geschiedene habe es gegeben.
„Nichts wird sich in der hierarchischen Kirche verändern“, äußerte der katholische Theologieprofessor Gotthold Hasenhüttl, der 2003 als Priester suspendiert worden war. „Etwas Neues haben wir vom Papst bisher nicht gehört,“ sagte der Theologieprofessor und Papstexperte Hermann Häring. Nüchtern sei festzustellen, dass sich durch den Besuch nichts geändert hat.
Die Kirchenreformer forderten evangelische und katholische Kirche auf, sich zusammenzuschließen. Seit Erfurt sei es „unser Recht und unsere Pflicht“ nicht mehr auf die Erlaubnis der Kirchenleitung zu hoffen, sondern dem eigenen Gewissen zu folgen und die „eine Gemeinde Jesu Christi auszurufen, die wir längst sind“, hieß es. Als Beispiel nannten sie die evangelische und katholische Kirchengemeinde im badischen Bruchsal, die vor kurzem die Kirchenspaltung in einem gemeinsamen Papier für beendet erklärt hatten. Darin heißt es: „Wir erachten den Willen Jesu Christi, dass alle eins seien, als gewichtiger als alle theologischen und kirchenpolitischen Überlegungen.“
Katholische Kirchenreformer: Papst hat Ökumene begraben
Ja, er ist ganz schön hartherzig mit seinen protestantischen Mitbrüdern, die eine einige christliche Kirche fordern – oder doch eine Ökumene auf Augenhöhe. Doch nicht so Benedetto. Und wenn schon der oberste Vordenker auf Erden sich so aufführt, dann ist es eigentlich zu erwarten, dass seine Kirche genau so hartherzig mit Ungläubigen und Abtrünnigen umgeht – insbesondere dann, wenn diese in einem Beschäftigungsverhältnis mit ihr stehen.
Dies konnte zB. ein katholischer Chefarzt feststellen, der sich erdreistet hatte, nicht nur seine (auch) katholisch geschlossene erste Ehe zivilrechtlich zu beenden, sondern auch noch eine andere Frau zivilrechtlich zu ehelichen – immerhin nachträglich, aber das half ihm auch nicht viel. Eine solche zivilrechtliche Zweitehe gehe ja nun gar nicht, meinten die Vertreter des nach ihrer Einschätzung einzig wahren christlichen Glaubens – nun gut, dann ist der 1. FC Köln eben ein Karnevalsverein und wir Protestanten eine „Religionsgemeinschft“ … Und so warfen sie ihn hinaus, den katholischen Chefarzt mit zivilrechtlich legitimierter Zweitfrau.
Doch nichts da, meinte das Bundesarbeitsgericht unter Fortführung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: diese Kündigung sei unwirksam. Wer Näheres nachlesen will, der kann dies hier: BAG: Wenn der Arbeitnehmer auch bei den Katholiken wieder heiraten darf… « Rechtsanwaltssozietät Scherer & Körbes. An dieser Stelle nur eine kleine Randnotiz: die ebenfalls in sündiger Zweitehe lebenden evangelischen Ärzte liess der katholische Arbeitgeber übrigens ungeschoren – könnte das vielleicht daran liegen, dass diese Sünder sowieso später genügend im Fegefeuer zu leiden haben? Man weiss es nicht…
Aber es gibt noch andere Verfahren, in denen sich unsere nach den jüngsten Äusserungen des zugezogenen Römers wohl eher ehemaligen Brüder im Glauben (die Schwestern haben bei ihm ja eher noch weniger zu sagen…) arbeitsrechtlich sozusagen eine blutige Nase geholt haben: über einen aktuellen Fall berichtet unter anderem der Kollege RA Blaufelder – wobei dieser Fall anschliesst an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Abkehr vom katholischen Glauben führt nicht zur Verhängung einer Sperrfrist – Kanzlei Blaufelder):
Es ging in dem Fall, den das Sozialgericht München am 26.05.2011 (AZ: S 35 AL 203/08) zu entscheiden hatte, um eine Klägerin, die beim Caritasverband der Erzdiözese München und Freising seit 1974 als Altenpflegerin angestellt war. Im November 2007 (also nach 33 Jahren Beschäftigungszeit) trat sie aus der katholischen Kirche aus; als Begründung gab sie an, dass sie sich schon seit längerer Zeit in einem inneren Konflikt mit dem katholischen Glauben befände – nun, man mag es mir nachsehen, eine Position, der ich durchaus Sympathie entgegenbringen kann, befinde ich mich doch als Protestant schon sehr lange in einem nicht nur inneren Konflikt mit dem Katholizismus und hege deshalb durchaus Respekt für solche Schafe, die irgendwann den Weg dieses Hirten verlassen.
