Kevin Macdonalds Reggae-Dokumentation “Marley”

Kevin Macdonalds Reggae-Dokumentation “Marley”

© Studiocanal / Bob Marley (6. Februar 1945 - 11. Mai 1981)

Immer wieder bietet das Leben bekannter Persönlichkeiten den Stoff für sogenannte Biopics, also Filme, in denen Schauspieler in die Rollen von Personen schlüpfen, die für die Weltgeschichte bedeutend sind – oder deren Geschichte es zumindest Wert ist, erzählt zu werden. So wurde James Franco zum Poeten Allen Ginsberg, Leonardo DiCaprio zu J. Edgar Hoover oder das prominenteste Beispiel aus jüngster Zeit: Meryl Streep zu Margaret Thatcher in „Die Eiserne Lady“. Bei diesen vermeintlich biographischen Filmen mischt sich auch immer ein wenig Mythos und fiktionale Hinzudichtung in die Geschichte mit ein. Nicht aber wenn sich ein Filmemacher wie der Schotte Kevin Macdonald, für seine Dokumentation „Ein Tag im September“ mit dem Oscar ausgezeichnet, durch Archivmaterial arbeitet, Interviews führt und Konzertmitschnitte aneinanderreiht. Daraus entstand die 144 Minuten lange Dokumentation „Marley“, in der es der Regisseur schafft, das Leben der Reggae-Ikone Bob Marley von seinen Anfängen in Jamaika bis hin zu großen Auftritten in London offen zu legen und dabei dem Mythos ein filmisches Denkmal zu setzen.

Und er hat sie alle vor die Kamera bekommen: Ganz gleich ob Bob Marleys erste Lehrerin Margaret James, seine Mutter Cedella Marley Booker, die Mitglieder der Band „The Wailers“, mit denen Marley lange Zeit gemeinsam aufgetreten ist oder seine Ehefrau Rita Marley, sein ältester Sohn, seine Halbschwester und seine Tochter – für „Marley“ haben sich eine beachtliche Anzahl von Menschen vor der Kamera versammeln lassen, die Anekdoten aus dem Leben des Musikers erzählen können. Nicht zu Unrecht wird an einer Stelle der Doku gesagt, dass Bob es war, der den Namen Marley in die ganze Welt hinausgetragen hat. Das Mindeste was man ihm an Dank nun zukommen lassen kann, ist offenbar dieses filmische Dokument, welches von den Anfängen Bobs in Jamaika ebenso erzählt, wie von seinen späteren, ausverkauften Konzerten in London. Chronologisch arbeitet sich Macdonald durch ein Leben, das mit 36 Jahren nur allzu kurz andauerte, aber mit zahlreichen Erlebnissen dennoch eine ausführliche Betrachtung zulässt. Foto- und Videomaterial aus Archiven bieten genügend Anschauungsmaterial, so dass keiner der Interviewpartner präsenter wirkt als der Mann, um den es hier gehen soll. Alte Interviews, Bilder, Konzertmitschnitte und die stets präsenten Songs, die im Hintergrund dudeln, sorgen dafür, dass der verstorbene Bob Marley hier am lebendigsten von allen Beteiligten wirkt.

Kevin Macdonalds Reggae-Dokumentation “Marley”

Bob Marley

Marley wird ganz familiär vorgestellt. Aufgewachsen in Nine Mile, St. Ann, einem kleinen Dorf in den Bergen, wird von seiner Kindheit erzählt, bis hin zu seinem 16. Lebensjahr, wo er die ersten Aufnahmen in einem Tonstudio machen darf. Langsam werden seine Dreadlocks zu seiner Identität, die Rastafari-Bewegung kommt in die Gänge, Jamaika erklärt seine Unabhängigkeit und Marley gerät zwischen die Fronten bei politischen Auseinandersetzungen zwischen der People’s National Party (PNP) und der Jamaica Labour Party (JLP). Was so kurz gerafft wie ein schneller Abriss seines Lebens und Wirkens klingt, wird von Macdonald bis ins kleinste Detail ausgeleuchtet. Ganz klassisch reiht er sein vorhandenes Material an die Interviews, erfindet die Doku nicht neu, bleibt bei einer stringenten Erzählform, die „Marley“ insofern zu Gute kommt, dass so jeder den roten Faden erkennen kann, nicht nur die Marley-Anhänger, die einen großen Teil seiner Geschichte sicherlich schon verinnerlicht haben. Macdonald widmet sich zudem nicht nur der musikalischen Geschichte des Künstlers, sondern auch den politischen Hintergründen Jamaikas und der Herkunft und Geburt des Reggae-Genres. Somit bekommen auch eingefleischte Marley-Anhänger vielleicht noch neue Einblicke in die Gesamtgeschichte geboten, die Bob Marley an keiner Stelle zu einem Anführer einer Kiffer-Bewegung stilisiert. Hiervon ist in „Marley“ nur am Rande etwas zu sehen, es nimmt genauso wenig einen Teil der Doku ein, wie etwa die immense Merchandise-Produktion, die in heutigen Tagen seine Hinterlassenschaft zu definieren scheint.

Die 144 Minuten hat Kevin Macdonald somit bestmöglich ausgenutzt um sein Vorhaben zu verwirklichen. Ihm ist eine beachtliche Dokumentation gelungen, die durch ihre Laufzeit aber sicher nicht für jedermann geschaffen ist. Man muss schon ein Faible für Bob Marley, zumindest für Reggae-Musik haben, um der Thematik über zwei Stunden folgen zu können. An der Qualität möchte man nicht herumkritisieren, es ist eine geradlinig und gut recherchierte Aufarbeitung, bei der vor allem die Zahl der Zeitzeugen zu beeindrucken weiß. Macdonald ist viel herumgereist um dieses Arbeit fertig zu stellen. Seine Bemühungen haben sich gelohnt, denn ein vergleichbares Werk wird man vergebens suchen.

Denis Sasse

Kevin Macdonalds Reggae-Dokumentation “Marley”

‘Marley‘


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