Kirchen gab es bereits in der Stalinstadt

WEIMAR. (fgw) Dem Freigeist liegt in Kopie der Brief eines pen­sio­nier­ten Weimarer Oberarztes vor. Dieser sah sich ver­an­laßt, einem pro­fes­so­ra­len Leserbriefschreiber “aus dem Westen” eine gebüh­rende Antwort zu geben. Gebührend, auch wenn er einen Satz des Herrn Professors nicht wie­der­holte.

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Die bereits im sozialistischen Eisenhüttenstadt bestehende katholische Kirche.

Denn unter der Über­schrift “Wahrheit tut weh” hatte sich vor eini­ger Zeit in der Mediziner-Zeitschrift “Deutsches Ärzte­blatt” ein Prof.Dr.med. Gert J. aus Aschaffenburg/Main mit einem Leserbrief zu Wort gemel­det und beklagte darin die “leicht­fer­tige Einstellung zum wer­den­den Leben in den neuen Ländern”. Schuld daran sei die gott­lose DDR mit ihrem libe­ra­len Abtreibungsrecht…

Wörtlich heißt es dann wei­ter: “Bei einem Besuch in Eisenhüttenstadt/Oder 1996 konnte ich keine Kirche ent­de­cken; auf meine ent­spre­chen­den Fragen an meh­rere Frauen dort wurde mir sinn­ge­mäß gesagt: ‘Die gibt es hier nicht, die brau­chen wir auch nicht.’ – Fazit: Wahrheit tut immer weh!”

Dr. Dieter K. ant­wor­tete dar­auf mit einem per­sön­li­chen Brief, in dem es u.a. heißt: “…erlaube ich mir, eine Ergänzung zu schrei­ben. Nach mei­nem Staatsexamen 1962 war ich bis 1974 in der Einheit Krankenhaus/Poliklinik Eisenhüttenstadt beschäf­tigt. Auf mei­nem Fußweg von der Wohnung bis zum Krankenhaus kam ich täg­lich an der katho­li­schen Kirche vor­bei. Diese bestand aus einem Flachbau und einem Stahlgerüst als Glockenturm. (…)

Mein Chef, PD.Dr.med. E.W., war praki­zie­ren­der Katholik. Als Oberarzt in der Inneren Abteilung war ich an der Betreuung sei­ner beson­de­ren Klientel betei­ligt: Pfarrer aus Eisenhüttenstadt und Umgebung, Damen des Ursulinen-Stiftes (!) und des katho­li­schen Kindergartens, Herren des katho­li­schen Priesterseminars ‘St. Wolfgang’ in Neuzelle, 6 km süd­lich gele­gen. Außerdem stell­ten wir in der Inneren über­ar­bei­tete Priester ‘wie­der auf die Beine’.

Bekannter als die damals bereits exis­tie­ren­den drei Kirchen in Eisenhüttenstadt sind die zwei Kirchen im 1960/61 ein­ge­mein­de­ten Städtchen Fürstenberg, ins­be­son­dere die Wallfahrtskirche des Klosters Neuzelle. Über die reno­vierte Anlage war ein Bildband im Volksbuchhandel erschie­nen. Die Stadtkirche im Stil der Backsteingotik wirkt durch ihre weit­hin sicht­bare Lage ober­halb der Oder auch sehr impo­sant…”

Beigefügt wur­den einige Fakten: Dem katho­li­schen Kloster Neuzelle gehör­ten bis zu sei­ner Säkularisierung mehr als 30 Dörfer sowie die Stadt Fürstenberg mit Tausenden von Einwohnern, höri­gen Bauern; der Territorialbesitz die­ses Klosters belief sich auf über 100 Quadratkilometer. Das Kloster war nichts ande­res als ein Feudalstaat im Besitz des Klerus, kon­kret eines Mönchsordens…

Eisenhüttenstadt ent­stand (als “Stalinstadt”) Anfang der 1950er Jahre als reine Planstadt und wurde vom ers­ten Ziegelstein an aus mär­ki­schem Boden gestampft – als Wohnstadt für das neue Eisenhüttenkombinat. Nicht geplant, aber von der Staatsmacht gedul­det ent­stan­den bereits ab 1954 auch pro­vi­so­ri­sche Kirchenbauten für die sich in der neuen Stadt ansie­deln­den weni­gen Christen bei­der Konfessionen. Und das nicht irgendwo am Stadtrand, son­dern zen­tral gele­gen. 1978 erhielt dann die evan­ge­li­sche Gemeinde sogar einen moder­nen Kirchenbau nebst Gemeindezentrum. Also alles bereits zu tiefs­ten DDR-Zeiten… Da kann man nur sagen: “Ja, Herr Professor, die Wahrheit der Lebenswirklichkeit tut weh, man muß sie aber zur Kenntnis neh­men. Und nicht eigene Vorurteile für die Wahrheit hal­ten.”

Lt. sta­tis­ti­schen Angaben des Landes Brandenburg gehör­ten Ende 2010 nur 17,1 % der Bevölkerung der evan­ge­li­schen Landeskirche und 3,1 % der katho­li­schen Kirche an. Der Anteil reli­giös gebun­de­ner Menschen dürfte in der Planstadt Eisenhüttenstadt sogar noch deut­lich unter die­sen Prozentzahlen lie­gen.

Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar


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