Manche Filme sind großartig. Manche Filme sind miserabel. Dann gibt es miserable Filme, bei denen man später das Gefühl hat, sie sind großartig. Und dann gibt es großartige Filme, aus denen man herauskommt und einen faden Geschmack im Mund entdeckt. Der neue Michael Fassbender-Film gehört zur letzteren Kategorie, ohne wirklich erklären zu können, warum.
Shame ist hemmungslos. In vielerlei Hinsicht. Während sich Michael Fassbender mutig nackig durch die Betten “vögelt” oder vor laufender Kamera das stille Örtchen aufsucht, Carey Mulligan eine der atemberaubendsten, aber zugleich schmerzhaftesten Interpretationen von “New York, New York” singt und Regisseur Steve McQueen sich in endlosen Kameraeinstellungen verliert, offenbart sich so jeder Abgrund der Protagonisten dieses Films. Ein Seelenstriptease und ein wortwörtlicher.
Als ich zuletzt dieses seltsame Filmgefühl in der Magengegend verspürte, war das bei Melancholia. Es ist dieses Gefühl der Erkenntnis, dass Filme auch hart sein können. Während Lars von Triers Werk letztes Jahr dies vor allem durch schwindelerregende Kameraeinstellungen und der melancholischen Grundstimmung erzeugt, zeigt sich Shame weitaus expliziter. Ohne Zweifel lebt der Film vom Spiel seiner beiden Mimen. Und vor allem Fassbender, der oft splitterfasernackt präsentiert wird, verdient vollsten Respekt für diese Leistung. Dies vor Kamera- und Tonteam und vielleicht Mitdarstellern usw. zu vollbringen und dabei doch locker zu wirken, später dann Szenen zu haben, die von ihrer Seelen-”Brutalität” so explizit sind, dass man gar nicht anders als Zuschauer kann als mitzuleiden, ist atemberaubend.
Es gibt wirklich Idioten, die dem Film pornographische Zwecke unterstellen wollen. Wahrscheinlich Leute, die nach 5 Minuten aus dem Film marschiert sind. Denn gerade im letzten Drittel des Films sind die sehr intensiv gezeigten Sexszenen (ohne wirklich die Grenze zur Pornographie zu überschreiten!) eine Achterbahnfahrt des Leids, das der Zuschauer mit dem Protagonisten erlebt. Und wenn dann in einer Sexszene das Gesicht des “eigentlich” Beglückten von Schmerzen verzerrt direkt in die Kamera und somit den Zuschauer anguckt, hat dies nichts erotisches mehr. Und gerade weil man so in den Film gesaugt wird und die seelische Pein der Charaktere miterlebt, kommt man trotz des sehr guten Films mit einem schlechten Gefühl heraus.
Der Film erzählt eindrucksvoll und intensiv die Geschichte eines Geschwisterpärchens, dass innerhalb ihrer eigenen Isolation am Rande des Abgrunds steht. Und dabei den Zuschauer beinahe mit sich in die Tiefe zu reißen droht.