Kino-Kritik: Spieglein, Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen

Es war einmal in einem fernen und doch nicht ganz so fernen Land. Da hatten zwei Brüder eine geniale Idee.
»Hey Will«, sagte der Eine, »Lass uns doch durch die Lande ziehen. Hab vorhin Feder und Papier geschunken gekrochen, damit lässt sich doch was anfangen.«
»Und was sollen wir auf dem Lande? Da stinkt es nach Kuhmist!«, entgegnete Wilhelm entsetzt.
»Aber Will«, säuselte der Bruder, der von seiner Mutter Jacob benannt wurde, »Wir werden Schriftsteller. Okay, die Muse hat uns nicht geküsst, aber lass uns doch einfach sammeln, was die Menschen da draußen so zu erzählen haben. Ich garantiere dir, das wird der Burner!«
»Aber nur wenn ich fahren darf!«
Freudig sprang Jacob vom Kutschbock und reichte seinem Bruder die Zügel der Pferde. Und wenn sie nicht gestorben sind, suchen sie noch immer hinter den sieben Bergen nach feudalen Geschichten für ihre Plagiatssammlung.

Kino-Kritik: Spieglein, Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von SchneewittchenDie Königin (Julia Roberts) hat ein wunderbares Leben. Bälle, Bankette, Kleider und kriechende Speichellecker. Wäre da nur nicht chronische Geldknappheit und ihre Stieftochter Schneewittchen (Lily Collins). Sie muss sie einsperren, sonst rennt das Gör noch durch die Gegend und sieht, was die Königin mit dem Königreich ihres Vaters, der einst in den Wäldern verschollen ist, anstellt. So ein Luxusleben hat eben ihren Preis. Um die Taschen wieder mit Gold zu füllen, beschließt die Königin, den reichen Prinzen Alcott aus Valencia (Armie Hammer) zu ehelichen. Doch dazu braucht sie erst einmal Hilfe von ihrem Spiegel. Achja und das Schneewittchen braucht auch keiner mehr…

Wahrscheinlich würden sich die Gebrüder Grimm, läsen sie dort oben in ihrem Himmelsappartement meinen Text, mehr als nur eine Audienz bei Gott aussprechen lassen, ob des groben Unfugs den ich verzapfe. Zuerst allerdings, sollten sie zu Tarsem Singh gehen. Der Regisseur von Spieglein, Spieglein – Die wirklich wahre usw. wusste scheinbar nicht wirklich mit dem Stoff Schneewittchen umzugehen. Denn “wirklich wahr” ist hier nur zu sehen, dass Tarsem seinen ersten Flop landet.

Letztes Jahr habe ich von Krieg der Götter 3D geschwärmt. Vor allem der visuelle Stil seiner Filme ist unnachahmlich, auch wenn dieser leider zu oft mit 300 in Vergleich gesetzt wird. Von diesem Stil sehen wir in der ersten Schneewittchen-Verfilmung 2012 (es folgt Snow White and the Huntsman in wenigen Wochen am 31.Mai) so gut wie gar nichts. Stattdessen den Versuch, gezwungen locker eine andere Geschichte mit noch mehr Happy End-Schmalz als bereits in anderen Verfilmungen zu erzählen. Das mag durchaus lobenswert sein, doch ich will das Augenmerk auf ein spezielles zauberwort lenken: gezwungen.

Durchaus hat Spieglein, Spieglein seine Momente. Julia Roberts spielt eine bissige Königin, Lily Collins ist einfach zauberhaft (und eindeutig das schönere Schneewittchen, wirft man ein schielendes Auge auf den 31. Mai) und mancher Dialog ist herrlich schräg. Doch ich saß da in meinem Kinosessel und wollte nicht so recht vom Film gefangen genommen werden. Zu wirr manche Szene, zu seltsam mancher Charakter. Krampfhaft versucht der Film anders zu sein und schafft dabei nur, vorhandenes Potenzial komplett zu verschenken. Das ist wirklich schade.

Kino-Kritik: Spieglein, Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von SchneewittchenSpieglein, Spieglein an der Wand, lag dieser Film wirklich in Tarsem Singhs Hand? Vor mir flimmerte ein handwerklich solides, aber abstruses Machwerk von der Stange, der es kaum schafft ein Glänzen in meine Augen zu werfen. Wenn man irgendwann beim x-ten, wiederholten Zwergenspruch verschämt zur Seite blickt, weil es einfach nicht mehr lustig ist – und wenn die Musicalszene auf dem Abspann das einzige Element ist, welches in positiver Weise hervorstechen kann, dann hat der Film etwas falsch gemacht. Bei mir zumindest. Und bei den Gebrüdern Grimm da oben im Wolkenappartement hoffentlich auch.


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