Ihr
werdet es mitgekriegt haben: Hier ist lange nichts passiert. Da es
für mich vor allem ein Leben außerhalb dieses Blogs gibt, und
manchmal Prioritäten gesetzt und Konsequenzen gezogen werden müssen,
lag der „Kineast“ eine Weile brach. Doch jetzt habe ich die Zeit
gefunden, mich wieder ein wenig darum zu kümmern und möchte
zunächst ein paar Dinge nach holen.
Los
geht’s mit „Nymphomaniac“. Natürlich habe ich mittlerweile den
zweiten, abschließenden Teil des Trierschen Sex-Epos gesehen und
muss zugeben, dass sich die Tendenz, die sich bereits zum Ende des
ersten Teils angedeutet hat, auch im zweiten Teil vertieft wurde.
Storytechnisch geht es natürlich, wie erwartet weiter. Joe liegt im
Bett und lässt sich von Seligman gesund pflegen. Als Gegenleistung
erzählt sie ihm die Geschichte, wie es dazu kommen konnte, dass sie
übel zugerichtet in einer dunklen Gasse lag. All die Dinge, die auf
sexueller Ebene im ersten Teil noch fehlten, werden hier noch nach
geliefert. Dreier, Auspeitschungen und Masturbation mit einer
gebundenen Ausgabe der Bibel. Wie schon im ersten Teil, ist die
Darstellung weniger explizit, als erwartet und versteckt sich hinter
wenig subtilen Kunstgriffen, wie Weichzeichnern und verdunkelten
Einstellungen, so dass es letztendlich gar nicht so viel zu erkennen
gibt. Das nimmt dem Film natürlich seine provokante Brisanz, die
aber im Vorfeld so ausschweifend beworben wurde. Wenn also der Sex in
seiner visuellen Vielfalt fehlt, bleibt nur noch die Story. Und hier
schafft es Lars von Treir tatsächlich, für eine Weile zu fesseln.
Erzählerisch ist es bestimmt kein Meisterwerk, aber es entsteht ein
runder Bogen, der gegen Ende des Films tatsächlich alle losen Enden
der Story zu verknüpfen vermag und zu einem sinnvollen, durchaus
befriedigenden Abschluss der Geschichte bringt. Tja! Wäre da nicht
das wirkliche Ende des Films. Ohne all zu viel spoilern zu wollen,
geschehen plötzlich zwanzig Sekunden vor Schluss Dinge, die absolut
nicht nachvollziehbar sind und jeglichen gesunden Menschenverstand
entbehren. Selten bin ich dermaßen frustriert und verärgert aus
einem Film gegangen. Ist Lars von Treir ein Mensch, der es nicht
ertragen kann, zumindest ein klitzekleines bisschen Harmonie in der
Welt zu wissen? Oder ist das alles Teil der großen Show um seine
eigene Person? Ist er wirklich depressiv, oder hat er seine
Depression nur zu einem Produkt gemacht, welches er seit vielen
Jahren überaus erfolgreich verkauft? Das würde zumindest in
Ansätzen dieses völlig sinnentfremdete Ende erklären.
Genug
davon! Lassen wir Lars von Trier für eine Weile in Ruhe. In den
nächsten Jahren wird sich da sowieso nicht so wahnsinnig viel tun.
Widmen wir uns stattdessen den wirklich wichtigen Filmen des letzten
viertel Jahres: „X-Men – Days Of Future Past“!
Zu
Beginn muss ich voraus schicken, dass ich die X-Men-Filme generell
mag. Besonders der erste Teil (2000) galt als richtungsweisend auf
dem Gebiet der Comic-Verfilmungen. Durch einfachste Mittel, die aber
handwerklich perfekt inszeniert wurden, gelang es Bryan Singer, die
schiere Kraft der Mutanten darzustellen. Wenn die aufeinander
getroffen sind, flogen nur so die Fetzen durch die Gegend. Obendrein
gab es eine Story, die dem Anspruch einer Comicverfilmung perfekt
entsprach. Nicht zu ernst, aber auch weit von Over-The-Top!
Zusätzlich servierte uns Singer mit Patrick Stewart und Ian McKellen
zwei, meiner absoluten Lieblingsschauspieler und es gelang ihm
obendrein, ein überzeugender Bezug zu solch historischen
Ereignissen, wie dem Holocaust, ohne, dass es unpassend wirkte.
„X-Men“ war erfolgreich, aber bei weitem nicht so erfolgreich,
wie das heutige Comicverfilmungen schaffen. Dafür gelang dem Film
die Vorreiterrolle und Singer diente als Inspiration sämtlicher
folgender Comic-Blockbuster, die seine anfänglichen Konzepte einfach
weiter führten und perfektionierten. Man denke nur an „Spder-Man“!