Der Arbeitgeber jedoch versuchte das aufmüpfige Schäflein wieder zurück zu bringen führte deswegen intensive Gespräche mit der nun wirklich langjährig Beschäftigten, doch sie liess sich nicht mehr umstimmen – sehr nach dem berühmten Satz: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen!“.
Doch diesen inneren „Hader“ (wie man in Bayern wohl sagen würde) der Frau konnte der Arbeitgeber nicht verstehen – und kündigte das Arbeitsverhältnis, und zwar fristlos aus verhaltensbedingten Gründen. Anders wäre es wohl aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit und des Umstandes der Schwerbehinderteneigenschaft der Frau gar nicht möglich gewesen.
Zur Begründung führte die Caritas (Werbemotto: „Not sehen und handeln!“ Caritas in Deutschland – Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche) aus, ihre Altenpflegerin habe sich zwar keinerlei arbeitsrechtlich vorwerfbares Verhalten im Rahmen ihrer Tätigkeit vorzuwerfen, aber mit ihrem persönlich motivierten Austritt habe sie gegen die kirchliche Grundordnung und ihre Loyalitätspflichten verstoßen. Zu deren Einhaltung habe sie sich jedoch vertraglich verpflichtet und nun dagegen verstossen; ausserdem sei der Austritt ein „kirchenfeindliches Verhalten“. Dies gefährde die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie tätig war.
Nun, wenn man eine so grosse moralische Keule schwingt, dann sollte man sich vielleicht doch einmal näher in den eigenen Reihen fern einer abtrünnigen Altenpflegerin umsehen, insbesondere, was so alles „kirchenschädliches Verhalten“ bei durchaus in der Hierarchie höher angesiedelten Personen sein kann… aber gut, die Arbeitnehmerin hatte wohl so oder so die sprichwörtliche „Schnauze“ voll von ihrem bisherigen Arbeitgeber und meldete sich arbeitslos. Vielleicht dachte sie dabei ein wenig an einen anderen berühmten Ausspruch: „Etwas Besseres als diesen Arbeitgeber findest Du überall…“ (oder so ähnlich).
Doch so glatt ging der Übergang in die bezahlte Arbeitslosigkeit selbst nach mindestens 33 Jahren braver Zahlung an die Sozialkassen dann für sie doch nicht, denn die zuständige Behörde verhängte eine drei Monate dauernde Sperre des Arbeitslosengeldes; schliesslich handele es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung, die Arbeitnehmerin habe mit ihrem Kirchenaustritt die Kündigung provoziert.
Man könnte nun vorschnell über die Gegend lästern, in der dieser Fall spielt, doch weit gefehlt: das zuständige Sozialgericht München (von wegen: „Jaja, die Bayern wieder!“) hielt die Verhängung der Sperrzeit für rechts- und verfassungswidrig.
Eine Abkehr vom katholischen Glauben ( – oder eine Abkehr von wem oder an was man bisher geglaubt hat) sei kein steuerbares Verhalten, deswegen sei es auch nicht versicherungswidrig. Die Altenpflegerin habe ihre Arbeitslosigkeit weder „grob fahrlässig“ noch vorsätzlich herbeigeführt. Immerhin gebe es das Grundrecht der negativen Religionsfreiheit, und dies werde verletzt, wenn jemand gegen seine innere Überzeugung in einer Religionsgemeinschaft Mitglied sein müsse, nur um den Verlust seines Arbeitsplatzes zu verhindern.
Damit schliesst sich das Sozialgericht den Rechtsauffassungen des Bundessozialgerichts an, welches im Verfahren zum Az. B 11a AL 63/06 R in der dortigen mündlichen Verhandlung in einem fast gleich gelagerten Fall ausführte, dass die Kirchen zwar das Recht hätten, festzulegen, wann die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer ihre Loyalitätspflichten verletzen, dass aber selbst ein als arbeitsrechtswidriges Verhalten definierter Kirchenaustritt gerechtfertigt sein könne, wenn der betroffene Arbeitnehmer dafür einen wichtigen Grund habe: und der klassische wichtige Grund sei die verfassungsrechtlich garantierte Religions- und Gewissensfreiheit. Die Ausübung dieses Grundrechts könne somit eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld ausschließen, denn hier müsse Raum für eine Gewissensentscheidung des Einzelnen bestehen.
Gut, ein Urteil des BSG war das nun nicht, aber eine klare Stellungnahme, und offensichtlich wollte man damals keine höchstrichterliche Entscheidung risikieren, denn nach diesen Erläuterungen zog die in den Vorinstanzen schon unterlegene Bundesagentur ihr Rechtsmittel zurück.
Die damals betroffene Arbeitnehmerin war übrigens auch bei der Caritas beschäftigt. Und ich will weiterhin nicht Papst sein!