Kinderarmut mit Einkommen verrechnet

Von Robertodelapuente @adsinistram
Kinder unter 15 Jahren in Hartz IV-Bezug werden weniger. Das verbucht die Bundesagentur für Arbeit als großen Erfolg. An den Zahlen lasse sich messen, dass die Situation am Arbeitsmarkt besser sei, als man das für gewöhnlich wahrnimmt - den Jobcentern sei es zudem gelungen, die Eltern dieser Kinder in Arbeit zu integrieren. Die Arbeitsmarktreformen waren ein durchschlagender Erfolg! Und die Medien beten es fromm nach. Ohne Hintergrundfakten, ohne eigene Überlegungen...

Weniger Kinder = weniger Hartz IV-Kinder

Etwa 1,64 Millionen Kinder erhielten im Jahr 2011 Hartz IV. Das heißt, sie bezogen nicht Hartz IV, was gemeinhin mit Arbeitslosengeld II gemeint ist, sondern Sozialgeld. Darauf kommen wir aber gleich noch zurück. Im Jahr 2006 waren es noch etwa 257.000 Kinder mehr. Das macht laut Analyse ein sattes Minus von 13,5 Prozent.
Im Jahr 2006 gab es in Deutschland etwa 11,5 Millionen Kinder unter 15 Jahren. 2011 waren es nur mehr 10,75 Millionen (wobei für das letzte Jahr die höchste Schätzung angenommen wird). Es gab also 2011 etwa 0,75 Millionen Kinder unter 15 Lebensjahren weniger im Land als noch 2006. Das ergibt ein Minus von etwa 6,5 Prozent. Der Geburtenrückgang, der andernorts beklagt wird, hier hat er schöne Zahlen geschaffen.

Zwangsläufig hat der Rückgang von 13,5 Prozent auch etwas damit zu tun, dass es innerhalb dieser fünf Jahre zwischen 2006 und 2011 etwa eine dreiviertel Million Kinder unter 15 Jahre weniger im Land gab. Das schmälert die Aufbruchstimmung durchaus, erklärt aber nicht, weshalb der Rücklauf viel höher ausgefallen ist, obgleich andere Zahlen belegen, dass die Kinderarmut ganz sicher nicht auf dem Rückzug ist. Durchaus kann es daran liegen, dass die Eltern in Arbeit vermittelt wurden, ob das Leben auf Hartz IV-Niveau deshalb aber vorbei ist, muß bezweifelt werden.

Sozialgeld vor Arbeitslosengeld II

Wie schon angerissen, Kinder erhalten nicht Hartz IV, also Arbeitslosengeld II, wie der Begriff impliziert, sie erhalten Sozialgeld. Dieses erhalten nur nicht erwerbsfähige Personen.

Praxis der Jobcenter ist es nun, dass man das erzielte (Niedriglohn-)Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft (BG) auf alle Personen der BG verteilt bzw. verrechnet. Bevorzugt verrechnet man die Sozialgeldansprüche innerhalb der BG, d.h. die Sozialgeld-Regelsätze der Kinder. Die sind ohnehin geschmälert, weil man auch das Kindergeld davon abschlägt. Das heißt letztlich, wenn eine Familie das geringe Einkommen vom Jobcenter aufstocken lassen muß, dann erhält sie Arbeitslosengeld II, nicht Sozialgeld. Nochmal deutlicher: die Eltern erhalten die Aufstockung, die Kinder sind durch Kindergeld- und Einkommensbereinigung zwar auf dem Bescheid der Behörde aufgelistet, erhalten faktisch aber keine Leistungen.

Das bedeutet also, dass Kinder zwar in sogenannten Hartz IV-Familien auf sogenannten Hartz IV-Niveau leben können, aber faktisch (auf Bescheid) eigentlich keine Leistungen erhalten - dass also Kinder unter 15 Jahre nicht mehr Hartz IV erhalten. Der Niedriglohnsektor ist beträchtlich angewachsen in den letzten Jahren. Viele Erwerbslose landeten seither in Mini- oder Midi-Jobs. Was die BfA behauptet, ist vielleicht nicht mal gelogen - aber die Kinderarmut geht deshalb noch lange nicht zurück, wie man das so feierlich verkündete.