Vielen Menschen fällt es schwer, eine Persönlichkeit des öffentlichen Raumes von ihrem privaten Raum zu unterscheiden. Zugegeben, bei Tom Cruise fällt es schon sehr schwer, sein Schaffen als Scientology-Sprachrohr und seine schauspielerische Laufbahn nicht zu vermischen. Zu lautstark äußert sich Cruise immer wieder über seine Religion. Doch bei aller – großteils berechtigten – Kritik an Scientology, als Schauspieler hat Tom Cruise sich nie in den Religionskonflikt hineinziehen lassen. Und wo kämen wir hin, wenn wir einen Schauspieler wegen miserabler Religionswahl zur Sau machen? Dann dürfte man kein King of Queens mehr sehen (Leah Remini) und Musik von Lisa Marie Presley wäre auch Tabu. Von den Filmen eines John Travolta ganz zu schweigen. Und wer will schon auf Pulp Fiction verzichten?…
Nein, ich lass mich nicht von der allgemeinen Abneigung leiten. Obwohl ich zugegebenermaßen wenig Erwartungen in Mission Impossible IV – Phantom-Protokoll hatte. Das lag aber mehr am Schauspieler Cruise, als am Scientologen Cruise. Und obwohl er in wirklich tollen Filmen wie Rain Man, Vanilly Sky oder Minority Report mitgespielt hat, schauspielerisch konnte er mich nie überzeugen. Also ging es gestern, ein wenig fröstelnd, in die vierte Mission Impossible.
Der Kreml explodiert. Und Agent Ethan Hunt (Tom Cruise) ist mit seinem Team mitten im Geschehen. Die russischen Behörden machen Amerika verantwortlich und der Präsident der Vereinigten Staaten ruft das ‘Ghost Protocol’ auf. Das IMF wird gelöscht und jegliche Existenz der Organisation und ihrer Agenten wird abgestritten.
Doch Ethan, Jane (Paula Patton), Benji (Simon Pegg) und Chef-Analystiker Brendt (Jeremy Renner) haben noch einen letzten Auftrag. Doch auf der Suche nach dem wirklichen Attentäter muss das Team mehr nachweisen, als ihre agentischen Fähigkeiten.
Agentenfilme haben irgendwie alle ihren besonderen Charme. Action, Spannung, waschechte Helden, technische Extravaganzen. Ja, so war auch mal James Bond, bevor Daniel Craig zum modernen Gefühls-Macho mutierte und Bond auf „realistischere“ Bahnen lenkte. Diesen Weg schlugen die Macher bei Mission Impossible – Ghost Protocol nicht ein. Ein wenig Nostalgie im Jahr 2011.
Natürlich ist die Technik der IMF-Agenten mal wieder von so überbordender Absurdität, aber das kennen wir ja bereits aus den ersten drei Ablegern der Reihe. Trotz mancher übertriebener Actionszene (die im Trailer zu erhaschende Wolkenkratzerkletterein sprengt nochmal alle Physikdimensionen, die bereits Mission Impossible III ausgelotet hatte), bleibt der Film doch erstaunlich nüchtern. Das mag wohl an Regisseur Brad Bird liegen, der bei seinem ersten Live-Action-Film wahrscheinlich auf Nummer sicher gehen wollte. Den seine bisherige Vita lässt vor allem Kinderherzen höher schlagen: Der Gigant aus dem All, Ratatouille, Die Unglaublichen.
Obwohl Brad Bird dem Genre bisher fremd war, ist Mission Impossible – Ghost Protocol ein guter Hinweis darauf, dass sich inszenatorisch wenig Unterschiede ergeben. Auch wenn es sicherlich etwas anderes ist, mit Polygonfiguren zu arbeiten, als mit Hollywoodschnöseln.
Mission Impossible ist ein toller Film. So sieht Agentenaction aus. Dann kam plötzlich John Woo und murkste bei Mission Impossible II jeden Sinn brachial ab. Bildhaft sehr hübsch anzuschauen war der zweite Ableger, doch eher so flach wie ein Schalker, der unter einen Dortmunder Fanbus geraten ist. Mission Impossible III, der unter der Regie von J.J. Abrams entstand, der jetzt auch gemeinsam mit Tom Cruise den vierten Teil produzierte, hat dann wenigstens ein bisschen entschuldigt. Lag vor allem an Philipp Seymour Hoffman, der einen wirklich tollen Bösewicht ablieferte.
Der Antagonist in Ghost Protocol wird gespielt von Michael Nyqvist, den die meisten wohl aus der schwedischen Millenium-Trilogie-Verfilmung kennen. Leider bleibt sein Charakter ein wenig blass, was aber weniger auffällt, weil Ghost Protocol ansonsten wirklich gelungen seine Charaktere einsetzt. Normalerweise war Ethan Hunt die zentrale Figur, der Rest seines „Teams“ war Staffage. Doch hier kriegen alle drei Mitglieder die Screentime, die sie benötigen, um dem Zuschauer ans Herz zu wachsen. Das ist wirklich toll, denn damit hebt sich Ghost Protocol von den beiden Vorgängern enorm ab. Und wenn Jeremy Renner und Simon Pegg aneinander geraten, bleibt kaum ein Auge trocken. Ehrlich, aus der One-Man-Show eines Cruise wurde ein wirklich gutes Teamspektakel.
Lustig war es am Anfang, Josh Holloway aus Lost zu sehen. Er spielt nämlich einen anderen IMF-Agenten, der allerdings bereits in den ersten drei Minuten das Zeitliche segnet. Egal, ich glaube jetzt zumindest, rein optisch könnte er einen guten Actionhelden abgeben. Muss nun nur noch das Schauspielerische stimmen. Obwohl… Tom Cruise?…
Wer Action mag, wird auch an der vierten Mission Impossible seinen Gefallen finden. Wer Tom Cruise ein Chance geben will, wird auch nicht enttäuscht.
Andere Filme des Franchises
Mission Impossible – 4,5 Sterne
Mission Impossible II – 2,0 Sterne
Mission Impossible III – 3,0 Sterne
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