Kindheit eines Komikers

Von Eulengezwitscher @Edda_Eule

Hape Kerkelings offenherzige Kindheitserinnerungen stehen seit Wochen ganz oben in den Bestsellerlisten. Der eigentliche Geheimtipp ist aber das Hörbuch...

Hape Kerkeling (Pressefoto von Felix Rachor, verlinkt zur Homepage des Fotografen)

Seine Stimme ist seine beste Verkleidung: Hape Kerkeling. Mit noblem holländischen Akzent hat er die Königin Beatrix gegeben, als nuschelnder Rheinländer die Kultfigur Horst Schlämmer zum Leben erweckt. Dazu singt Kerkeling - neuerdings Schlager - kurzum: Mindestens eine seiner vielen Stimmen kennen fast alle. Wie aber klingt Hape Kerkeling, wenn er ausnahmsweise mal er selbst ist? Wenn er seine eigenen Kindheitserinnerungen liest, die keineswegs nur fröhlich und heiter sind? Denn die Welt des kleinen Hans-Peter steuert in Schlangenlinien, aber unaufhaltsam auf die größtmögliche Katastrophe zu: auf den Selbstmord der Mutter...

Zuerst einmal klingt dieser Medienprofi einfach nur professionell, fast so, als würde er gar nicht von sich erzählen. Nüchtern einstudiert: das ist der erste Eindruck, der unterfüttert wird von einer vermeintlich konstruierten Rahmenhandlung, die die Hörer dort abholt, wo sie Kerkeling kennen: in der Gegenwart. Aber dieser erste Eindruck täuscht - und zwar fundamental. Schon der Hape Kerkeling der Gegenwart lässt sich tief in die Seele blicken. Die Begegnung mit einem todkranken Mädchen, das einmal Horst Schlämmer treffen will, rührt zu Tränen und ist die emotionale Overture in ein ergreifendes Hörbuch. Obgleich Kerkeling selbst solche heiklen Szenen humorvoll - nicht albern! - auffängt und damit zumindest teilweise entschärft, zeigt sich der erfolgreichste deutsche Komiker, der gerne mal Lacher auf Kosten anderer einheimst, von einer anderen Seite: empathisch ist Kerkeling, sensibel und offenherzig. 

All das nimmt er mit in die Geschichte seiner Kindheit. Diese Geschichte ist glänzend erzählt: Sie ist im Grunde eine Vereinigung vor den starken und den schwachen Frauen seiner Familie: Die beiden Großmütter, unterschiedlich wie Tag und Nacht, sind die beiden resoluten Figuren, die dem pummeligen Hape eine gewisse Stabilität und sein Selbstwertgefühl geben. Er liebt sie beide: Die alles beherrschende und "bekloppte" Oma Änne, die das ganze Viertel rockt; und die zurückhaltende, doch nicht weniger entschlossene Oma Bertha, die ihr trautes Heim "ohne einen Blick zurück" verlässt, um für ihren Enkel zu sorgen, nachdem sie dessen Mutter umgebracht hat. Aber: Kerkeling verneigt sich auch vor seiner schwachen Mutter. Seine Memoiren sind keine Abrechnung mit ihr, die ihn so grausam im Stich gelassen hat (er liegt neben ihr im Bett, nachdem sie sich mit Tabletten vergiftet hat). Vergeblich hatte er immer wieder versucht, sie aufzuheitern: mit Blödeleien und einer Art von kindlicher Stand-Up-Comedy. Kerkeling hat darüber nicht die Lust am Frohsinn verloren. So traurig seine Kindheitsgeschichte ist, so eindringlich er sie erzählt und so intensiv die Stunden sind, in denen sie von Kerkeling selbst mit sanfter und ernster Stimme erzählt werden, so sehr macht dieses Hörbuch auch Mut: Mut, sich auch in scheinbar aussichtslosen Situationen nicht hängen zu lassen. Dieser Mut, auch das zeigt Kerkelings Biografie, lohnt sich - genau wie dieses Hörbuch.

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