Die wirtschaftliche Situation im Land ist für sehr große Teile der Bevölkerung alles andere als rosig. Lehrer fahren zusätzlich Taxi, um ihre Familien ernähren zu können, viele Arbeiter bekommen monatelang keinen Lohn ausbezahlt, Streiks werden abwechselnd mit subversiven oder brutalen Methoden vom Staat unterbunden. Kinder betteln oder werden schon mit 7 Jahren zu schwerer körperlicher Arbeit gezwungen. Der Schwarzmarkt für menschliche Organe blüht, das Angebot ist riesig.
Trotz konsequent und unbarmherzig durchgeführter Hinrichtungskampagnen gibt es im Iran eine massive Drogenproblematik. Angeblich werden hauptsächlich Drogenhändler hingerichtet, um andere abzuschrecken. Besser ist mit den Drogen nichts geworden. Was einige Pasdaraneinheiten zu verhindern suchen, stiften andere an. Es heißt das lukrative Geschäft mit den Drogen liege in den Händen der Pasdaran.
Dazu pfeifen es alle Spatzen von den Dächern: die jungen Leute wollen nichts mehr von Religion wissen oder wenden sich anderen Religionen zu. Christliche Hauskirchen haben enormen Zulauf, alleine in Schiraz soll es 30.000 Mitglieder geben. Auch die traditionellen spirituellen Orden wie der Nematollah Gonabadi Derwisch Orden soll in den letzten Jahren in ganz Iran starken Zulauf bekommen haben. Angeblich zählt der Orden 4 Millionen Mitglieder.
Diese Probleme im Land hätte das Regime ja noch alle kaschieren können. Es sind keine neuen Probleme auch wenn sie sich verschärfen. Doch selbst die Exekutive, die Judikative und die Legislative stritten Anfang 2012 heftig miteinander und bezichtigten sich gegenseitig der Korruption. Ahmadinedschad gegen Ali Laridschani, den Parlamentspräsidenten. Sadegh Laridschani, der Justizminister, gegen Ahmadinedschad und verbale Ausfälle und Schlägereien von Parlamentsabgeordneten rundeten das Bild der letzten Monate ab. Zusätzlich gab es immer wieder Kritik an der Politik Khameneis auch von Seiten hochstehender Ayatollahs, was mehr Gewicht hat im derzeitigen System Irans als wir uns das im Westen vorstellen können. Khamenei steht wegen der Sanktionen unter Druck, er steht wegen der misslungenen Auslandsoperationen in Thailand, in Aserbaidschan, in den USA unter Druck und natürlich das heftig diskutierte Atomprogramm im Iran erzeugt in Irans politischer Klasse Spannungen. Er hat sich den Druck selbst eingebrockt.
Wechsel der Ausrichtung Khameneis während Khatamis Präsidentschaft
Nachdem die 8-jährige Präsidentschaftsperiode von Khatami zu Ende ging, war Khamenei überhaupt nicht zufrieden mit der Entwicklung der Gesellschaft hin zu mehr Offenheit gegenüber dem Westen.
Er änderte seine Strategie und brachte Mahmoud Ahmadinedschad in den Ring, stellte sicher, dass Ahmadinedschad in seiner ersten Präsidentschaftswahl Sieger über Rafsandschani wurde und gab sogenannten Prinzipientreuen mehr Raum. Im Hintergrund startete er Kampagnen gegen religiöse Gruppierungen, die er als größte ideologische Bedrohung für seine Herrschaft und vor allem für seine Legitimierung identifizierte. Als größte Gefahr diesbezüglich machte er die Sufis aus, allen voran den Nematollah Gonabadi Orden, dessen Mitglieder zahlreiche Nichtregierungsorganisationen gegründet hatten, um soziale Aufgaben zu erfüllen. Die Sufis betrieben Krankenhäuser, machten sich für Altenpflege stark und waren aktiv auf dem Feld der Erziehung und Kultur. Doch auch Mitglieder christlicher Hauskirchen, Bahai, Sunniten und weitere spirituelle oder religiöse Gruppierungen gehörten zu denen, die als Feinde gebrandmarkt wurden. In der Zeit von Khatami waren die vorher unter Rafsandschani erfolgten Attacken gegen Sufis erschlafft. Khatami hatte Khamenei überzeugt die offenen Attacken zu unterbinden und eine "Strategie der Einbettung" zu verfolgen. Es wurden Sufis ermutigt Veranstaltungen zu Sufitum in Europa und in den USA durchzuführen. In Großbritannien, in den Niederlanden, in Spanien, Bulgarien, Kanada und den USA fanden Symposien zu Dichtern wie Schah Nematollah Vali oder Rumi statt. Das besondere an diesen Symposien war, dass jede dieser Veranstaltungen von Agenten des Regimes unterwandert wurde. Sie hatten den Auftrag westliche Akademiker für Interessen des Regimes zu gewinnen und die Sufis beiseite zu drängen. Die Agenten des Informationsministeriums konnten ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen und das Archiv über die Sufis und ihre Kontakte im Westen mit unzähligen Akten füllen. Diese Strategie wurde jedoch aufgegeben nachdem einige Sufis sich zurückzogen und andere es nicht schafften westliches Publikum zu interessieren. Gleichzeitig wollte Khamenei seine harte Linie durchsetzen und er gab religiös-faschistischen Kräften mehr Spielraum für ihr Wirken.
