Als selbstständiges Denken bezeichnet man den Vorgang, wenn ein Mensch sich Informationen aus möglichst unterschiedlichen Quellen sammelt, diese miteinander vergleicht und seine eigenen Schlüsse daraus zieht, die teilweise auch von den Quellen abweichen.
Das geschieht dann auch meist kurz bevor wir uns auf den Weg zum Sport machen wollen.
"Ich will nicht zum Handball", schreit der Mittlere, als ich ihm die Sporttasche packe.
"Ich auch nicht!", meint die Große.
"Warum das nun wieder nicht?", frage ich genervt, weil es schon wieder kurz nach Vier ist und der Weg zur Turnhalle mit den drei Minimonstern mehr als fünfzehn Minuten dauert - das Umziehen noch nicht mit eingerechnet.
"Es ist langweilig da", schmollt der Mittlere auf dem Treppenabsatz.
Von wegen langweilig! Wir waren erst einmal dort. Wie kann es nach einmal ausprobieren schon langweilig sein? Ich lasse mich nicht auf Diskussionen ein. Das habe ich mehrmals hinter mich gebracht. Jetzt muss endlich mal etwas durchgezogen werden, denke ich.
"Ich will lieber zum Basketball", sagt die Große. Sie hat sich neben den Mittleren auf den Treppenabsatz gesetzt. Vom Kleinsten mal wieder keine Spur. Er schmollt nicht, er versteckt sich lieber.
NÖ! denke ich. Diesmal bestimme ich mit elterlicher Autorität, was das Beste für meine Monster ist. Alle gehen zum Handball. Fertig. Keine Diskussion.
"Das ist aber doof da", sagt die Große. Was allerdings nicht doof ist, denke ich, ist die Tatsache, dass dort alle meine Kinder zur gleichen Zeit in einer Turnhalle untergebracht sind, die wir außerdem noch zu Fuß erreichen können! Das ist eindeutig ein Argument zugunsten von Mama.
"Müssen wir wieder da hin laufen?", fragt der Mittlere den Tränen nah.
"Natürlich laufen wir!", bestimme ich.
"Och nöööö...", schallt es aus zwei Kinderkehlen. Und ob, denke ich und versuche meinem Mittelkind die Schuhe an den Füßen festzuschnallen, was er vehement zu verhindern weiß.
Eigener Wille hin und her - so lange ich das Taxiunternehmen leite, so lange haben sie gefälligst meine Spielregeln zu befolgen ...
"Weiß jemand, wo der Kleinste ist?", frage ich die beiden. Das Mittelkind guckt mich mit diesem Ich-sag-nichts-mehr-ohne-meinen-Anwalt-Gesicht an. Die Große schüttelt den Kopf. Mist! Ich rufe. Keine Reaktion. Ich rufe noch einmal. Wieder nichts.
"Ihr zieht euch schon mal die Jacken an", sage ich zu den beiden. Dann stampfe ich die Treppen hinauf.
"Du musst deine Schuhe ausziehen", höre ich die Große hinter mir herrufen.
Ach, Menno! Immer diese klugen Bemerkungen. Als ich den Treppenabsatz erreiche, kann ich den Kleinsten sehen. Er liegt unter dem Bett der Großen. Mit seinem Pilz im Arm. Und er schläft.
"Gut, ihr habt gewonnen. Wir bleiben zu Hause." Selbst der Jubelschrei seiner Geschwister hat ihn nicht aus dem Reich der Träume geholt.