Hach! Spider-Man! Dann wurde es etwas tragisch. Für den zweiten
X-Men-Film zog Singer sämtliche Register. Komplexere Story, geilere
Effekte und viel, viel mehr Mutanten. Das funktionierte an der
Kinokasse nicht so gut und vielen Comic-Fans kam es so vor, als sähen
sie nur eine weitere, spektakuläre, aber austauschbare
Comicverfilmung. Für den dritten Teil gab Singer die Regie ab, um
sein Herzensprojekt „Superman Returns“ zu realisieren – ein
Film dessen unglaubliche Ambitionen nur von seinem kolossalen
Scheitern übertroffen wurde. „X-Men 3“ wirkte aber firscher, als
sein Vorgänger und brachte die Mutanten-Trilogie gleichermaßen
dramatisch, wie auch schlüssig zu einem Abschluss. Damit war noch
lange nicht Schluss, den Hugh Jackman glaubte, in Wolverine die Rolle
seines Lebens entdeckt zu haben. Leider gab es noch nicht den
entsprechend beeindruckenden Film zu dieser Rolle, weshalb er Gavin
Hood ins Boot holte, der „X-Men Origins: Wolverine“ inszenierte.
Damit sollte eine Spin-Of-Reihe etabliert werden, die der Reihe nach,
die einzelnen Mitglieder des Superhelden-Teams vorstellen sollte. Der
Film spielt zeitlich einige Jahre vor dem ersten X-Men-Film und
erzählt, wie Logan und sein Bruder durch die Zeiten wandeln und
letztendlich zu den Mutanten werden, die wir kennen. Einen weiteren
Teil der „X-Men-Origins“-Idee gab es nicht, denn der finanzielle
Erfolg des Films entsprach nicht den Erwartungen von 20th
Century Fox.
War
dies das Aus für die X-Men? Schon klingelten die Avengers und es
deutete sich an, dass Marvel und Disney die Sache mit der
Franchise-Bildung irgendwie besser hinkriegten. Als schon niemand
mehr damit rechnete gab Fox grünes Licht für einen neuen
X-Men-Film. Der sollte die Vorgeschichte der ursprünglichen X-Men
erzählen. Die sehr frühe Vorgeschichte. Von Kindesbeinen an
begleiten wir also Professor X, Mystique und Magneto.
Erstaunlicherweise funktionierte diese Prequel-Geschichte erstaunlich
gut und ich konnte diesen Film richtig genießen. Coole Schauspieler,
tolle Effekte, gute Story und eine (fast) nackte Jennifer Lawrence.
Auch hier blieb der erhoffte Riesenerfolg aus, der Film spielte aber
dennoch eine beachtliche Summe ein und es stand schnell fest, dass
das Prequel fortgesetzt werden soll. Vorher geschah noch etwas
verwirrendes. Der Wolverine-Film, der einige Jahre zuvor noch als
eingestellt galt, weil Daren Aronowsky wohl doch keinen Bock auf
Comic-Verfilmungen hatte, tauchte plötzlich wieder auf. Einmal mehr
schlüpfte Hugh Jackman in die Rolle des Klingen-schwingenden
Mutanten. Dieses Solo-Abenteuer war plötzlich wieder nach den
Ereignissen des dritten X-Men-Films angesiedelt und strotzte nur so
vor Logik-Fehlern. Wer das Ende von „X-Men 3“ kennt, weiß
vielleicht, was ich meine. Die Story führte Logan nach Japan und
mehr will ich darüber gar nicht sagen. Der Film war für mich eine
Qual und ich habe das meiste vergessen. Gleichzeitig wurde „X-men –
Days Of Future Past“ gedreht. Das führte übrigens zu einigen
lustigen Verwechslungen. Hugh Jackman tauchte als Wolverine mehrfach
am falschen Set auf, weil er wohl selbst den Überblick verloren
hatte, in welchem Film er nun grade wie und wo Wolverine spielen
sollte. Der neue Film sollte nun die ganzen Verwirrungen auflösen
und sozusagen sämtliche Kontinuitäten zusammen führen. Was in
Comicform vor einigen Jahren sehr gut funktioniert hatte – die
Storyline wurde zwei Jahre lang in 4 durchlaufenden Serien
veröffentlicht und gilt als eines der spektakulärsten
zusammenhängenden Comic-Abenteuer der Geschichte – konnte in
Filmform nur misslingen. Zeitlich befinden wir uns ein paar Jahre in
der Zukunft. Alle Mutanten haben plötzlich ihre Mutantenkräfte
zurück, obwohl zum Ende des dritten Teils ziemlich
unmissverständlich deutlich gemacht wurde, dass das eigentlich nicht
sein kann. Außerdem lebt Professor X plötzlich wieder, obwohl auch
an dessen Ableben am Ende des dritten Teils kein großer Zweifel
bestand. In dieser, also sehr verwirrenden Zeit, werden Mutanten von
Sentinels gejagt – übermächtige Terminator-Roboter, die in der
Lage sind, die Kräfte ihrer mutierten Gegner zu absorbieren und sie
gegen sie selbst einzusetzen. Man ist sogar so verzweifelt, dass alte
Feindschaften begraben werden und Magneto plötzlich ein Guter ist.