Mitglieder des Nematollah Gonabadi Ordens erlitten Verfolgung und Zerstörung durch paramilitärische Bassidschi in Qom , Karadsch, Boroudscherd, Kish, Isfahan, Gonabad, Kavar und anderen Orten. Politische Verantwortung hatte in dieser Phase nie jemand sichtbar übernommen. Hohe Politiker wie z.B. der Parlamentsabgeordnete Alaeddin Boroudscherdi beschuldigten stattdessen die Opfer den Volkszorn durch sogenanntes "unislamisches Verhalten" angestachelt zu haben oder mit Feinden des Systems zu verkehren oder gegen das Regime zu handeln.
Schon zum Ende von Khatamis Präsidentschaft (2005) wurde ein Buch wieder aufgelegt, dass schon während Rafsandschanis Präsidentschaft 10 Jahre zuvor unter Bassidschi verteilt wurde und ihnen für Hasstiraden und Angriffe gegen Sufis diente ("In der Welt der Sufis" / "In Cujeh Sufian"). Dieses Buch war Teil einer Bücherserie des Kayhan Institutes gegen verschiedene als Gegner ausgemachte Gruppen.
Payam Fazlinedschad führte den Intellektuellenstrom mit Kontakten zum Ausland vor wie zum Beispiel Ramin Jahanbegloo.
Hassan Shayanfar trat als Autor gegen mystische Strömungen auf. Unter anderem wurde ein Buch gegen Hassan Bassri veröffentlicht, einem Muslim zweiter Generation, der noch viele Gefährten Mohammads kennen gelernt hatte und für seine Spiritualität und Barmherzigkeit bekannt und beliebt war.
Er vertrat die Ansicht, der Mensch habe einen freien Willen.
Zeiten der Verfolgungen
Diese scheinbar zufälligen Attacken, die sich 6 Monate nach Amtsantritt Ahmadinedschads zu häufen begannen und seinem Messianismus zugerechnet wurden, bekamen plötzlich am 27. Mehr 1389 (18. November 2010) ein Gesicht, als Ali Khamenei in Qom auftrat und eine historische Rede gegen Sunnis, Bahai, Sufismus als "falsche Mystik" und Anhänger christlicher Hauskirchen hielt. Hier zeigte sich die Quelle der vergangenen und zukünftigen Verfolgungen. Es war der Oberste Führer selbst ohne dessen Zustimmung und Anordnung im Iran solche Kampagnen nicht stattfinden können. Ausführende dieser Kampagnen waren in den Sicherheitsorganen der Pasdaran angesiedelt. Federführend agierte ein Mullah namens Abdulrahman Biranvand, Leiter des Institutes für Religionen und Sekten. Über die Webseiten Bultannews, Borhannews und Adyannews setzten die von Khamenei Beauftragten die Angriffe gegen "mystische Strömungen" weiter fort.
Als das Regime im Iran nach den schockierenden Straßenprotesten eines großen Teils der Bevölkerung auf brutale Mittel zugegriffen hatte brauchte man im Anschluss einige Sündenböcke. Khamenei und sein Staatsapparat drückten Reformwillige an die Wand, marginalisierten einige Personen, die durchaus politisches Gewicht hatten, wie zum Beispiel Rafsandschani, und forcierten einen harten Kurs nach Innen und Außen. Unter anderem versuchte das Regime sich für einige Anschläge auf Einrichtungen in seinem Land und auf Personen, die im Atomprogramm beschäftigt waren zu rächen. Nachdem Versuche israelische und saudische Diplomaten in den USA, in Thailand oder in Aserbaidschan zu ermorden scheiterten, wurde diese Strategie bald aufgegeben. Dafür musste das Regime im Iran seine Kräfte auf die Ereignisse in Syrien konzentrieren. Mittlerweile ist die Beteiligung von Pasdaran und Bassidschi an der Niederschlagung der Proteste in Syrien offiziell.
