Kickt noch

Kickt nochBobby Womack „The Bravest Man In The Universe“ 
(XL Recordings)
Einfach oder ausführlich? Einfach machen, hieße hier: Man suche sich die Rezension des phänomenalen Albums „I’m New Here“ von Gil Scott-Heron heraus, tausche neben den Künstlernamen an den entsprechenden Stellen „Rap“ mit „R&B und Soul“, fertig ist die Laube. Das geht natürlich auch eine ganze Spur respektvoller und mit einem Mehr an Information: Richard Russell, Musiker und Chef von XL-Recordings, der Mann also also, der vor zwei Jahren Uralt-Ikone Gil Scott-Heron zu einer Zusammenarbeit überreden und ihm so ein Jahr vor seinem Tod ein sagenhaftes Denkmal setzen konnte, hat nun nach gleichem Muster und unter Mithilfe des arbeitswütigen Allrounders Damon Albarn Soullegende Bobby Womack auf ungewohntes Terrain gebeten.
An einer Stecktafel würden sich die Querverbindungen dieser Kollaborationen als ein munteres Hin und Her illustrieren lassen: Nicht nur, dass Womack sich seinerzeit schon für Albarns Gorillaz und den Track „Stylo“ mit einem Gastauftritt verewigte, Russell selbst baute zudem, quasi als künstlerisches Stilmittel, zwischen die einzelnen Songs von „The Bravest Man...“ Audiosequenzen ein, die zum einen von Womacks mutmaßlichem Ziehvater Sam Cooke als auch vom verstorbenen Scott-Heron stammen – der Verschiedene ergänzt aus dem Off das Werk seines Nachfolger, welch feiner Humor.
Die Songs sind für R&B-Puristen und Soultrainees alter Schule möglicherweise etwas gewöhnungsbedürftig – Womacks brüchige Stimme, aus der, wer will, gern auch den Zahn der Zeit und die überstandene Krankheit herausorakeln darf, dennoch beharrlich und nicht selten anrührend, unterlegt mit Russells Beats und Samples und Albarns klugen Keyboardspielereien – sie brauchen wider Erwarten nicht viel Zeit. Ein kontemplatives Cello für’s Intro, „The bravest man in the universe, is the one who has forgiven first“, klackernde Drumpads, tripping, ersetzt durch das dunkle Pluckern bei „Please Forgive My Heart“ und einen verführerischen Synthiepart, schneller kann man kaum zum Punkt kommen. Auf den Gospel von „Deep River“ folgt das stimmige Duett mit Lana Del Rey („Dayglo Reflection“) und ein nicht minder reizvolles „Sweet Baby Mine“, das nach aller Herzenlust raschelt, pocht und zittert.
„A beautiful mummification into an assertion of intelligence and power, full of blood, sweat and salty vinegar” schreibt das Onlineportal npr, zweifelnd, wie euphorisch man hier wohl urteilen darf. Manchem mag da „Love Is Gonna Lift You Up“ helfen, der einzige Song, dessen Drumherum etwas lieblos gestrickt wirkt, hier muß man wenigstens nicht in Ehrfurcht erstarren. Der Rest jedoch bleibt makellos, der Wechselgesang Womacks mit der malischen Sängerin Fatoumata Diawara bei „Nothing Can Save Ya“ ebenso wie der donnernde Abschlußstomp „Jubilee“. Wenn auch nicht jeder Traditionalist diese Platte in sein Herz schließen wird, so bleibt es Russells Verdienst, Womack einem neuen Hörerkreis erschlossen zu haben, Leuten also, die sonst nicht oder schwerlich einen Zugang zu seinem Werk gefunden hätten. Oder, auch treffend, der Schlußsatz von npr: “Fascinating dance of someone who will keep kicking until he can kick no more.”Komplettstream des Albums auf npr - hier.

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