Nun muss jemand in die Vergangenheit geschickt werden, um ein
bestimmtes Ereignis zu verhindern, welches zur Herstellung der
Killermaschinen führt. Der einzige Mutant der die Strapazen einer
Zeitreise überstehen würde, ist Wolverine. In der Vergangenheit
muss er also seine Verbündeten finden und sie irgendwie davon
überzeugen, dass sie eigentlich keine Feinde sind. Das dadurch die
gesamte, bisherige X-Men-Kontinuität mit samt der bekannten
Ereignissen obsolet wird, ist eine andere Sache. Fakt ist, der Film
macht eine bessere Figur, als gedacht. Die Story wird erstaunlich
tiefgründig konstruiert und versucht, allen Figuren die
entsprechende Bühne zu verschaffen. Das gelingt tatsächlich ganz
gut, auch wenn sich Singer gegen Ende ein bisschen verstrickt, weil
es einfach zu viele Dinge gibt, von denen erzählt werden muss.
Insgesamt hat der Film ein angenehmes Tempo und bewegt sich etwas
abseits der mörderisch schnellen Verfilmungen der Kollegen von
Disney. Dennoch versucht „Days Of Future Past“ zu sehr, alles auf
einmal zu sein und wieder muss man sagen, der bahnbrechende
Supererfolg bleibt aus. Der Film ist okay, aber eben kein
Meisterwerk. Aber Singer gibt nicht auf. Niemals! 2016 kommt „X-Men
Apocalypse“
Ein
weiterer wichtiger – wenn nicht gar einer der wichtigsten Filme des
ganzen Jahres – war „12 Years a Slave“, ein Film, den ich zum
Kinostart gesehen habe, über den ich einen seitenlangen Text
verfasst habe, der wiederum nicht gepostet wurde, weil ich nicht dazu
gekommen bin, ihn Korrektur zu lesen. Als ich ihn endlich fertig
hatte, war es zu spät und mittlerweile wurde alles wichtige und
unwichtige über diesen Film auch an anderer Stelle gesagt und
geschrieben. Eine sache fehlt allerdings, weswegen ich den Film an
dieser Stelle noch einmal erwähne. Wer „12 Years a Slave“ nicht
gesehen hat, möge das unverzüglich nachholen. Steve McQueen hat es
geschafft, dieses dunkle Kapitel der amerikanischen Geschichte,
packend und absolut ungeschönt auf die Leinwand zu bannen. Es ist
erstaunlich, welche Wirkung die einfachsten Bilder auf den Zuschauer
haben können. Mir stiegen ständig Vergleiche zum Holocaust in den
Kopf und wenn man es nüchtern betrachtet und mal von einigen Details
absieht, und man wirklich ein historisches Ereignis suchen will,
welches mit den Ausmaßen der Grausamkeit und Menschenverachtung der
amerikansichen Sklaverei zu vergleichen ist, kommt man unweigerlich
zum Holocaust in Europa. Diese Erkenntnis hat mir dieser Film
gebracht. Plötzlich wird einem die Tragweite bewusst und es wird
einem klar, dass es nichts schlimmeres gibt, als das, was Menschen
anderen Menschen antun können. Der Film hat viele Menschen berührt
und letztlich ist er auch mit den prestigeträchtigen Preisen belohnt
wurden, die Hollywood ja anscheinend über alles gehen. Ob dieser
Film jedoch langfristig etwas in den Köpfen der Menschen verändern
konnte, bleibt ab zu warten. Ich jedenfalls, werde „12 Years a
Slave“ nie vergessen.
Ich
habe noch viele Filme gesehen, über die ich in letzter Konsequenz
hier nichts geschrieben habe. Sie alle hier und jetzt ausführlich zu
besprechen, würde den Rahmen sprengen. Natürlich müsste ich
ausufernd über „Inside Llewyn Davis“ schreiben. Ich belasse es
bei zwei Ratschlägen: Seht Euch den Film an! Hört Euch danach den
Soundtrack an! Tatsächlich sind diese beiden - nennen wir es mal –
Medien in der Lage alles zu transportieren, was man über Film wissen
muss.