Die ideologischen Verwerfungen
In der heiligen Stadt Qom, Partnerstadt des spanischen Santiago de Compostela, sind zahlreiche religiöse Institute und Ausbildungsstätten für Geistliche angesiedelt. Experten sprechen von zwei geistigen Strömungen, die in ihrer Ausrichtung fundamental entgegengesetzt ausgerichtet sind. Die einen wurzeln in den Lehren und Koranauslegungen des mystisch ausgerichteten Alameh Tabatabaie, während der zweite Strom von sozialrevolutionären, totalitären Vorstellungen, geprägt ist. Der zweite Strom wird von Geistlichen wie Mesbah Yazdi und Mohammad Yazdi vertreten. Beide Yazdis gehörten zum Kreis um Khamenei, der die Gesellschaft von allen Elementen religiöser Divergenzen und ideologischer Abweichungen befreien sollte. Beide befürworteten die Wahl Ahmadinedschads. Vor allem gehörte Mohammad Yazdi zu den vier Hauptverantwortlichen, die von Khamenei den Auftrag hatten auf allen Ebenen den Weg frei zu machen die Sufi-Derwische des Nematollah Gonabadi Ordens zu verfolgen. Khamenei, der an der Lomonossow Universität in Moskau studiert hat und eher in der Tradition Ali Shariatis Islam interpretiert, gilt bei manchen Beobachtern als verkappter Kommunist, der eher Stalins totalitäre Diktatur anstrebt und Islam nur als Etikett gebraucht, weil er in einem muslimisch geprägten Land herrscht, womit er die Massen hinter sich zu scharen hofft.
Um moderate islamische Geistliche zu ermutigen Stellung zu beziehen gegen diese manipulativen Praktiken sendet Dr. Seyed M. Azmayesh, Religionswissenschaftler und Sufi Meister mit Wohnsitz in Paris, regelmäßig Kommentare und Auslegungen zu Fragen um Koran, Islam und Tagespolitik über Satellitenfernsehen in den Iran. Sein Programm (Dorr TV) wird auch von vielen Schülern und Lehrern in den religiösen Schulen (Houzeh) Qoms verfolgt.
Als im Westen Proteststürme gegen die geplante Steinigung von Frau Ashtiani die Runde machten, zeigte Azmayesh in einer Sendung über Sangsar (Steinigung), dass Steinigungen im Koran als Methoden zeitgenössischer Despoten kritisiert und nicht als islamische Strafe propagiert werden. Kurze Zeit später gaben auch im Iran lebende Ayatollahs Rechtsgutachten ab, die Azmayesh's Linie bestätigten. Daraufhin entfernte das Regime Steinigungen aus seinem offiziellen Strafenkatalog.
In einer nächsten Programmserie seit Anfang 2012 mit mehr als 30 Folgen hat sich Azmayesh mit Hassan Basri beschäftigt. Inhaltliches Hauptziel dieser Serie war es originäre und authentische Auslegungen des Korans und der islamischen Lehren aufzuzeigen. Azmayesh zeigte eine direkte Verbindung zwischen Hassan Basri und Alameh Tabatabai und entzauberte die aus Halbwissen heraus interpretierte Islam Version Shariatis und ähnlich argumentierender Ideologen.
Damit arbeitet Azmayesh daran einen Mythos aufzubrechen, den die Befürworter des Systems aufgebaut haben. Der Mythos handelt davon, dass bestimmte Mullahs und andere Regimevertreter behaupten im Namen Gottes zu handeln und somit für sich selbst Objektivität beanspruchen, welche sie anderen im selben Atemzug aberkennen. Alle Verbrechen, alle Menschenrechtsverletzungen im Iran wurden und werden im Namen Gottes begangen. Mit diesem Trick täuschen die Herrscher im Iran die Massen und waschen sich selbst von jeder Schuld frei. Diese arrogante Interpretation ist laut den Ausführungen von Azmayesh geradezu anti-islamisch. Die Herrschenden im Iran sind nichts anderes als Despoten, die sich hinter dem Namen einer Religion verbergen und die Religion benutzen, um ihre Macht zu sichern.
