Hinter uns kam das Wartezimmer in Bewegung. Ein fröhlich glucksendes Kleinkind verwandelte sich innerhalb weniger Minuten zu einer schreienden Furie, als Mama ihm die Jacke ausziehen wollte. Unerwartet warf sich der Dreikäsehoch mit hochrotem Kopf auf den PVC-Belag und strampelte sich die Lauflernschuhe von den Füßen. Geballte Fäuste schlugen abwechselnd auf den Boden, während die zorntriefende Stimme gegen die Ungerechtigkeit anschimpfte. Als er die Stirn seines weißblonden Kleinkind-Kopfs als Rammbock benutzte, um seinen Unmut in der Allgemeinarztpraxis von Doktor Irgendwas unter uns kundzutun, schritt nun endlich auch die Mutter ein. Mit einem Trick.
Sie zückte ihr Smartphone. Der Kleine schielte nach oben. Sie begann zu tippen und zu schieben. Der Kleine guckte immer noch. Dann ertönten die ersten Zeilen aus einem Lied des Disney-Klassikers "König der Löwen". Blitzartig rappelte sich der kleine Schreihals vom Boden hoch und krabbelte zu Mama auf den Sitz. Zu "Hakuna matata" ließ sich der Knirps endlich auch aus seiner Jacke pellen.
Gesegnet sei der Erfinder des Smartphones. Gelobt seien die Macher von Apps & Co. Zu meiner Zeit gab es noch Kinderspielzeug und Bücher beim Kinderarzt. Heute sind diese vorsinnflutlichen Gegenstände aus fast jeder Arztpraxis verschwunden. Man braucht nur ein Smartphone und alle sind glücklich. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich die Kurzen beim Kinderarzt irgendwelche Krankheiten geholt haben, weil sie mit dem gleichen Spielzeug, wie das wegen Grippe im Wartezimmer sitzende Kind gespielt haben. Vorbei sind die Zeiten, wo Kinderbücher beim Arzt Abnutzungsspuren aufwiesen und regelmäßig ersetzt werden mussten.
Es lebe der Fortschritt!!!