Ben Foster, Daniel Radcliffe, Dane DeHaan und Jack Huston in Kill your Darlings
Die Beat Generation scheint ihre literarischen Einflüsse immer mehr auf die Filmwelten Hollywoods zu übertragen. Gerade in letzter Zeit sprießen die Geschichten um das Leben der Beat-Autoren in den Kinos auf und bescheren ihren bekanntesten Vertretern Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs eine neue Popularität. Von James Franco – als Allen Ginsberg in Howl von der Berlinale bis zum Sundance Film Festival gelobt – über On the Road, dem 2012er Film, der von den Reisen Kerouacs und seiner Freunde quer durch die USA erzählt bis hin zu dem jüngsten Emporkömmling Kill your Darlings mit Daniel Radcliffe in der Rolle Ginsbergs.
Zeitlich spielt Kill your Darlings vor den genannten Filmwerken, beschäftigt sich mit den Tagen an der Columbia University und dem Kennenlernprozess dieser Beat-Gründungsväter. Ein junger Allen Ginsberg trifft im Jahre 1944 auf Lucien Carr (Dane DeHaan) und wird von ihm in einen unkonventionellen Zirkel von Literaturliebhabern eingeführt. Hier erfährt Ginsberg ein neues Lebensgefühl. Hier entwickeln sie gemeinsam mit Jack Kerouac (Jack Huston) und William S. Burroughs (Ben Foster) Lebensentwürfe die mit den damaligen gesellschaftlichen Konventionen brechen. Zentrum des Films bildet die literarische wie homosexuelle ménage à trois zwischen Ginsberg, Carr und David Kammerer (Michael C. Hall).
Im Zentrum von Kill your Darlings: Daniel Radcliffe als Allen Ginsberg und Dane DeHaan als Lucien Carr
Die Beat Generation fand eigentlich in der Veröffentlichung des Gedichts Howl von Allen Ginsberg seinen Ursprung, 1957 durch Kenneth Rexroth in der Evergreen Revue. Und auch wenn Kill your Darlings weit vor diesem Moment spielt, merkt man schon die Wurzeln dieser Lebenseinstellung. Es geht um unkonventionelle Gedanken, um die Rebellion gegen das Normale. Damit könnte man sagen, diese Beat Generation, explizit die hier auftretenden Vertreter, agieren wie eine klassische Variante des von Sofia Coppolas rebellierenden Bling Rings, nur eben 70 Jahre früher. Wo die Teenager in Coppolas Film in die Villen der Stars und Sternchen einbrechen, eine sie allzeit umgebende Lebenskultur, der in Zeitschriften und Magazinen gehuldigt wird, dringen die Beat-Sprösslinge in die heiligen Hallen der Columbia University ein, um dort in Glasvitrinen liegende gehuldigte Literatur gegen Eigenempfehlungen von Schriftstellern wie Henry Miller auszutauschen, der mit seinem Postmodernismus und der Verachtung der Werte der Mittelschichtgesellschaft einen großen Einfluss auf die Beat Generation hatte.
Bei all den großen Namen dieser Beat-Strömung sind es im Film doch vor allem Allen Ginsberg und Lucien Carr, die in den Mittelpunkt gestellt werden. Während Burroughs und Kerouac Randerscheinungen bleiben, von denen nur kurz ein schweres Verhältnis zum Vater (Burroughs) und eine ebenso komplizierte Ehe (Kerouac) thematisiert werden, steht Daniel Radcliffe und Dane DeHaan die meiste Leinwandzeit zu. Zuerst geht es um ihre Freundschaft zueinander, die für beide eine Stärkung darstellt – Carr hat mit seiner außergewöhnlich rebellischen Attitute bis zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Freunde an der Columbia finden können, Ginsberg – neu an der Uni – befindet sich allgemein auf Sinnsuche. Dann wird aus dieser Freundschaft langsam mehr, homoerotische Töne klingen an. Hier kommt Michael C. Hall ins Spiel. Er mimt David Kammerer, den Liebhaber Carrs, der sich immer mehr verdrängt fühlt und hierüber selbst beginnt Carr in die Enge zu treiben.
Was Radcliffe und DeHaan hier abliefern ist beste Schauspielkunst. Sie leben beide das Gefühl der Beat Generation, entwickeln sich aber langsam in entgegen gesetzte Richtungen. Die Rebellion bleibt stets erhalten, nur bei Carr führt sie ein wenig zu weit, während Ginsberg sich auf den harmloseren, jedoch nicht minder gesellschaftskritischen Weg begibt. Gerade bei Daniel Radcliffe muss man sich immer wieder wundern, wie sehr und schnell er sich von dem Image des ewigen Harry Potters verabschieden konnte. Ob als alleinerziehender Vater in einem verfluchten Haus (Die Frau in Schwarz) oder in der Fernsehserie A Young Doctor’s Notebook als Arzt in einem Krankenhaus inmitten der russischen Revolution, niemals wirkt Radcliffe wie der Zauberschüler aus Hogwarts, nicht einmal wenn er in Kill your Darlings Wuschelhaare und Brille trägt und damit äußerliche Ähnlichkeiten zu seiner Frührolle vorweist.
Michael C. Haal und Daniel Radcliffe lieben denselben Mann
DeHaan muss als immer noch verkanntes Genie angesehen werden, so wenig wird er in Hollywood als feste und wertvolle Instanz der Jungdarsteller-Szene beachtet. Er wird getypecastet, übernimmt oftmals Figuren des Wahnsinns, denen er mit entsprechendem Gesichtsausdruck begegnet. Das tat er in dem Superhelden Found Footage Film Chronicle in 2012, in dem er vielleicht zum ersten Mal von einer breiteren Masse wahrgenommen wurde. Das wiederholt er als manischer Fan Metallicas in Through the Never und wird es vermutlich auch als Harry Osborne in der Comicverfilmung The Amazing Spider-Man 2 wieder machen. Aber auch hier eben nur als zweite Geige, als bester Freund von Peter Parker, ebenso wie in Kill your Darlings als bester Freund von Allen Ginsberg. DeHaan kann mehr und man hofft auf den Film, in dem er es zeigen darf.
Dennoch kann er hier schon einiges vorweisen, wie schon erwähnt, gerade in Kombination mit Daniel Radcliffe und Michael C. Hall. Kill your Darlings schafft es, dass man hinterher zumindest einmal kurz zum stöbern in den Geschichtsbüchern – oder Online-Lexika – angehalten wird, was es mit dieser Beat Generation im Detail auf sich hat. Und wenn ein Film es schafft, dass man sich doch (noch einmal) Howl, sowohl als Gedicht wie auch als Film, zu Gemüte führen möchte, dann muss es ein interessantes Dokument für die Beat Generation darstellen.
“Kill your Darlings”
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2013
Länge: ca. 103 Minuten
Regie: John Krokidas
Darsteller: Daniel Radcliffe, Dane DeHaan, Michael C. Hall, Jack Huston, Ben Foster, Elizabeth Olsen, Jennifer Jason Leigh
Kinostart: 30. Januar 2014
Im Netz: facebook.com/KillYourDarlings.derfilm