Der ungehorsame Ziehsohn
Nachdem Khamenei 2006 Ahmadinedschad mit großen Hoffnungen auf einen Vertreter einer harten Linie ins Präsidentenamt gehievt hatte, sollte der neue Präsident nun auch in allen Bereichen die neue Strategie Khameneis in die Tat umsetzen. Ahmadinedschad hatte von Khamenei den Hinweis bekommen, er solle sich um die Beseitigung verschiedener ideologischer Gegner kümmern, unter anderem auch um die Beseitigung der Sufis. Diese Entscheidung Khameneis wollte Ahmadinedschad als Vorsitzender des Ausschusses der Kulturrevolution nicht mittragen. Hier machte sich vermutlich schon der Einfluss von Rahim Maschaie, seinem Berater und engsten Vertrauten, bemerkbar. Mashaie wird eine Vorliebe für indische Yogis und magische Praktiken nachgesagt.
Khamenei setzte deswegen Innenminister Pourmohammadi, Geheimdienstchef Edschei und Justizminister Ayatollah Schahroudi an die Aufgabe, worüber Ahmadinedschad sich ärgerte, denn er war gemäß der Regularien derjenige, der seine Minister beauftragen konnte und nicht der Oberste Führer. Alle drei Minister wurden von Ahmadinedschad im Laufe der Zeit entlassen.
Die ersten Risse in den Beziehungen zwischen Khamenei und Ahmadinedschad wurden sichtbar. Als Ahmadinedschad das Informationsministerium 2011 schließlich ganz unter seine Kontrolle bringen wollte und auch noch Heydar Moslehi entließ und von Khamenei wieder installiert wurde, entbrannte ein heftiges Ringen um Macht zwischen Khamenei und Ahmadinedschad, das bis heute in unterschiedlich starken Wellen weitergeht.
Raffinesse oder Brechstange: Die unterschiedlichen Stile iranischer Geheimdienste
Neben vielen unterschiedlichen Maßnahmen, um die Gesellschaft von westlichen Tendenzen und reformorientierten Elementen zu säubern hat Khamenei schließlich eine weitere Geheimdienstorganisation (Sazmane Etela'at Sepah-e Pasdaran) unter dem Dach der Pasdaran und der Führung von Hossein Taeb gegründet. Die Vorgehensweise des Informationsministeriums und der Stil der Pasdaran-Agenten könnten unterschiedlicher nicht sein. Während am Beispiel weiter oben in der Zeit Khatamis die eher nachhaltig und subtil angelegte Arbeitsweise des Informationsministeriums angedeutet wurde, wirken die Agenten der Pasdaran wie entlaufene Schurken, die abseits aller gesellschaftlichen Konventionen und in grober Missachtung iranischer Gesetze poltern, provozieren, verschleppen und zuschlagen. Sie berufen sich dabei darauf alles für den Führer und den Islam zu tun und rechtfertigen ihr Tun aus göttlicher Legitimation heraus.
