Kindern den Kommunisten austreiben

oder: Pamphlet für einen entfesstelten McCarthyismus.

Man muß den Kommunismus, der sich plötzlich wieder in der Gesellschaft manifestiert, an der Wurzel packen: beim Kind nämlich. Kinder sind Kommunisten! Sicher, sie sind keine Sowjetkommunisten, keine die dem realen Kommunismus, wie es ihn gab, mit seinem gescheiterten Konzepten und Mangelerscheinungen, entsprechen würden; sie sind eher wie idealistische Frühkommunisten, die ja einst eifrig an Wunschbilder glaubten. Kindliche Verhaltensweisen riechen viel zu oft kommunistisch: sie teilen, sie empören sich aufgrund von Ungerechtigkeiten und Willkür, erkennen Autoritäten nur schleppend an, haben Verständnis für Arme und Notleidende. Das Kindliche birgt kommunistische Gesinnung; Kindliches kann daher gesellschaftsschädlich sein...

Sehen Sie, zum Beispiel meine Tochter, die hat neulich ihr Pausenbrot mit einem Schüler geteilt, der hungrig und ohne Brot war – ich habe ihr diese kommunistischen Flausen ausgetrieben: sie bekommt ab sofort kein Pausenbrot mehr mit! Das muß man tun, solange der Kommunismus sich wieder gesellschaftlich in Nischen schleicht; der Antikommunismus muß erhungert werden, wenn nötig. Sähe ich, dass sie zu viel Mitleid mit jemanden hat, der behindert ist oder einfach nur arm, würde sie sogar mit ihren kindlichen Worten soziale Teilhabe für einen solchen Personenkreis einfordern, ich würde umgehend intervenieren, ich würde ihr ausgiebig darlegen, dass Mitleid keine Zier ist, sondern ein Denkfehler - die Natur lehrt uns: sei hart, dann überlebst du - und nur dass du überlebst ist wichtig; die anderen sollen sich um sich selbst kümmern, dann ist jedem geholfen.

Ungerechtigkeit gibt es, würde ich ihr sagen. Aber so war es immer, so wird es immer sein. Damit zu leben: das ist die Kunst des aufgeklärten Menschen; die Ungerechtigkeit zu ignorieren: nur so kommt man weiter! Sich darüber mal beiläufig in einem Nebensatz empören, das ist ja durchaus erwünscht - aber doch nicht vehement und ständig, so wie es Kommunisten und Kinder gleichermaßen tun.
Kommunisten fräßen Kinder, hieß es mal in der Propaganda. Aber das stimmt nicht: Kommunisten sind Kinder - und Kinder sind Kommunisten! Wenn man den Kommunismus aus den Menschen züchten will, dann muß man seine Kinder gewissenhafter erziehen, ihnen ihr urtümlich Kommunistisches, diesen angeborenen Reflex austreiben. Wer sein Gesellschaftssystem liebt, läßt sein Kind den Kommunismus aus dem Leib hungern.

Jetzt übertreibt er, werden Sie sagen, der spinnt ja! Kinder sind doch unverdächtig, wirklich kommunistisch angetrieben zu sein - sie sind, wie sie immer sind. Das stimmt sogar! Nur: man muß auch den unverdächtigen Kommunismus anfechten; damals nach dem Krieg standen bestimmte indianische Stämme in den Vereinigten Staaten am Pranger, weil diese kein Privateigentum kannten, ihr Hab und Gut untereinander teilten. Das rieche streng kommunistisch, urteilte man da und leitete Gegenmaßnahmen ein. Diese Ureinwohner waren sicher keine Kommunisten, vielmehr lebten sie so, wie schon ihre Vorfahren lebten, als es die Idee des Kommunismus noch gar nicht gab - als es noch nicht mal weiße Leute auf ihrem Erdteil gab. Dennoch packte man das Problem beim Schopf! Und was sehen wir heute in den Vereinigten Staaten? Genau: keinen Kommunismus! Dort ist er mit Stumpf und Stiel ausgerottet und schon lange tot. Man muß denjenigen, der dem Kommunistischen nacheifert, ja nicht moralisch verurteilen, denn manchmal weiß er nichts von seiner Verfehlung - aber man muß ihn deshalb doch trotzdem bekehren.

Das Mitmenschliche, unter dem die Uridee des Kommunismus so krankhaft leidet wie das kindliche Gemüt, es muß getilgt werden. Werdet wie die Kinder, soll Jesus gesagt haben: aber dann würden wir alle kommunistisch - die Kinder sollen werden wie wir, sollen erwachsen werden, müssen das Kindliche ausgetrieben bekommen in Elternhaus und Schule. Wir müssen ihnen lehren, dass in einer Welt der Knappheit kein Platz für romantische Ideale ist; wir müssen ihnen das Pausenbrot verwehren, damit sie es nicht brechen und mit Hungerleidern teilen - und wir müssen ihnen das Martinsfest austreiben, ihnen stattdessen Kostümfeste schenken, die von Teilhabe und Mitmenschlichkeit nichts wissen. Chancengleichheit und solcher Tand: alles auf falsche Prämissen bauend, dass der Mensch gleich Mensch sei; aber genau das ist er nicht, denn es gibt bessere und schlechtere Exemplare, wertvolle und nutzlose - man schmiere also keine Pausenbrote mehr, damit dem Kind endgültig dieser subkutane Kommunist ausgetrieben wird!


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