Mal
wieder gesehen habe ich zum Beispiel „Blade Runner“, nachdem nun
bekannt wurde, dass Ridley Scott ernsthaft eine Fortsetzung
realisieren will. „Blade Runner“ funktioniert immer noch, trotz
seiner verstörend Anmutigen Skurrilität. Es ist eben ein
Genre-Definierendes Werk, welches auf so viele Arten und Weisen, neue
Dinge ausprobiert und teilweise auch etabliert hat. Muss der Film
gefallen? Nicht unbedingt, aber gesehen haben sollte man ihn, ohne
Frage!
Mal
wieder gesehen habe ich „Star Wars“. Bevor jemand die unerhörte
Freichheit besitzen kann, zu fragen, welche Star-Wars-Filme ich
gesehen habe, beantworte ich sie lieber gleich. Natürlich habe ich
die alten, die originalen – ja eigentlich die einzig wahren –
Teile gesehen. Ich gehöre zu der Sorte von Menschen, die sich „Star
Wars“ niemals in chronologischer Reihenfolge ansehen würden und zu
jenen Menschen, für die die Episoden 1 bis 3 eigentlich nicht
existieren. Aber auch hier steht uns in den nächsten Jahren eine
Fortsetzung an, über die ich persönlich eigentlich gar nichts
wissen möchte, bis sie fertig ist und in einem Kino meiner Wahl an
zu sehen ist. Jedem Gerücht, welches Hoffnung auf einen gelungenen
Film säen könnte, folgt sowieso sehenden Fußes ein Gerücht,
welches das Gegenteil bewirkt. Also, warum sollte ich mich verrückt
machen. Stattdessen gucke ich mir die Episoden 4-6 noch tausend Mal
an und genieße etwas, was mich und meine Faszination für Filme so
dermaßen geprägt hat, als das, was es ist: Eine Legende. Und
Legenden kann man nicht neu schreiben, egal, was J.J. Abrahms und
Disney dazu sagen.
Kurz
vor Ende möchte ich noch auf zwei kleinere, weil deutsche Filme
aufmerksam machen. Zum einen durfte ich in dieser Woche der
Deutschland-Premiere von „Die geliebten Schwestern“ beiwohnen.
Ein Film über den großen Dichter Friedrich Schiller und dessen
angeblicher Dreier-Beziehung zu den Schwestern Lengefeld aus
Rudolstadt. Entgegen sämtlicher Befürchtungen, geht der Film keine
oberflächlichen Pfade und hat weitaus mehr zu bieten, als so manche
Kostüm-Romanze der letzten Jahre. Mehr dazu gibt es übrigens in der
Radio-Sendung am kommenden Sonntag und anschließend auch hier an
dieser Stelle. Des weiteren wird es hier demnächst auch um „Wir
sind die Neuen“ gehen, den neuen Film von Ralf Westhoff. Dieser
Film hat auf zahlreichen Festivals in den letzten Wochen einige
Preise eingeheimst und feiert im Moment entsprechende Erfolge an den
deutschen Kinokassen. Abseits dieser kalten Fakten hat der Film noch
viel mehr zu bieten. Darüber lasse ich mich dann ebenfalls in aller
Ausführlichkeit aus.
War's
das jetzt wieder für die nächsten sechs Monate? Wo sind die
angekündigten Veränderungen? Wo bleibt der nächste
„FlimmerCASTen“? Hat Jan wirklich Jennifer Lawrence getroffen?
Das sind dringliche Fragen, die ich zumindest teilweise noch
beantworten kann. Das war's nicht für das nächste Jahr. Meine
berufliche Situation hat sich etwas verändert und gestattet mir,
sehr viel zu Hause zu arbeiten. Zeit für's Kino werde ich mir nun
auch einfacher frei schaufeln können und so wird es nun auch wieder
regelmäßige Beiträge hier geben. Die angedachten Veränderungen
für „Kineast“ bleiben noch auf dem Zettel, werden aber momentan
nicht praktikabel sein. Irgendwann wird es soweit sein. Der
„FlimmerCASTen“ ist ein Gemeinschaftsprojekt mit Antonia, die
selbst nicht weniger zu tun hatte, als ich, in den letzten Monaten.
Eine Weiterführung des Podcasts wird demnächst mal bei nem Weinchen
diskutiert. Aber keine Bange! Wir sind nach wie vor filmaffine, vor
verbaler Inkontinenz nur so strotzende Cracks. Eigentlich die besten
Voraussetzungen für ein derartiges Projekt!
Nicht
vergessen, am Sonntag, das Radio (bzw. den Stream) ein zu schalten!
14 Uhr geht’s los, ich freu mich auf Euch. Demnächst wird es hier
an dieser Stelle noch einen packenden Tatsachenbericht über die
schlechteste Sci-Fi-Messe der Welt geben und mal sehen, was sich noch
ergibt.
-Jan-