Zurück zu den Wurzeln
Ayatollah Mohaghighe Dâmad ist ein muslimischer Philosoph aus Qom, der lange zu den Zuständen im Land geschwiegen hat. Sein Großvater, Hadsch Abdulkarim Haeri Yazdi, hat vor 90 Jahren die Houzeh-je Elmi in Qom gegründet. Ein renommiertes Institut, das jungen Geistlichen ein tieferes Verständnis des Islam näher bringt. Er gehört zu den wenigen Ayatollahs, die es gewagt haben den Kurs von Khamenei öffentlich zu kritisieren. Bei einer Veranstaltung im Teheraner Institut für Philosophie sprach er über den katastrophalen Ausbildungsstand dieses einst hoch geschätzten Instituts. Wörtlich: "Der Ursprungsimpuls der Houzeh ist völlig verloren gegangen. Der Grund dafür ist zunehmender Fanatismus." Anschließend erzählte er eine Überlieferung des Systemgründers Khomeini, der in jungen Jahren auch ein Schüler von Tabatabai war und sich für Mystik interessiert hatte: "Einst dozierte Khomeini über die Werke der Religionsphilosophen Mullah Sadra und Mirdâmad. Er hatte es nie gewagt die Werke des Philosophen des Lichts Suhrawardi anzusprechen. Sehr bald gab er es auch auf Mirdâmad zu erwähnen. Als er gefragt wurde warum, zögerte er einige Zeit bevor er von einem Traum erzählte. In dem Traum war ihm Mirdâmad erschienen, der ihn bat seine Werke nicht mehr zu erwähnen, da die Religionsschule voller fanatischer Leute sei, die seine Werke nicht verstünden und wenn Khomeini sie erklären würde, kämen diese fanatischen Leute noch auf die Idee Rechtsgutachten gegen ihn zu erlassen. Daher sei es besser seine Werke nicht auszulegen." Damit wollte Dâmad zeigen, das der Fundamentalismus schon zu Zeiten Khomeinis grassierte und sagen, dass die Situation noch schlimmer geworden sei. Wörtlich sagte er: "Religion wird zur Wissenschaft des Betrugs im Namen des Islam. Gewalt und Hass haben Hilfsbereitschaft und Barmherzigkeit verdrängt." Zuletzt postulierte Dâmad zurück zu den Wurzeln zu gehen und sich mit dem Koran zu beschäftigen. Er pries auch das Buch eines Rechtsgelehrten aus Andalusien, Schâti, der vor 1000 Jahren gelebt hatte.
Die Bewegung derer, die den Islam als Quelle von Weisheit und Mystik verstehen, beginnt sich zu regen. Erst vor zwei Tagen bat Ayatollah Mousavi Ardebili beim iranischen Volk um Vergebung für das was ihnen vom Regime angetan wurde und rief auch die Vertreter des Regimes auf sich für die Verbrechen zu entschuldigen. Khameneis ideologischen Säuberungen, Hassproklamationen und Anordnungen von Gewaltanwendung haben in eine riesige Sackgasse geführt.
Die harten Fakten
Es gibt seit Ende Mai 2012 zumindest drei interessante Spuren, die man aus politischen Entscheidungen im Iran beobachten kann. Der mit Ali Khamenei verschwägerte Philosoph und Parlamentsabgeordneter Gholam-Ali Haddad-Adel hat die Wahl zum Parlamentspräsidenten gegen Ali Laridschani verloren. Experten berichten Haddad-Adel sei Khameneis Favorit für den Posten gewesen, eine Niederlage für Khamenei, Punktgewinn für die Clique um die Familie Laridschani. Obwohl beide Kandidaten als loyale Anhänger Khameneis gelten, gibt es dennoch Unterschiede. Haddad-Adel gilt als Unterstützer Ahmadinedschads, während der vergangene und zukünftige Parlamentspräsident Laridschani der aktuellen Regierung immer wieder Steine in den Weg legt.
Rafsandschani hat in letzter Zeit intensive Gespräche mit Khamenei über eine möglichst schmerzfreie Rückkehr seines Sohnes Mehdi Hashemi in den Iran geführt. Man wirft ihm dort Korruption vor und will ihn vor Gericht stellen. Khamenei soll wohl versprochen haben den Prozess glimpflich ablaufen zu lassen. Aber weil Rafsandschani die Methoden des Regimes genau kennt, bat er auch um Sicherheiten für den Weg zwischen Flughafen und Gerichtssaal. Dieses pikante Detail ist vielsagend.
Gleichzeitig sollen die ehemaligen Gegner Ahmadinedschad und Rafsandschani einen politischen Schulterschluss planen. Dass Rafsandschani die politische Bühne wieder betritt, ist ein starkes Signal für einen Strategiewechsel von Khamenei. Es sieht so aus als habe der Druck Khamenei dazu gebracht, seinen alten Weggefährten wieder in den Ring zurück zu holen.
Das deutlichste Signal jedoch für eine Wende ist die Entfernung Mohammad Yazdis und Mesbah Yazdis aus den Führungsstrukturen der Verbände und Ausbildungsstätten für Geistliche in Qom. Sie standen sinnbildlich für einen harten Kurs und für einen Islam der Gewalt. Stattdessen kommen moderatere Geistliche zum Zuge wie Javadi Amoli und vor allem der Freitagsprediger von Qom Ayatollah Reza Ostadi.
Wohin das führen kann ist bei der sehr hohen Dynamik in der Politik Irans nicht klar. Aber es scheint zunächst als wäre Khamenei eingeknickt.
Helmut N. Gabel für mehriran.de